OGH 10ObS40/92

OGH10ObS40/9225.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Gerhard Gotschy (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl H*****, Tischler, *****vertreten durch Dr. Werner Pennerstorfer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ANGESTELLTEN, 1021 Wien, Friedrich Hillegeiststraße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. November 1991, GZ 31 Rs 172/91-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22. Mai 1991, GZ 6 Cgs 12/90-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 10. 1989 gerichtete Klagebegehren ab. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß der am 3. 12. 1938 geborene Kläger, der den Beruf des Tischlers erlernt hat und als Tischlergeselle in verschiedenen Tischlereien, auch im Büromöbelbau und im Ladenbau tätig war, noch die Teiltätigkeiten eines Furniertischlers und Verleimtischlers ausüben könne. Ein Furniertischler übe eine hochwertige Teiltätigkeit des Tischlers aus, wodurch der Berufsschutz nicht verlorengehe; er wähle die Furniere aus, stelle sie zusammen und verleime sie auf entsprechenden Holzbearbeitungsmaschinen. Berufsunfähigkeit liege daher nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Sei ein Versicherter in der Lage, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben, was beim Kläger hinsichtlich der festgestellten Verweisungstätigkeiten der Fall sei, so müsse davon ausgegangen werden, daß er ein Einkommen zumindest in Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes erzielen könne (SSV-NF 1/11, 1/54). Die Frage der Lohnhälfte stelle sich daher nicht. Da der Kläger das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, sei es ohne Bedeutung, ob er die zuletzt innerhalb der letzten 15 Jahre tatsächlich ausgeübte Tätigkeit aufgrund seines Leistungskalküls nicht mehr verrichten könne. Entscheidend sei lediglich, daß für ihn im Rahmen seines Berufsschutzes noch Verweisungstätigkeiten vorhanden seien, was bejaht werden müsse. Auf Angestelltenberufe sei deshalb nicht Bedacht zu nehmen, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum vor dem Stichtag als Tischlergeselle bzw. Monteur im Ladenbau beschäftigt war; die Anspruchsvoraussetzungen seien daher nach § 255 ASVG zu prüfen (SSV-NF 3/156).

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist richtig (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist der Rechtsrüge entgegenzuhalten:

Daß der Kläger im Angestelltenverhältnis beschäftigt war, wie sich übrigens auch aus dem berufskundlichen Sachverständigengutachten ON 9 ergibt, brauchte nicht festgestellt zu werden. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, daß der Anspruch eines Pensionswerbers, der trotz seiner Versicherung als Angestellter (und Leistungszuständigkeit der PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ANGESTELLTEN) in Wahrheit Arbeitertätigkeiten verrichtet hat, nach dem Invaliditätsbegriff des § 255 ASVG zu beurteilen ist (außer der vom Berufungsgericht genannten Entscheidung SSV-NF 3/156 etwa noch SSV-NF 3/2, 4/38, 4/84, 5/40). Der Pensionsanspruch des Klägers ist also nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG (und nicht nach § 273 Abs 1 ASVG) zu prüfen.

Die Vorinstanzen haben am Berufsschutz des Klägers als gelernter Tischler nicht gezweifelt; die Revisionsausführungen, wonach sich bei richtiger rechtlicher Beurteilung ergeben hätte, daß dem Kläger "sehr wohl" Berufsschutz zukomme, sind unverständlich. Nach den Feststellungen kann der Kläger seinen erlernten und überwiegend ausgeübten Beruf jedenfalls noch als Furniertischler weiter ausüben. Dabei handelt es sich nach den Feststellungen um eine qualifizierte Teiltätigkeit des Tischlers (vgl. auch SSV-NF 2/93), weshalb bei dieser Tätigkeit der Berufsschutz des Tischlers erhalten bleibt. Die entsprechende Anwendung des § 255 Abs 4 ASVG scheitert aber daran, daß der Kläger das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da der Kläger durch einen im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt vertreten wird, ist er mit Kosten des Revisionsverfahrens nicht belastet, weshalb kein Anlaß zu einem Kostenzuspruch aus Billigkeit besteht (SSV-NF 1/19, 2/26, 2/27 uva).

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