Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Beschwerde werden zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet (§ 285 i StPO).
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred W***** des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Erpressung nach §§ 144, 145 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 1 und 2 iVm § 15 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er in Graz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Renate P***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod, und zwar durch oftmals wiederholte Ankündigungen des Inhalts, er werde ihr die Gurgel aufschlitzen und sie liquidieren; er schneide ihr den Schädel ab; er blase ihr Hirn auf die Wand; er zerstückle sie, aber langsam, daß sie in den Rollstuhl komme; er werde sie samt dem Lokal zusammenschlagen; er werde ihr ein Messer hineinrennen und sie abstechen, in der Zeit vom Juni bis zum 19.Dezember 1990 zur Herausgabe von insgesamt 40.000 S in kleineren Teilbeträgen und zur Begleichung von Hotelkosten im Betrag von 8.400 S, sohin zu Handlungen, die sie am Vermögen schädigten, genötigt sowie in der Folgezeit bis zum 10.Jänner 1991 zu weiteren derartigen Handlungen zu nötigen versucht, wobei er die Erpressung gewerbsmäßig beging und gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzte.
Nach dem wesentlichen Inhalt der Entscheidungsgründe hatte der zur Tatzeit 45jährige Angeklagte, der bei 24 (großteils auf Gewalt- und Eigentumsdelikten beruhenden) Vorstrafen bereits (mehr als) 21 Jahre Freiheitsentzug erlitten hat, die etwa gleichaltrige Kellnerin Renate P***** während seiner letzten mehrjährigen Strafhaft durch eine Kontakt-Annonce kennengelernt und schon zu dieser Zeit, wenn er bei Meinungsverschiedenheiten etwas erreichen wollte, immer wieder - vor allem durch die Drohung, er werde sich an ihren Chef wenden, dem sie ihre Kontakte zu ihm verschwiegen hatte - unter Druck gesetzt. Nichtsdestoweniger nahm ihn P*****, die ihn in der Haftanstalt mehrere Jahre lang betreut hatte, eine dauerhafte Beziehung zu ihm aufbauen wollte und ihn zu einem ordentlichen Lebenswandel zu bringen versuchte, in der Hoffnung, sein Verhalten werde sich unter den geänderten Lebensbedingungen, die sie ihm bot, in der Freiheit bessern, nach der Haftentlassung im Juni 1990 bei sich auf.
Schon kurze Zeit später kam es laufend zu Differenzen zwischen ihnen, bei denen ihr der Angeklagte mit dem Liquidieren, mit dem Abstechen udgl sowie damit drohte, daß er ihren Dienstgeber, dem sie ihre Beziehung zu ihm als entlassenem Strafgefangenen nach wie vor sorgfältig verheimlicht hatte, darüber informieren werde. P*****, die nach einiger Zeit das Scheitern ihrer Bemühungen um den Angeklagten erkannte, war nunmehr bestrebt, sich im Guten von ihm zu trennen, zahlte ihm eine Zeitlang ein Hotelzimmer und ließ ihn ab etwa Mitte Dezember 1990 nicht mehr in ihre Wohnung.
Bis dahin bediente sich der Angeklagte, der monatlich ca 3.900 S Sozialhilfe bezog, nicht nur ständig aus einer gemeinsamen Kasse, in die P***** einen Teil ihres Verdienstes einbrachte, sondern er verlangte überdies laufend von ihr Geld; wenn sie das ablehnte, terrorisierte er sie mit den beschriebenen massiven Drohungen solange, bis sie ihm nachgab. Bis zum 19.Dezember 1990 zahlte sie solcherart an und für ihn rund 40.000 S; auch in der Folgezeit, bis zu ihrer Anzeigeerstattung und seiner Verhaftung am 11. Jänner 1991, setzte er diese ständigen Drohungen gegen sie fort, indem er sie hauptsächlich telefonisch an ihrem Arbeitsplatz kontaktierte, doch gelang es ihm nicht mehr, sie zu weiteren Zahlungen zu veranlassen.
Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß Renate P***** mit den festgestellten Drohungen vom Angeklagten längere Zeit hindurch gezielt und mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, dahin unter Druck gesetzt wurde, daß sie aus Angst um ihr Leben und um ihre wirtschaftliche Existenz die bezeichneten Zahlungen leistete, auf die er keinen Anspruch hatte, und daß er damit auch in der letzten Phase des Tatgeschehens, wiewohl erfolglos, das gleiche Ziel verfolgte.
