Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 4.3.1950 geborene Klägerin hat die Volks- und Hauptschule besucht, die Pflichtschulausbildung aber wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten nicht gänzlich abgeschlossen. Sie trat schon früh als Arbeitskraft in das Hotel- und Beherberungsgewerbe ein und war die ersten 10 Jahre als Stubenmädchen tätig. Seit dem Jahr 1976 arbeitet sie als Beschließerin, Etagengouvernante und Hausdame. Die Wäschebeschließerin (auch Hotelbeschließerin) verwaltet den Wäschebestand eines Hotels (Bettwäsche, Sanitärwäsche, Tisch- und Dekorationswäsche der Gästezimmer). Sie muß sich mit allen Aufgaben befassen, die mit der Wäschemanipulation verbunden sind, sie ist die Vorgesetzte der Stubenmädchen, der Hausdiener, der Hausmädchen und eventuell der Wäscherinnen und Büglerinnen, teilt diese Personen ein und kontrolliert deren Arbeit und die Gästezimmer. Sie führt Übersichten und Inventare über die Wäsche, die Putz- und Reinigungsmittel und sorgt auch für die Beschaffung und das Funktionieren der Reinigungsgeräte und der maschinellen Vorrichtungen. Es handelt sich bei dieser Tätigkeit um eine Vertrauensposition, zumal große Werte verwaltet werden, die in Groß- bis Luxusbetrieben in Millionenhöhe liegen können. Für diese Tätigkeit gibt es keine geregelte Ausbildung in Form eines Lehrverhältnisses oder eines Schulbesuchs. Es handelt sich aber um eine qualifizierte Tätigkeit, für die die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch langjährige Ausübung des Berufes eines Stubenmädchens und durch entsprechende Anlernung erworben werden. Für diese Tätigkeit werden gerne Personen mit einer wenigstens einjährigen Haushaltungsschule eingestellt; Hotels ab 4 Sternen verlangen vielfach sogar eine höhere berufliche Ausbildung in Form einer Gastgewerbeschule oder einer Hotelfachschule. Vorgesetzter der Wäschebeschließerin ist in großen Häusern eine Gouvernante oder auch der Hoteldirektor. Für die Tätigkeit sind Verantwortungsbewußtsein, Ehrlichkeit, Umsicht und Sorgfalt sowie Selbständigkeit erforderlich. Die Stellung als Vorgesetzte verlangt auch die Eignung zur Menschenführung. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag war die Klägerin überwiegend in namhaften Hotels im Zimmerdienst beschäftigt, wobei die Tätigkeit einer Wäschebeschließerin zeitlich und inhaltlich das Schwergewicht bildete. Infolge gesundheitsbedingter Einschränkungen in ihrer Leistungsfähigkeit ist die Klägerin nur mehr in der Lage, leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen auszuüben, wobei ein häufiger Haltungswechsel zu fordern ist. Sie kann noch Lasten bis zu 5 kg heben oder tragen, fallweise bis 10 kg. Bückbelastungen sollten nur gelegentlich erfolgen. Mit der Tätigkeit einer Wäschebeschließerin ist aber das Heben und Tragen mittelschwerer Lasten bis etwa 15 kg und gelegentlich auch darüber verbunden. Die Klägerin wäre in der Lage, als Trafikverkäuferin, Buffetkassierin oder Parkgaragenkassierin tätig zu sein.
Mit Bescheid vom 25.7.1990 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Invaliditätspension ab.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die beklagte Partei zur Gewährung der Invaliditätspension ab 1.6.1990 zu verpflichten. Bei der von ihr in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend verrichteten Arbeit handle es sich um eine angelernte Facharbeitertätigkeit. Sie sei nicht mehr in der Lage, diese oder ähnliche Tätigkeiten zu verrichten.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Klägerin sei in den letzten 15 Jahren als Hilfsarbeiterin im Gastgewerbe tätig gewesen und sei im Rahmen des § 255 Abs.3 ASVG verweisbar.
Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin ab. Bei der von der Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübten Tätigkeit einer Wäschebeschließerin oder Hausdame handle es sich nicht um eine so qualifizierte Arbeit, die einer Facharbeitertätigkeit (angelernten Beruf) gleichgesetzt werden könne. die Invalidität der Klägerin sei daher nach § 255 Abs.3 ASVG zu prüfen. Da sie in diesem Rahmen verweisbar sei, bestehe das erhobene Begehren nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es stellte die von der Judikatur zur Frage der Qualifikation eines Berufes als Anlernberuf entwickelten Kriterien dar und kam zum Ergebnis, daß der Klägerin der von ihr behauptete Berufsschutz nicht zukomme. Die Klägerin habe selbst vorgebracht, keinen Beruf erlernt zu haben. Auch wenn höher qualifizierte Hotelbetriebe vielfach für den Beruf der Hotelbeschließerin (Gouvernante) eine höhere Ausbildung in Form einer Gastgewerbeschule oder Hotelfachschule verlangen, so seien dadurch noch keine vergleichbaren Lehrverhältnisse als fachliche Ausbildung für die Tätigkeit als Hotelbeschließerin gegeben. Die Ausbildung in einer Gastgewerbe- oder Hotelfachschule gehe nämlich weit über die Kenntnisse und Fähigkeiten einer Hotelbeschließerin hinaus. Für den Berufsschutz reiche es aber nicht aus, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten nur auf ein oder mehrere Teilgebiete eines Berufes beschränkten, der von ausgelernten Facharbeiterinnen (Absolventinnen einer Gastgewerbe- oder Hotelfachschule) allgemein in viel weiterem Umfang beherrscht würden. Auch wenn die Tätigkeit der Wäschebeschließerin in einem Beherbergungsbetrieb eine systematische Anlernung und längere Ausbildung erfordere, könnten die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht jenen vielfältigen praktischen und theoretischen Kenntnissen gleichgesetzt werden, wie sie in einem Lehrberuf vermittelt werden. Die Invalidität der Klägerin sei daher nicht nach § 255 Abs.1 und 2 ASVG zu beurteilen. Da sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, liege auch Invalidität nach § 255 Abs.3 ASVG nicht vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klagestattgebung abzuändern.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Ergebnis im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
Die Vorinstanzen haben festgestellt, daß die Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag in namhaften Hotels überwiegend im Zimmerdienst beschäftigt gewesen sei, wobei die Tätigkeit einer Wäschebeschließerin zeitlich und inhaltlich das Schwergewicht gebildet habe. Im weiteren wurde das Berufsbild einer Wäschebeschließerin abstrakt dargestellt. Es ergibt sich aus den Urteilsgrundlagen jedoch nicht, welche Tätigkeit die Klägerin während des entscheidungswesentlichen Zeitraumes tatsächlich ausübte. Allein aus der Feststellung, sie sei als Beschließerin tätig gewesen, kann noch nicht abgeleitet werden, daß sie alle Tätigkeiten verrichtete, die dem Berufsbild der Beschließerin entsprechen, zumal die Anforderungen zweifellos an verschiedenen Arbeitsstellen unterschiedlich sind und auch je nach Größe des Hauses das Schwergewicht auf der dispositiven Tätigkeit bzw der manuellen Mitarbeit im Zimmerdienst liegt. Es werden daher genaue Feststellungen über den Tätigkeitsbereich der Klägerin während des Beobachtungszeitraumes nachzutragen sein.
Sollte sie während dieser Zeit überwiegend die nach dem festgestellten Berufsbild in erster Linie dispositiven Tätigkeiten einer Beschließerin ausgeübt haben, hätte die Prüfung des erhobenen Anspruches unter Zugrundelegung des § 273 ASVG zu erfolgen. Als Angestelltentätigkeit gilt gemäß § 1 Abs.1 AngG unter anderem - die weiteren in dieser Bestimmung aufgezählten Fälle kommen hier nicht in Frage - die Tätigkeit von Personen, die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmannes vorwiegend zur Leistung höherer nicht kaufmännischer Dienste angestellt sind. Der Begriff der höheren nicht kaufmännischen Dienste wird im Gesetz nicht näher definiert. Von Lehre und Rechtsprechung werden hiefür im allgemeinen eine größere Selbständigkeit und Denkfähigkeit, höhere Intelligenz, Genauigkeit und Verläßlichkeit sowie die Fähigkeit der Beurteilung der Arbeiten anderer, Aufsichtsbefugnis sowie überwiegend nichtmanuelle Arbeiten und gewisse Einsicht in den Produktionsprozeß (Arbeitsablauf) gefordert, wobei betont wird, daß auch diese Kriterien Indizien sind und keineswegs zur Gänze im Einzelfall vorliegen müssen. Die moderne Rechtsprechung war bestrebt, eine möglichst präzise Umschreibung zu treffen. Danach kommt als