OGH 14Os6/92

OGH14Os6/9225.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Nedwed als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl H***** und Karin G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karl H***** sowie die Berufung der Angeklagten Karin G***** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 23.August 1991, GZ 20 o Vr 804/90-112, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer und der Verteidiger Dr. Bernhauser und Dr. Mayer jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (zu I) Karl H***** und Karin G***** des Vergehens des Quälens unmündiger Personen nach § 92 Abs. 1 StGB, weiters H***** (zu II) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und G***** (zu III) des Verbrechens der Aussetzung nach § 82 Abs. 2 und Abs. 3 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des auf dem Wahrspruch der Geschwornen gegründeten Schuldspruchs haben in Perchtoldsdorf

I. Karl H***** und Karin G***** in der Zeit von Oktober 1989 bis 18. Jänner 1990 in einverständlichem Zusammenwirken als Mittäter wiederholt den am 25.Mai 1985 geborenen außerehelichen Sohn der Karin G*****, David G*****, der ihrer Obhut unterstand, durch Schläge körperliche und seelische Qualen zugefügt;

II. Karl H***** am 18.Jänner 1990 durch wuchtige Schläge und Fußtritte David G***** sowie in der Zeit vom 18. bis 20. Jänner 1990 dadurch, daß er es unterließ, den im Koma befindlichen David G***** ärztlich versorgen zu lassen, getötet;

III. Karin G***** vom 18. bis 20.Jänner 1990 das Leben des David G*****, der unter ihrer Obhut stand, dadurch gefährdet, daß sie ihn in einer hilflosen Lage in Stich ließ, nämlich es unterließ, den im Koma befindlichen David G***** ärztlich versorgen zu lassen, wobei die Tat den Tod des Gefährdeten zur Folge hatte.

Die Geschwornen hatten die dem Schuldspruch des Angeklagten H***** zugrundeliegenden anklagekonformen Hauptfragen nach Quälen eines Unmündigen und nach Mord jeweils stimmeneinhellig bejaht und die ihnen zur Mordfrage vorgelegten Eventualfragen unter anderem nach dem Tatbestand des § 92 Abs. 1 und Abs. 3 zweiter Strafsatz StGB folgerichtig unbeantwortet gelassen.

Den Schuldspruch bekämpft nur der Erstangeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 10 a und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß zur Mordfrage keine weiteren durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens indizierten Eventualfragen sowohl in Richtung der §§ 83 Abs. 1, 86 StGB als auch der "§§ 83 Abs. 1, 87 StGB" gestellt worden seien.

Eine Idealkonkurrenz der vorsätzlichen Körperverletzung mit dem in der gestellten Eventualfrage umschriebenen Delikt des § 92 Abs. 1 und Abs. 3 StGB liegt nur dann vor, wenn die Strafbarkeit des Verletzungsdeliktes strenger ist, was bei der in der Beschwerde erwähnten Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB nicht der Fall ist (siehe Leukauf-Steininger StGB2 RN 14; Kienapfel BT3, Rz 36 jeweils zu § 92; JBl. 1987, 259).

Die vom Beschwerdeführer überdies geforderte Fragestellung in Richtung "§§ 83 Abs. 1, 87 StGB" war schon deshalb unzulässig, weil § 87 (im Gegensatz zu § 86) StGB keinen qualifizierten Fall der Körperverletzung nach § 83 StGB, sondern ein Tatbild sui generis normiert.

Für eine absichtlich schwere Körperverletzung nach § 87 StGB wiederum fehlt es an einem Tatsachenvorbringen (siehe insbesondere S 277 ff, 285 ff, 290 ff/II) und kann dazu auch die Beschwerde nichts anführen. Darüber hinaus wurde dem Zweitangeklagten (anklagekonform) die Begehung des Mordes nicht nur durch vorsätzliches Tun (wuchtige Schläge und Fußtritte) sondern auch durch vorsätzliches Unterlassen (der ärztlichen Versorgung) angelastet. Zur letztgenannten Fallgestaltung aber kann die Beschwerde überhaupt keine andere Geschehensvariante vorbringen. Wenn daher - folgend den Intentionen der Beschwerde - § 87 StGB nur die gegen das Opfer gerichteten Schläge und Fußtritte erfassen sollte, würde diese Straftat neben den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes (begangen durch Unterlassung) treten, was aber keinesfalls zum Vorteil des Angeklagten wäre.

Die nur gegen den Schuldspruch wegen des Mordes gerichtete Tatsachenrüge (Z 10 a) ist unbegründet, weil den Ausführungen hiezu die Eignung mangelt, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Tatsachen hervorzurufen. Die Argumentation des Beschwerdeführers, daß der von ihm gemeinsam von Karin G***** vorgenommene Transport des Kindes in das Spital eine fehlende Tötungsabsicht indiziere, übergeht den aktenkundigen Umstand, daß er bis dahin das von ihm Tage vorher durch brutale Mißhandlungen schwer verletzte, im Koma befindliche Kind, gezielt ärztlich unversorgt ließ.

Schließlich versagt auch die aus dem Grund der Z 12 des § 345 Abs. 1 StPO erhobene Rechtsrüge, in der der Beschwerdeführer die Unterstellung seines Tatverhaltens vom 18.Jänner 1990 sowohl unter den Tatbestand des § 75 StGB als auch unter den des § 92 Abs. 1 StGB behauptet.

Im Wahrspruch der Geschwornen zu den Hauptfragen 1 und 2, indem die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen festgestellt sind, wird unmißverständlich zwischen den vom Angeklagten in der Zeit von Oktober 1989 bis 18.Jänner 1990 begangenen Mißhandlungen des David G***** und den getrennt davon zum Tod des Kindes führenden Gewalttätigkeiten am 18.Jänner 1990 unterschieden. Ausgehend vom Inhalt dieses Verdiktes ist die rechtliche Beurteilung der dort festgestellten Tathandlungen im angefochtenen Urteil frei von Rechtsirrtum. Denn daß der im Wahrspruch der Geschwornen zur Hauptfrage 2 (Mord) als erwiesen angenommene Sachverhalt auch dem Tatbestand des § 92 Abs. 1 StGB unterstellt wurde, widerspricht der ausdrücklichen Trennung des Schuldspruchs (in I und II).

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl H***** war daher zu verwerfen.

Karl H***** wurde nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von siebzehn Jahren und Karin G***** nach § 82 Abs. 3 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht bei beiden Angeklagten als mildernd ihren bisher ordentlichen Wandel sowie das weitreichende Eingeständnis des objektiven Ereignisablaufes, wodurch sie wesentlich zur Klärung des Sachverhalts beigetragen haben; erschwerend fiel demgegenüber bei beiden Angeklagten ins Gewicht, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie das Quälen des Opfers über einen länger andauernden Zeitraum.

Die Angeklagten bekämpfen das gefundene Strafmaß mit Berufung und begehren jeweils eine Strafreduktion. Sie sind beide nicht im Recht.

Soweit der Erstangeklagte als mildernd neben dem ohnehin angenommenen ordentlichen Wandel noch zusätzlich den Umstand reklamiert, daß seine Tat im auffälligen Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten steht, übersieht er, daß nur beides zusammen den einzigen im § 34 Z 2 StGB genannten und vom Erstgericht auch gewerteten Milderungsgrund darstellt. Die heftige Gemütsbewegung wiederum, die ihn nach seinen Berufungsausführungen immer wieder gegen das Kind hätte tätlich werden lassen, ist schon deshalb nach § 34 Z 8 StGB nicht mildernd, weil sie keineswegs "allgemein begreiflich" war. Denn die angeblichen Trotzreaktionen des Kindes ihm gegenüber haben nicht in einem aggressiven, sondern - wenn überhaupt - nur in einem passiven Verhalten bestanden.

Die (späte) Verbringung des im Koma befindlichen Kindes in das Spital kann keineswegs als Selbststellung (§ 34 Z 16 StGB) gewertet werden. Hat doch der Angeklagte den Ärzten unwahre Angaben über die Ursache des Zustandes des Kindes gemacht.

Die Angeklagte G***** wiederum streicht in ihrer Berufung vor allem die Schuld des ohnehin weit schwerer bestraften Erstangeklagten heraus, ohne daß damit ein sie betreffender Milderungsgrund aufgezeigt wird. Die von ihr betonte Abhängigkeit von H***** kommt ihr zwar als weiterer Milderungsgrund zugute, fällt aber schon deshalb nicht besonders ins Gewicht, weil damit ihr eigenes - im Schuldspruch festgestelltes - Schlagen des Kindes nicht entschuldigt werden kann. Überdies hatte sie als Mutter gegenüber ihrem fünfjährigen Kind ganz besondere Obsorgepflichten, welche sie durch ihre Taten verletzt hat (§ 32 Abs. 3 StGB).

Es bestand daher kein Grund, die vom Geschwornengericht verhängten Strafen herabzusetzen.

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