OGH 12Os161/91 (12Os162/91)

OGH12Os161/91 (12Os162/91)20.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Februar 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Friedrich, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Weixelbraun als Schriftführer in der Strafsache gegen Leonhard R***** und Bernhard W***** wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 2 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Leonhard R***** und Bernhard W***** sowie über dessen Beschwerde gemäß § 494 a StPO gegen das Urteil und den gemäß § 494 a Abs. 4 StPO damit gemeinsam verkündeten und ausgefertigten Beschluß des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 18. Oktober 1991, GZ 26 Vr 1030/91-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Presslauer, und der Verteidiger Dr. Ringelhann und Dr. Petrofsky, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Leonhard R***** und Bernhard W***** des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 2 und 15 StGB schuldig erkannt, weil sie in Linz

1. am 25.Mai 1991 und

2. bis zu diesem Datum seit Oktober 1990 "ein weiteres Mal" der Diözese L***** Bargeld in unbekannter Höhe, mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw. wegzunehmen versucht zu haben, wobei sie die Tat im Neuen Dom, somit in einem der Religionsausübung dienenden Raum, begingen.

Diesen Schuldspruch bekämpfen die beiden Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerden, wobei sich R***** auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 und W***** auf jene der Z 5, 9 lit. a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) des Erstangeklagten wendet sich gegen die Abweisung seines Beweisantrages auf zeugenschaftliche Einvernahme des Alfred L***** zum Beweis dafür, daß der Angeklagte eine Münzensammlung hat und ausländische Münzen sammelt, sowie daß er Pinzette und Klebebänder bei seinen künstlerischen Arbeiten benötigt, sowie des N. B***** zum Beweise dafür, daß er Geld tauscht (S 155). Diese Beweisanträge wurden vom Schöffensenat nach ablehnender Stellungnahme des öffentlichen Anklägers, wonach diese Beweisführung zur Entkräftung des Verdachtes ungeeignet sei, abgewiesen (S 156), welche Begründung in der Urteilsausfertigung noch vertieft wurde (S 172 f).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurden Verteidigungsrechte durch dieses Zwischenerkenntnis nicht in einer den behaupteten Nichtigkeitsgrund verwirklichenden Weise beeinträchtigt. Wie in der Urteilsbegründung zutreffend hervorgehoben, belastet den Angeklagten nicht der Besitz von Pinzette und Klebeband an sich, sondern das Mitführen dieser Gegenstände beim Besuch des Domes, wo er keine künstlerischen Tätigkeiten durchzuführen hatte. Auch hinsichtlich der ausländischen Münzen und Banknoten kam es nicht auf die Sammlertätigkeit des Angeklagten an, sondern darauf, daß dieses Geld in zahlreichen Taschen desselben, die Banknoten auf ein besonderes Kleinformat zusammengefaltet, vorgefunden wurde, woraus die Tatrichter die Herkunft dieses Geldes aus Opferstöcken ableiten konnten. Dazu kommt, daß das Erstgericht der Sache nach die unter Beweis gestellten Umstände keineswegs als an sich unrichtig angesehen, aber aus plausiblen Erwägungen für nicht zielführend erachtet hat.