höhere Dienstleistung jede Arbeit in Betracht, die - ohne daß gerade ein bestimmter Studiengang vorausgesetzt wird - doch in der Richtung der Betätigung entsprechende Vorkenntnisse und Schulung, Vertrautheit mit den Arbeitsaufgaben und eine gewisse fachliche Durchdringung derselben verlangt, also nicht rein mechanisch ausgeübt wird und nicht von einer zufälligen Ersatzkraft geleistet werden kann. Werden Tätigkeiten verrichtet, die sich sowohl als höhere Dienste als auch als nicht höhere Dienste beurteilen lassen, dann entscheidet im allgemeinen das zeitliche Überwiegen. Haben jedoch die höher qualifizierten Tätigkeiten für den Arbeitgeber die ausschlaggebende Bedeutung, dann kommt es nicht auf das zeitliche Überwiegen an (Martinek-Schwarz, AngG7, 74). Nach den Feststellungen kommt der Beschließerin eine mit Selbständigkeit verbundene Position zu, es sind ihr dispositive Aufgaben zugewiesen und im Rahmen der Beaufsichtigung des Zimmerpersonals und anderer Beschäftigter besteht auch eine weitgehende Leitungsfunktion. Die Beschließerin hat einen wesentlichen Teilbereich des Hotelbetriebes selbständig zu führen und zu überwachen. Damit sind aber die von ihr verrichteten Tätigkeiten als höhere kaufmännische Dienste und daher als Angestelltentätigkeit zu qualifizieren. Wohl hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom 7.6.1952, 4 Ob 164/52, SozM I A/E, 34 ausgesprochen, daß eine Wäscheverwalterin eines Hotels keine höheren kaufmännischen Dienste leiste, weil hiezu besondere Kenntnisse nicht erforderlich seien. Die Tätigkeit einer Beschließerin geht aber nach den vorliegenden Feststellungen weit über die bloße Wäscheverwaltung hinaus. Aus der Begründung der zitierten Entscheidung kann daher für den vorliegenden Fall nichts abgeleitet werden. Dem Umstand, daß nach der Lohn- und Gehaltsordnung der in den Betrieben der Gastronomie und des Hotel- und Beherberungsgewerbes Beschäftigten (vgl. Kollektivvertrag für das Bundesland Salzburg, gültig ab 1.5.1991) die Beschließerin nicht unter den in IV der Gehaltstabelle bezeichneten Angestellten genannt ist, sondern der Kollektivvertrag offenbar davon ausgeht, daß es sich um eine Arbeitertätigkeit handelt (II Z 13), kommt keine Bedeutung zu. Der kollektivvertraglichen Einstufung kann lediglich Indizwirkung für die Beurteilung einer Tätigkeit als Arbeiter- oder Angestelltentätigkeit zukommen. Eine kollektivvertragliche Bestimmung, wonach bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern als Arbeiter anzusehen sind, ist jedoch unwirksam, wenn die Leistungskriterien für ein Angestelltenverhältnis sprechen (Martinek-Schwarz aaO 73; SSV-NF 3/156 mwH, 4/101). Es entspricht der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes, daß der Anspruch eines Pensionswerbers, der trotz seiner Versicherung als Angestellter Arbeitertätigkeiten verrichtet hat, nach dem Invaliditätsbegriff des § 255 ASVG zu beurteilen ist und daß zwischen dem Versicherten und seinem Arbeitgeber darüber getroffene Vereinbarungen, welchem Versicherungszweig eine Tätigkeit zuzuordnen ist, ebensowenig bindend ist wie eine kollektivvertragliche Einstufung (SSV-NF 4/84 mwH). Dies hat in gleicher Weise zu gelten, wenn ein Versichterter ungeachtet seiner Tätigkeit als Angestellter nach dem Kollektivvertrag oder arbeitsvertraglich als Arbeiter eingestuft und dementsprechend bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter versichert war. Auch hier ist bei Prüfung des Pensionsanspruches wegen geminderter Arbeitsfähigkeit auf die tatsächliche Tätigkeit zurückzugreifen und der Anspruch auf Invaliditätspension unter Zugrundelegung des Berufsunfähigkeitsbegriffes des § 273 Abs.1 ASVG zu prüfen. Da die Klägerin in diesem Fall tatsächlich Angestelltentätigkeiten verrichtet hätte, wäre die Frage ihrer Invalidität nach § 273 Abs 1 ASVG zu beurteilen und es käme ihr auch der in dieser Bestimmung normierte Berufsschutz zu. Zur Entscheidung über den erhobenen Anspruch wären dann Feststellungen zur Frage erforderlich, welche Verweisungsberufe in dem durch die bisherige Tätigkeit der Klägerin begründeten Verweisungsfeld zur Verfügung stehen und ob und welche Berufe die Klägerin in der Lage ist auszuüben. Ob andernfalls die Voraussetzungen für den Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG vorlägen, kann erst nach Vorliegen von Feststellungen über die tatsächliche Tätigkeit in den einzelnen Betrieben und deren Dauer beurteilt werden. In diesen Punkten erweist sich das Verfahren ergänzungsbedürftig.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.
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