OGH 9ObA248/91

OGH9ObA248/9126.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr. Walter Zeiler und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** V*****, kfm. Angestellte, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Dr. F***** F*****, Rechtsanwalt *****, als Masseverwalter im Konkurs der C***** GmbH, ***** wegen Feststellung einer Forderung (S 482.508,92 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 1991, GZ 13 Ra 33/91-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Anerkenntnisurteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. März 1990, GZ 14 Cga 66/90-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird hinsichtlich der geltend gemachten Nichtigkeit zurückgewiesen. Im übrigen wird der Revision zum Teil Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seiner Entscheidung über die Feststellung der Klageforderung (Anerkenntnisurteil) als Teilurteil bestätigt wird, wird in seiner Entscheidung über die eingewendete Gegenforderung der beklagten Partei und im Kostenpunkt aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. Juli 1986 bis 16. Februar 1990 bei der I***** GmbH (nachmals C***** GmbH) als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ihren vorzeitigen Austritt.

Mit Protokollarklage vom 6. März 1990 verlangt die Klägerin von der Beklagten insgesamt S 482.508,92 brutto sA an Gehalt samt Sonderzahlungen und Überstundenentgelt, Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung, Spesenersatz und Abfertigung. Ihr vorzeitiger Austritt sei berechtigt erfolgt, da die Beklagte ihr trotz Nachfristsetzung kein Entgelt mehr gezahlt habe.

In der Tagsatzung vom 27. März 1990 anerkannte der (unvertretene) Geschäftsführer der Beklagten das Klagebegehren zur Gänze. Über Antrag der Klägerin verkündete das Erstgericht hierauf in Gegenwart beider Parteien ein dem Klagebegehren stattgebendes Anerkenntnisurteil. Noch vor Eintritt der Rechtskraft wurde am 17. April 1990 über das Vermögen der Beklagten der Konkurs eröffnet und der nunmehrige Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Dieser bestritt in der Prüfungstagsatzung vom 29. Mai 1990 den mit S 400.857,18 netto als Konkursforderung angemeldeten und der zugesprochenen Bruttoforderung entsprechenden Betrag zur Gänze.

Nach Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erhob der Beklagte eine Berufung gegen das Anerkenntnisurteil, in der er neu vorbrachte, daß das Klagebegehren auch der Höhe nach bestritten werde. Das weder der Ausbildung noch der Tätigkeit entsprechende Gehalt der Klägerin beruhe auf einer im Hinblick auf das Naheverhältnis der Klägerin zum Geschäftsführer anfechtbaren Vereinbarung. Der Klägerin, die zum Personenkreis des § 32 KO gehöre, sei die Absicht, die Gläubiger der Gemeinschuldnerin zu benachteiligen, bekannt gewesen; dies treffe auch für die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses zu. Sollten die somit geltend gemachten Anfechtungstatbestände im Sinne des § 28 Z 1 bis 3 KO nicht vorliegen, werde ein die Klageforderung weit übersteigender Gegenanspruch der Konkursmasse bis zur Höhe der Klageforderung compensando eingewendet.

Das Unternehmen der Gemeinschuldnerin sei seit Jahren überschuldet gewesen. Hinsichtlich der zu Recht bestehenden Gläubigerforderungen bestehe ein Ausfall von S 15,800.000, für welchen Schaden die Klägerin ebenso wie der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin hafte. Die Klägerin hätte als Prokuristin die Pflicht gehabt, daß rechtzeitig ein Insolvenzverfahren eingeleitet und nicht ungehemmt weitere Schulden eingegangen worden wären. Sollte sie aufgrund mangelnder Ausbildung die "Waghalsigkeit" der Fortführung des Unternehmens nicht erkannt haben, hätte sie sich nicht zur Prokuristin bestellen lassen dürfen. Sie verantworte in beiden Fällen Fahrlässigkeit und hafte sowohl dem Unternehmen als auch den Gläubigern für den verursachten Schaden.