Die gegen dieses Urteil sofort nach dessen Verkündung sowohl vom Angeklagten selbst als auch vom Verteidiger angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde (S 232) wurde gleichermaßen sowohl vom Angeklagten als auch vom Verteidiger gesondert ausgeführt. Der Schriftsatz des Angeklagten (ON 43) trägt die Bezeichnung "Anhang zur ausgefertigten Nichtigkeit und Berufung des Manfred W***** durch Dr. Z***** innerhalb der offenen Frist" und langte am 20. Dezember 1991 beim Prozeßgericht ein. Die Rechtsmittelschrift des Verteidigers (ON 44) samt (unter anderem) einem Durchschlag der zuvor relevierten Eingabe des Angeklagten (S 265 bis 270) wurde am selben Tag zur Post gegeben und langte am 23. d.M beim Erstgericht ein.
Der Schöffengerichtsvorsitzende wies den Schriftsatz des Angeklagten gemäß § 285 a (ersichtlich gemeint: Z 3) StPO zurück, weil eigene Aufsätze des "Rechtsmittelwerbers" (gemeint wohl: Beschwerdeführers), und zwar auch dann, wenn sie der Verteidiger als Beilage zu seiner Rechtsmittelschrift nehme, nicht als eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde anzusehen seien (ON 45).
Die vom Angeklagten mit dem Antrag, den in Rede stehenden Schriftsatz "als Anhang bei meinem Anwalt ... als Beweis meiner Unschuld an den Obersten Gerichtshof ..." abzusenden, erhobene Beschwerde gegen diesen Zurückweisungsbeschluß erweist sich als nicht zielführend.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittel des Angeklagten (Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung) als solche wurden vom Vorsitzenden - im Hinblick auf ihre fristgerechte Ausführung durch den Verteidiger und in Ansehung der Berufung zudem mangels Kompetenz (vgl § 294 Abs. 3 StPO) zu Recht - ohnehin nicht zurückgewiesen. Eine Zurückweisung von "Schriftsätzen" aber ist in der Strafprozeßordnung (hier: § 285 a) nicht vorgesehen und demgemäß rechtlich bedeutungslos: darüber, ob eine vom Angeklagten selbst erstattete Ausführung seiner Nichtigkeitsbeschwerde im Rechtsmittelverfahren zu beachten ist, hat vielmehr - sofern sie nicht mangels einer form- und fristgerechten anderweitigen Beschwerdeausführung zu einem (dieses Rechtsmittel als solches betreffenden) Vorgehen nach § 285 a Z 3 StPO Anlaß gibt - das Rechtsmittelgericht zu befinden.
Die (folgerichtig gleichfalls im Gesetz nicht vorgesehene) Beschwerde des Angeklagten gegen die Zurückweisung seines Schriftsatzes war daher ihrerseits zurückzuweisen.
Der vom Verteidiger ausgeführten, auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten jedoch kommt keine Berechtigung zu.
Mit der Verfahrensrüge (Z 4) remonstriert er gegen die Abweisung seiner Anträge auf Vernehmung der Roswitha W***** und des (erst auszuforschenden) Franz S***** als Zeugen zum Beweis dafür, daß er Renate P***** nicht bedroht und sie die Zahlungen an ihn immer freiwillig geleistet habe, sowie ferner auf Beischaffung einer im September 1990 von ihr erstatteten Anzeige gegen ihn und des betreffenden "Strafaktes" der Bundespolizeidirektion Graz, um darzutun, daß ihre Angaben (gemeint: ihre nunmehrigen Angaben über diese Anzeige) nicht richtig seien und daß sie damals keine angeblich von ihm begangenen "Drohungen und erpresserischen Handlungen" angezeigt habe (S 229 f.).