Beide Beschwerdeführer bekämpfen, auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützt, die Urteilsfeststellung, sie hätten einmal in der Zeit zwischen Oktober 1990 bis 25.Mai 1991 in einen Opferstock geleuchtet. Sie zitieren aus dem Zusammenhang gerissene Teile der Aussage des Zeugen Josef T***** und wollen damit die Unrichtigkeit der gerichtlichen Feststellung dartun. Dies aber zu Unrecht. Der Zeuge T***** hatte schon vor dem Untersuchungsrichter deponiert (ON 14), er habe die Angeklagten beobachtet, wie einer von ihnen, der ein Licht in der Hand hatte, über den Opferstock gebeugt war. Diese Aussage wurde in der Hauptverhandlung verlesen (S 145 und 156) und vom Zeugen dahin ergänzt, daß er den Lichtschein am Boden bei dem Opferstock gesehen habe, daß aber jemand, der beim Opferstock mit einem Licht stehe, gewiß hineinleuchte und nicht auf den Boden daneben (S 146). Für die gerichtliche Beweiswürdigung entscheidend war demgemäß das Verhalten der Angeklagten, die mit einem Licht bei einem Opferstock hantierten (S 167). Diese Annahme ist durch die zitierte Zeugenaussage vollkommen gedeckt und wird durch eine (spekulativ ins Spiel gebrachte) Einstrahlung von Sonnenlicht an sich nicht tangiert. Ergänzend sei noch darauf verwiesen, daß in die gerichtliche Beweiswürdigung sichtlich auch der Umstand eingeflossen ist, daß beide Angeklagten, als der Mesner auf Grund seiner Beobachtung das Blitzlichtgerät seines Fotoapparats betätigte, den Neuen Dom fluchtartig verließen (S 163, 164).

Soweit beide Beschwerdeführer in ihren Rechtsrügen (Z 9 lit. a) das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite behaupten, sind sie nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sich aus Urteilsspruch und -gründen eindeutig ergibt, daß der Vorsatz der Angeklagten (insbesondere auch in der angestrebten unrechtmäßigen Bereicherung) auf die Verwirklichung des Diebstahls gerichtet war.

Beide Angeklagten - der Erstangeklagte ziffernmäßig gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10, sachlich jedoch gleichfalls aus der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO - vermeinen des weiteren, daß das Gericht in der Beurteilung der ihnen als versuchter Diebstahl angelasteten Tat (2) irrte, weil nicht festgestellt sei, daß das bloße Hineinleuchten in den Opferstock bereits zur wirklichen Ausführung der Tat gehörte oder dieser unmittelbar voranging, zumal das Gericht keine Feststellung darüber treffen konnte, ob die Angeklagten auch bei dieser Gelegenheit das erforderliche Werkzeug zur Entnahme von Noten und Münzen aus dem Opferstock mit sich führten.

Wie der Angeklagte W***** durchaus zutreffend ausführt, ist eine Tat versucht, sobald eine Handlung vorliegt, die in unmittelbarer sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht steht und diesem zeitlich nahe ist. Ob eine Handlung ausführungsnah ist, muß jeweils in concreto an Hand der dem betreffenden Delikt entsprechenden Ausführungshandlung geprüft werden. Eine allgemeine, für alle Delikte gleichermaßen geltende Regel läßt sich hiezu nicht aufstellen.

Die Tatrichter gingen davon aus, daß dem Hineinleuchten in den Opferstock die Verübung des Diebstahls unmittelbar folgen sollte, das Hineinleuchten daher den Zweck hatte, festzustellen, ob überhaupt Geld im Opferstock ist und wo dieses liegt, um solches im Anschluß daran sofort zielgerichtet entnehmen zu können. Daß eine ausdrückliche Feststellung der Ausrüstung der Angeklagten mit einem zusätzlichen Werkzeug nicht getroffen wurde, ändert nichts an der aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe unmißverständlich erkennbaren Annahme der Möglichkeit zur sofort folgenden Geldwegnahme. Damit erweist sich die rechtliche Richtigkeit der Beurteilung des Hineinleuchtens als ausführungsnahe Versuchshandlung und nicht als bloße Vorbereitungshandlung.

Der Beschwerdeführer W***** macht des weiteren auch aus (der Sache nach zunächst Z 10 und erst weitergreifend) Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO hinsichtlich der vollendeten Tat (1) geltend, daß die Voraussetzungen des § 141 StGB erfüllt seien, die Entwendung aber mangels einer Ermächtigung des Verletzten nicht strafbar sei.

Entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen des Zweitangeklagten ist aber im Urteil keineswegs festgestellt, daß dieser die Diebstähle aus Not begangen hat. Die Urteilspassage, daß W***** "offensichtlich mit seinem Verdienst als Gelegenheitsarbeiter nicht das Auslangen gefunden hat", unterstellt nicht, daß er ohne Begehung derselben sich in Not befunden hätte. Damit wird vielmehr nur die gewerbsmäßige Tatbegehung einleitend begründet. Neben diesem - von W***** nicht bekämpften, die Privilegierung ausschließenden - Umstand wird aber auch verlangt, daß durch das kriminelle Einkommen die Bagatellgrenze nicht überschritten wird. Die "eine Sache geringen Wertes" im Sinn des § 141 StGB reklamierende Beschwerde hätte auch dies ihren Ausführungen zugrundezulegen gehabt, nicht aber einen "unter der Bagatellgrenze" liegenden, im Urteil jedoch ausdrücklich nicht limitierten Sachwert der (versuchten und vollendeten) Diebstähle.

Unter § 281 Abs. 1 Z 10 StPO rügt der Angeklagte R***** den Schuldspruch wegen vollendeten Diebstahls (1) als nichtig, weil ein Gewahrsamsbruch noch nicht stattgefunden habe. Entgegen diesem Beschwerdevorbringen hatten die Täter durch die Wegnahme aber bereits die tatsächliche Herrschaft über das Bargeld erlangt, wurden die Angeklagten doch erst außerhalb des Doms von Polizeibeamten angehalten und in Besitz des gestohlenen Geldes gestellt. Beobachtet wurde die Tat auch nicht durch ein Organ des Eigentümers, sondern durch einen Unbekannten (S 164), sodaß die vom Beschwerdeführer offenbar angestrebte Parallele zur Judikatur bei Ladendiebstählen von vornherein versagt. Es war daher nicht einmal "mental" der Besitz der Eigentümer mehr aufrecht, die Münzen und Banknoten waren vielmehr bereits in den Besitz der Beschwerdeführer übergegangen, womit die Rüge auch in diesem Punkt versagt.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Nach § 128 Abs. 1 StGB wurden R***** zu einer achtmonatigen und W***** zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, außerdem wurde die dem Letztgenannten vom Bezirksgericht Wels zu AZ 15 U 380/90 am 24.September 1990 (Rechtskraft: 16.Jänner 1991) gewährte bedingte Nachsicht einer Freiheitsstrafe (von 14 Tagen) widerrufen.

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht bei beiden Angeklagten deren einschlägige Vorstrafen (bei R***** sieben, bei W***** drei, wobei dieser in offener Probezeit rückfällig wurde), als erschwerend und als mildernd, daß die Straftat teilweise beim Versuch blieb.

Beide Angeklagten begehren mit ihren Berufungen eine Strafreduktion, mit seiner Beschwerde bekämpft W***** den Widerrufsbeschluß.

Auch diesen Rechtsmitteln bleibt der Erfolg versagt.

Der Berufungseinwand des Angeklagten R*****, durch die verurteilte Tat sei kein Schaden entstanden, ist angesichts des (teilweise) vollendeten Diebstahls schuldspruchswidrig. Soweit aber W***** bloß einen unter der Bagatellgrenze liegenden Schaden annimmt, fehlt auch hiefür eine ausreichende urteilsmäßige Grundlage. Zu berücksichtigen ist vielmehr, daß die beiden Angeklagten Diebsgenossen waren und damit nicht nur ihren eigenen Anteil an der Diebsbeute, sondern auch jenen des Mittäters strafrechtlich zu verantworten haben.

Unter Berücksichtigung ihres kriminellen Vorlebens erscheinen daher die verhängten Freiheitsstrafen durchaus tat- und tätergerecht.

Der Beschwerde des Angeklagten W***** zufolge wäre in Anbetracht seiner neuerlichen Verurteilung vom Widerruf der vorangehenden bedingten Strafnachsicht abzusehen gewesen. Dies trifft jedoch in Übereinstimmung mit der Meinung des Schöffengerichts nicht zu, weil W***** schon kurz nach seiner vorangegangenen Aburteilung (wenngleich auch allenfalls teils noch vor dessen Rechtskraft) einschlägig rückfällig geworden ist (s. § 53 Abs. 1 StGB).

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