Die Klägerin bestritt dieses Neuvorbringen. Die Gehaltsvereinbrung sei aufgrund ihrer Ausbildung und Vorpraxis angemessen gewesen; es habe auch kein Naheverhältnis zum Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin bestanden. Sie habe diesen auf die schlechte finanzielle Situation hingewiesen und nach dem Scheitern von Übernahmsverhandlungen mit einem deutschen Unternehmen die Prokura noch vor der Insolvenz zurückgelegt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Es bestätigte das Anerkenntnisurteil des Erstgerichts mit der Maßgabe, daß es das Zurechtbestehen einer Konkursforderung von S 482.508,92 brutto sA feststellte; die Aufrechnungseinrede der Beklagten wies es zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß das Neuvorbringen der Beklagten gemäß § 63 Abs 1 ASGG zwar zulässig, aber unbeachtlich sei. Die Anfechtung der Gehaltsvereinbarung der Klägerin als überhöht könne die Wirkungen des Anerkenntnisurteils nicht beseitigen. Der Beklagte habe es nämlich unterlassen, das prozessuale Anerkenntnis anzufechten oder zu widerrufen. Die hilfsweise eingewendete Gegenforderung sei nicht aufrechenbar. Nach dem Vorbringen der Beklagten sei die aufrechnungsweise eingewendete Schadenersatzforderung gegen die Klägerin erst mit der Konkurseröffnung Bestandteil der Konkursmasse geworden (§ 20 KO). Die konkursmäßige Verstrickung verbiete daher die Verwendung einer zur Konkursmasse gehörigen Forderung zur Tilgung einer Konkursforderung im Aufrechnungsweg. Die Gegenforderung sei nach den Behauptungen auch unschlüssig. Gemäß § 69 Abs 3 KO habe ausschließlich den Geschäftsführer die Verpflichtung zur unverzüglichen Antragstellung auf Konkurseröffnung getroffen. Daß dieser außerstande gewesen sei, seiner Verpflichtung nachzukommen, sei nicht einmal behauptet worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung insoweit als nichtig aufzuheben, als ein den Betrag von S 400.857,18 netto übersteigender Betrag als Konkursforderung festgestellt wurde, und die Klage in diesem Umfang zurückzuweisen. Im übrigen begehrt der Beklagte die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung.

Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Revisionsgrund der Nichtigkeit liegt nicht vor.

Richtig ist, daß die Klägerin ihre Entgeltforderung im Konkurs mit einem Nettobetrag anmeldete, der auch "Zinsen vom 1. Jänner bis 15. Februar 1990 und vom 16. Februar bis 16. April 1990" beinhaltet. Soweit daher die Klägerin und der Beklagte als Masseverwalter in der Berufungsverhandlung ausdrücklich außer Streit stellten, daß der eingeklagte Bruttobetrag dem im Konkursverfahren angemeldeten Nettobetrag entspreche, kann der Beklagte nicht mehr geltend machen, das Berufungsgericht habe über ein Klagebegehren entschieden, das nicht Gegenstand der Prüfungstagsatzung gewesen sei.

Im übrigen ist die Revision zum Teil berechtigt. Nach Lehre und Rechtsprechung ist ein prozessuales Anerkenntnis eine nur den Regeln des Prozeßrechts unterworfene Prozeßhandlung, die dem Gericht die Möglichkeit nimmt, die materielle Rechtslage zu prüfen. Die Abstraktionswirkung des prozessualen Anerkenntnisses schneidet den Rückgriff auf das Grundgeschäft ab. Mit der Fällung eines Anerkenntnisurteils wird das Anerkenntnis unwiderruflich, so daß sich eine allfällige Berufung gegen das Anerkenntnisurteil nur auf prozessuale Grundsätze, wie etwa das Fehlen der Prozeßvoraussetzungen, der Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit des Anerkenntnisses oder das Nichtvorliegen eines Anerkenntnisses, stützen kann (vgl. Fasching, Kommentar III 607; derselbe ZPR2 Rz 1320; RZ 1979/85 ua). Derartige Anfechtungsgründe sind der Berufung des Beklagten, der den fortgesetzten Prozeß in der Lage annehmen muß, in der er sich befindet, und der die von der Gemeinschuldnerin noch wirksam gesetzten Prozeßhandlungen gegen sich gelten lassen muß (vgl. Fasching, ZPR2 386 und 389), nicht zu entnehmen.