Aus welchen Gründen die als Zeugen beantragten Personen hätten in der Lage sein sollen, entscheidungswesentliche Aufschlüsse über die Beziehungen zwischen dem Angeklagten und P***** zu geben, ist aber den relevierten Anträgen (gleichwie der Aktenlage) ebensowenig zu entnehmen wie den (dahin in keiner Weise konkretisierten) Beschwerdebehauptungen; einer dahingehenden Begründung hätten diese Beweisanträge umso mehr bedurft, als sie ohne erkennbare Notwendigkeit, also ersichtlich in Verzögerungsabsicht (vgl § 199 StPO), erst im zweiten Verfahrensgang und auch hier erst unmittelbar vor dem Ende der Beweisaufnahme in der vertagten Hauptverhandlung gestellt wurden. Die damit beantragten Vernehmungen wurden daher vom Schöffengericht mit Recht der Sache nach als eine bloße Erkundungsbeweisführung abgelehnt (S 231).
Durch die Abweisung des Antrags auf Beischaffung der von der Zeugin P***** seinerzeit erstatteten Anzeige gegen den Beschwerdeführer sowie allfälliger darauf bezogener Erhebungsergebnisse jedoch wurde letzterer in seinen Verteidigungsrechten deshalb nicht beeinträchtigt, weil das Erstgericht insoweit auch den solcherart unter Beweis gestellten Umstand, daß ihn die Genannte damals - entgegen ihrer Darstellung in der Hauptverhandlung (S 211, 224) - noch nicht im Sinn der nunmehr gegen ihn erhobenen Vorwürfe gefährlicher (und erpresserischer) Drohungen bezichtigt habe, ohnehin als möglich in den Kreis der beweiswürdigenden Erwägungen miteinbezogen hat (S 231 f.); damit, daß er daraus andere Schlußfolgerungen abzuleiten trachtet, vermag er eine Notwendigkeit der vom Schöffengericht abgelehnten Beweisführung nicht aufzuzeigen.
Gleichfalls nicht zielführend ist die Mängelrüge (Z 5).
So ist das (mit dem Anschein einer wörtlichen Wiedergabe ausgestattete) Zitat einer Feststellung, wonach die Drohungen "beginnend mit Juni 1990" bis zum 10.Jänner 1991 meist mittels Telefon erfolgt seien, woran mit der Behauptung, gerade darauf beruhe der Schuldspruch, die Geltendmachung von Begründungsmängeln geknüpft wird, eklatant aktenwidrig; ist doch dem Urteil eine dahingehende Konstatierung in bezug auf die ihr unterstellte Terminisierung des Beginnes vorwiegend telefonischer Drohungen weder wörtlich noch auch nur sinngemäß zu entnehmen. Von einer den Inhalt der inkriminierten Drohungen betreffenden "Ungenauigkeit" (im Sinn einer Undeutlichkeit) der allem Anschein nach damit relevierten, im nunmehr aktuellen Konnex richtig zitierten Feststellung aber, wonach der Angeklagte "diese (im Zusammenhang unmißverständlich: ab der Verweigerung des Zutritts zur Wohnung im Dezember 1990 geäußerten) ständigen, meist telefonischen Drohungen" bis zum Tag vor seiner Verhaftung im Jänner 1991 fortsetzte (US 3 vso), kann schon deswegen keine Rede sein, weil das Erstgericht die drohenden Äußerungen für den gesamten Tatzeitraum nicht nur im Tenor detailliert beschrieben hat (US 1 vso), sondern zudem - einem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider - gerade darauf auch in den Entscheidungsgründen (neben weitergehenden speziellen Konstatierungen: US 2 vso, 3 vso/4) ausdrücklich Bezug nahm (US 3).
Unerfindlich hinwieder bleibt, inwiefern die in Rede stehende Zusammenfassung der dem Beschwerdeführer insgesamt zur Last gelegten Übelsankündigungen mit der Feststellung jener (sich inhaltlich damit überschneidenden) Drohungen, die er Renate P***** gegenüber speziell bei einem (von ihr auf Tonband aufgenommenen) Telefonat am 10.Jänner 1991 äußerte (US 3 vso/4), "in keinerlei Einklang" stehen sollte. Die Art des ihm angelasteten Druckes aber, den er solcherart gleichwie generell mit seinen Drohungen auf die Genannte ausübte, wird unmittelbar anschließend im Urteil sehr wohl präzisiert (US 4); gleichermaßen hat das Erstgericht bei der darauf bezogenen Konstatierung, daß P***** durch die inkriminierten Drohungen des Angeklagten aus Angst um ihr Leben und um ihre wirtschaftliche Existenz zu den von ihr verlangten Geldleistungen gezwungen werden sollte, ihre Bekundungen dahin, daß er "wörtlich" einen derartigen Bedingungszusammenhang nie herstellte (vgl va S 222), ohnehin insofern berücksichtigt, als es diese Zielsetzung seines Terrors, den er gegen das Tatopfer ausübte, daraus ableitete, daß seine Drohungen jeweils sofort aufhörten, wenn die Bedrohte "verstanden hatte" und zahlte (US 4).
Nicht anders verhält es sich ferner mit der vom Beschwerdeführer vermißten Begründung für die Annahme seines über den Zugang zur gemeinsamen Kasse hinausgegangenen Geldbedarfs: dazu genügt es, ihn auf den Inhalt der Entscheidungsgründe (US 2 vso/3) zu verweisen. Ohne Belang aber ist es, ob er gerade bei der zuvor relevierten telefonischen Bedrohung der Zeugin P***** am 10. Jänner 1991 (US 3 vso) auch den Ausdruck "liquidieren" verwendete; der insoweit reklamierte Begründungsmangel betrifft daher jedenfalls keine im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache. Mit seinem daran anknüpfenden Versuch hinwieder, die bei diesem Telefongespräch von ihm geäußerten Drohungen bloß als milieubedingte Unmutsäußerungen hinzustellen, ficht der Angeklagte im Rahmen der Mängelrüge nur unzulässigerweise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung an.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen.
Denn dabei zielt der Beschwerdeführer zum einen, "Feststellungsmängel" behauptend, teils auf hypothetische Ergebnisse einer in erster Instanz abgelehnten Beweisführung und im übrigen bloß auf eine günstigere Würdigung des Ergebnisses der tatsächlichen schöffengerichtlichen Beweisaufnahme ab. Solcherart wird jedoch in Wahrheit nicht etwa ein auf unrichtiger Rechtsansicht beruhendes Unterbleiben entscheidungswesentlicher Konstatierungen geltend gemacht, sondern vielmehr zum Teil nur neuerlich eine Relevanz jener Beweisthemen darzutun versucht, auf die sich die (schon zuvor erledigte) Verfahrensrüge bezieht, und im übrigen unter unzulässiger Bekämpfung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung gegen die Richtigkeit ohnehin getroffener, den Beschwerdeintentionen indessen zuwiderlaufender Feststellungen remonstriert.
Zum anderen aber setzt sich der Angeklagte im Bemühen, die Beurteilung der ihm angelasteten Äußerungen als gefährliche Drohungen (§ 74 Z 5 StGB) in subjektiver und objektiver Hinsicht in Frage zu stellen, sowohl mit der Annahme, er habe damit nur milieubedingt seinen Unmut geäußert, also nicht vorsätzlich Übelsankündigungen zum Ausdruck gebracht, als auch mit der völlig unsubstantiierten Behauptung, diese Äußerungen seien "nicht geeignet" gewesen, "die Zeugin P***** in Furcht und Unruhe zu versetzen", jeweils über die ausdrücklich gegenteiligen Tatsachenfeststellungen im Urteil (vgl va US 4) hinweg, wonach es ihm bei seinem Tatverhalten sehr wohl auf eine Bedrohung der Genannten ankam und wonach diese eben deswegen - ohne daß das zur Tatbestandsverwirklichung vorauszusetzen wäre - auch tatsächlich um ihr Leben sowie um ihre wirtschaftliche Existenz fürchtete.
Materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe können jedoch zum einen nur durch einen Vergleich des Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten materiellen Recht und zum anderen (wie jeder Beschwerdegrund) nur durch eine ausdrückliche oder doch immerhin deutliche Bezeichnung jener Tatumstände, welche die Nichtigkeit bewirken sollen, gesetzmäßig dargetan werden.
Die (vom Verteidiger ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO). Auf die vom Angeklagten selbst verfaßte Rechtsmittelausführung war dabei, wie das Erstgericht beim eingangs erörterten Zurückweisungsbeschluß an sich richtig erkannt hat - nicht einzugehen, weil im Gesetz nur eine einzige (von einem Verteidiger unterfertigte) Beschwerdeausführung vorgesehen ist (§ 285 Abs. 1 StPO).
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