OGH 3Ob127/91

OGH3Ob127/9126.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf H*****, vertreten durch Dr. Paul Renn, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Edgar S*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle und Dr. Karl Schelling, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch von S 75.000,--, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 25. September 1991, GZ 1 c R 174/91-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 12. August 1991, GZ 4 Cg 1221/90b-11, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Beklagte hatte mit Unternehmenskaufvertrag vom 2. November 1987 sein in gemieteten Räumlichkeiten betriebenes Videothek-Unternehmen an den Kläger um einen in Teilbeträgen zu leistenden Kaufpreis von S 288.000 mit Stichtag 1. Juli 1987 veräußert.

Über das Vermögen des Beklagten wurde am 3. November 1987 zu Sa 19/87 des Landesgerichtes Feldkirch das Ausgleichsverfahren und nach Einstellung dieses Verfahrens wegen Zurücknahme des Ausgleichsantrages durch den Schuldner am 11. Feber 1988 zu S 9/88 der Anschlußkonkurs eröffnet.

Der Masseverwalter erklärte wegen Verzuges des Klägers mit der Kaufpreiszahlung den Rücktritt vom Unternehmenskaufvertrag und erhob am 11. November 1988 gegen den Kläger die Klage auf Herausgabe der mit dem Unternehmen übergebenen Sachen, auf Rückübertragung der Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten und Rückstellung des Mietgegenstandes sowie auf Zahlung von S 75.000 als Benützungsentgelt vom August 1987 bis Oktober 1988 in Rückabwicklung der gegenseitigen Leistungen. Dem Klagebegehren gab das Landesgericht Feldkirch mit dem Versäumungsurteil vom 13. Dezember 1988, GZ 3 Cg 356/88-4, statt. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Der am 5. Jänner 1989 geschlossene Zwangsausgleich wurde vom Konkursgericht mit Beschluß vom 20. Jänner 1989, GZ S 9/88-55, bestätigt. Das Konkursgericht hob schließlich mit dem am 11. März 1989 rechtskräftig gewordenen Beschluß vom 24. Feber 1989 den Konkurs nach § 157 Abs 1 KO auf.

Schon am 14. Feber 1989 hatte der Masseverwalter gegen den Kläger auf Grund des Versäumungsurteiles vom 13. Dezember 1988 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung der Konkursmasse zu E 338/89 des Bezirksgerichtes Bezau die Bewilligung der Fahrnisexekution erwirkt.

Am 16. August 1990 bewilligte das Bezirksgericht Dornbirn zu E 4106/90 dem Beklagten zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von S 75.000,-- sA auf Grund des Versäumungsurteiles des Landesgerichtes Feldkirch vom 13. Dezember 1988 die Exekution durch Pfändung und Verkauf der beweglichen Sachen und durch Pfändung und Überweisung der Bezüge nach § 294a EO. Am 14. September 1990 erfolgte beim Kläger als Verpflichteten die Pfändung von Fahrnissen. Das Exekutionsgericht bewilligte dem Verpflichteten auf dessen Antrag am 18. September 1990 zur Erhebung eines Rekurses und zur Einbringung exekutionsrechtlicher Klagen die Verfahrenshilfe im vollen Umfang und gab ihm einen Rechtsanwalt bei.

Dieser verfaßte die mit 21. November 1990 datierte und am 22. November 1990 beim Erstgericht eingegangene Klage zu 4 C 1219/90h, womit Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung erhoben wurden. Der Beklagte sei nicht legitimiert, den Anspruch aus dem vom Masseverwalter erwirkten Versäumungsurteil geltend zu machen. Er habe den urkundlichen Nachweis des Überganges der Forderung nach § 9 EO nicht erbracht (§ 36 Abs 1 Z 1 EO). Der Kläger begehrte die Aufhebung der Exekutionsbewilligung.

Mit der weiteren, mit 22. November 1990 datierten und am 23. November 1990 beim Erstgericht eingegangenen Klage zu 4 C 1221/90b erhob der Kläger Einwendungen gegen den Anspruch. Der Masseverwalter habe das Klagebegehren, über das mit Versäumungsurteil entschieden wurde, auf den Anfechtungstatbestand des § 31 KO gestützt. Durch den Zwangsausgleich seien die Voraussetzungen für den titulierten Anspruch weggefallen. Der Beklagte schulde dem Kläger aus unzulässiger Übernahme von Waren an Schadenersatz mehr als S 500.000. Die Forderung des Beklagten auf Zahlung von S 75.000, nach dem Versäumungsurteil vom 13.Dezember 1988 sei nicht mehr offen. Der Kläger begehrte das Urteil, der Anspruch, zu dessen Gunsten die Exekution bewilligt wurde, sei erloschen.

Das Erstgericht beraumte die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in den beiden Rechtsstreiten für den 18. Dezember 1990 an. Die Zustellung der Impugnationsklage und der Oppositionsklage an den Beklagten erfolgte jeweils am 7. Dezember 1990.

Das Urteil des Erstgerichtes vom 11. August 1991, GZ 4 C 1219/90h-12, womit das Impugnationsbegehren des Klägers auf Unzulässigerklärung der Exekutionsbewilligung abgewiesen wurde, ist in Rechtskraft erwachsen.