Auch wenn die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz im Sinne des § 40 Abs 1 ASGG nicht qualifiziert vertreten war, und daher die Bestimmungen über das Neuerungsverbot nach § 482 ZPO nicht anzuwenden sind, ändert dies nichts daran, daß die abgegebene Prozeßerklärung insoweit nicht geändert werden kann, als sie bereits Grundlage eines Urteils geworden ist. In diesem Belange sind die sachlichen Grenzen der Neuerungserlaubnis im Hinblick auf die Anerkennung des "Klagebegehrens" beachtlich. Das im § 482 ZPO geregelte Neuerungsverbot bezieht sich im wesentlichen auf die Geltendmachung neuer Ansprüche und Einreden sowie auf das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel (vgl. Kuderna, ASGG, § 63 Erl 2 ff; Konecny, Zur Neuerungserlaubnis in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, WBl. 1987, 28 ff; auch Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren 132 ff). Soweit der Beklagte in der Berufung im fortgesetzten Verfahren nunmehr das Klagebegehren "auch" der Höhe nach bestritt und das Vorliegen einer anfechtbaren Gehaltsvereinbarung einwendete, widerrief er damit zwar entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes das abgegebene Anerkenntnis, sein Widerruf ist aber schon zufolge der prozessualen Wirkung des Anerkenntnisses in erster Instanz wirkungslos geblieben (vgl. SrM IV A 313). Eine Anfechtung der Gehaltsvereinbarung durch eine erst im Berufungsverfahren neu erhobene Einrede der Anfechtbarkeit im Sinne des § 43 Abs 1 KO ist sohin nicht mehr zulässig. Da zwischen den Entgeltansprüchen der Klägerin und der eingewendeten Schadenersatzforderung des Beklagten aus einem Verhalten bei der Erbringung der Dienstleistung kein rechtlicher Zusammenhang besteht, ist mit Teilurteil vorzugehen (EvBl. 1991/86; SZ 56/70 ua).

Hingegen ist die Arbeitsrechtssache hinsichtlich der zulässigerweise neu eingewendeten Gegenforderung (vgl. Kuderna aaO Rz 4) noch nicht spruchreif. Nach den Behauptungen des Beklagten fügte die Klägerin als angestellte Prokuristin der Gemeinschuldnerin einen Schaden dadurch zu, daß sie die Eingehung weiterer Schulden nicht verhinderte und in Benachteiligungsabsicht sowie schuldhaft an der "Waghalsigkeit der Fortführung des Unternehmens" teilnahm (§ 161 StGB). Sie hätte nach Meinung des Beklagten die erteilte Prokura zurücklegen oder den Geschäftsführer eindringlichst darauf aufmerksam machen müssen, daß rechtzeitig ein Insolvenzverfahren einzuleiten sei. Eine Verletzung der Vorschrift des § 69 Abs 3 KO wurde nicht behauptet. Dieses Vorbringen ist zwar noch ergänzungsbedürftig, aber im Hinblick auf die Befugnisse von Prokuristen nicht von vorneherein so unschlüssig, daß es unbeachtlich bleiben könnte (vgl. etwa Arb 10.306).

Die Klägerin beendete ihr Dienstverhältnis bereits zwei Monate vor der Eröffnung des Konkursverfahrens. Es trifft daher nicht zu, daß die behaupteten Schadenersatzansprüche schlechthin erst mit oder nach Konkurseröffnung entstanden sein könnten. Soweit bereits die Gemeinschuldnerin Schadenersatzansprüche hätte erheben können, ist auch eine nach § 19 Abs 1 KO mögliche Aufrechnungslage zu prüfen (vgl. Roth, Die Aufrechnung im Konkurs, Beiträge zum ZPR, 167 ff, 179; König, Die Anfechtung nach der KO Rz 352; Heil, Insolvenzrecht Rz 37; auch Krejci, Zur Kompensation der Entgeltforderungen des Arbeitnehmers mit Arbeitgeberansprüchen auf Schadenersatz, ZAS 1980, 163 ff). Abgesehen davon wäre eine Aufrechnung auch bei konkursmäßiger Verstrickung jedenfalls nach Feststellung der Konkursquote zulässig, weil dadurch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger nicht verletzt wird (vgl. EvBl. 1991/143). Mangels näherer Konkretisierung dieser Ansprüche kann dazu aber noch nicht abschließend Stellung genommen werden. Einer solchen Aufrechnung steht zwar § 7 DHG nicht mehr entgegen, jedoch sind die Beschränkungen des § 293 EO zu beachten (SZ 56/150; SZ 56/70; Arb. 10.769 ua). Insoweit wird das Verfahren vom Berufungsgericht (vgl. Kuderna aaO Erl. 9; Konecny aaO 31) noch zu ergänzen sein.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs 2 ZPO begründet.

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