Das Erstgericht wies mit dem Urteil vom 12. August 1991 das Begehren der Oppositionsklage ab, weil es unter anderem den Standpunkt des Beklagten teilte, die im § 35 Abs 3 EO und im § 36 Abs 2 Satz 2 EO verankerte Eventualmaxime gelte auch, wenn nebeneinander Einwendungen gegen den Anspruch und gegen die Exekutionsbewilligung erhoben werden. Erstere hätten daher schon in der am Vortag eingebrachten Klage geltend gemacht werden müssen. In der Annahme, daß der Grundsatz, der Verpflichtete müsse alle ihm zur Zeit der Erhebung der Klage bekannten Einwendungen bei sonstigem Ausschlusse gleichzeitig geltend machen, nicht auf das Zusammentreffen von Einwendungen nach § 35 und § 36 EO anzuwenden sei, läge ein unvertretbarer Wertungswiderspruch. Auf die verspätet geltend gemachte Einwendung, der betriebene Anspruch sei erloschen, müsse daher nicht eingegangen werden.

Das Berufungsgericht hob über die Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichtes auf. Es verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, die Eventualmaxime beziehe sich wegen der unterschiedlichen Rechtsschutzziele jeweils nur auf die Klagsführung nach § 35 EO oder § 36 EO, doch könne dem Gesetz nicht entnommen werden, daß in einer Impugnationsklage auch alle Oppositionseinwendungen bei einem sonstigem Ausschluß geltend gemacht werden müßten.

Der Rekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, können im Zuge des Exekutionsverfahrens insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die nach dem Zeitpunkt eingetreten sind, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Tatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte (§ 35 Abs 1 EO). Alle Einwendungen, die der Verpflichtete zur Zeit der Erhebung der Klage vorzubringen imstande war, müssen bei sonstigem Ausschluß gleichzeitig geltend gemacht werden (§ 35 Abs 3 EO). Diese verfahrensrechtliche zwingende Vorschrift für die mit Oppositionsklage geltend zu machenden Einwendungen steht der Bedachtnahme auf verspätet vorgebrachte Einwendungen entgegen, die der Verpflichtete auch nicht mit neuer Klage geltend machen kann. Das Eventualprinzip soll die Verschleppung der Exekution verhindern (Heller-Berger-Stix 419 f; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht3, 121) und der Verfahrenskonzentration dienen (Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren Rz 350).

Die ebenfalls mit Klage anzubringenden Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nach § 36 Abs 1 EO dienen der Bestreitung durch den Verpflichteten, daß die für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit des Anspruches maßgebenden Tatsachen (§ 7 Abs 2 EO) oder die angenommene Rechtsnachfolge (§ 9 EO) eingetreten seien (Z 1), oder der Durchsetzung der Behauptung, daß der betreibende Gläubiger auf die Einleitung der Exekution überhaupt oder für eine einstweilen noch nicht abgelaufene Frist verzichtet habe (Z 2; Exekutionsverzicht oder Exekutionsstundung). Auf diese Klage finden nach § 36 Abs 2 S 2 EO die Bestimmungen des § 35 Abs 3 Satz 2 EO über die Verbindung aller Einwendungen, die der Verpflichtete zur Zeit der Erhebung der Klage vorzubringen imstande war, sinngemäße Anwendung. Es gelten dabei dieselben Grundsätze wie bei der Oppositionsklage (Heller-Berger-Stix 439).

Der Zweck der Eventualmaxime wird in Frage gestellt, wenn es dem Verpflichteten frei steht, zunächst seine Einwendungen nach § 35 EO und erst später seine Einwendungen nach § 36 EO zum Gegenstand eines Rechtsstreites zu machen. Andererseits hat der Gesetzgeber das Eventualprinzip im Zivilprozeß nicht nur weitgehend schon zur Jahrhundertwende beseitigt (Heller-Berger-Stix 419), sondern diesen Weg auch bei der nicht lange zurückliegenden Neuordnung des zivilgerichtlichen Verfahrens fortgesetzt und dieses Prinzip bei den Einwendungen gegen den Zahlungsauftrag, den Wechselzahlungsauftrag, die gerichtliche Aufkündigung und den Auftrag zur Übergabe oder Übernahme des Bestandgegenstandes aufgegeben (Aufhebung des Wortes "seine" im § 550 Abs 2, § 557 Abs 1, § 562 Abs 1 und § 567 Abs 1 ZPO durch § 36 Z 15 KSchG). Abgesehen von möglichen Kostenfolgen kann der Verpflichtete die Einwendungen nach § 35 EO einerseits und nach § 36 EO mit gesonderten Klagen geltend machen. Eine Verbindung der Geltendmachung ist sogar ausgeschlossen, wenn die Einwendungen gegen den Anspruch, der sich auf einen der im § 1 Z 10 und Z 12 bis Z 14 EO angeführten Exekutionstitel stützt, nicht bei Gericht, sondern bei der Behörde anzubringen sind, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist (§ 35 Abs 2 Satz 2 EO).

Ob zur Erreichung des Zweckes, der Exekutionsverschleppung entgegenzuwirken, in der Impugnationsklage auch alle Oppositionseinwendungen vorgetragen werden müssen, das Eventualprinzip also übergreifend alle Einwendungen nach dem § 35 und dem § 36 EO erfaßt, kann aber hier dahingestellt bleiben. In dem an den Obersten Gerichtshof herangetragenen Fall wird einerseits das vom Eventualprinzip verfolgte Ziel nicht gefährdet, wurden doch die beiden Klagen im Abstand von nur einem Tag erhoben. Andererseits wurden beide Klagen dem Beklagten zugleich zugestellt. Bis zum Beginn der ersten Tagsatzung hätte der Kläger die Klagen ohne Zustimmung des Beklagten und ohne Verzicht auf den Anspruch noch zurücknehmen (§ 237 Abs 1 ZPO) und alle Einwendungen in einer einzigen neuen Klage vorbringen können. Es kann ihm daher nicht schaden, daß er in einer zweiten Klage seine Einwendungen nach § 35 EO noch vor der Zustellung der Klagen nachgetragen hat, auch wenn das Erstgericht eine Verbindung der beiden Rechtsstreite nicht angeordnet hat. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte