OGH 1Ob537/92

OGH1Ob537/9219.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache mj. Eva N*****, geboren am 7. Mai 1973, und mj. Eugen N*****, geboren am 22. November 1975, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Else N*****, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Oktober 1991, GZ 47 R 525/91-64, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Döbling vom 11. Juni 1991, GZ 2 P 28/87-59, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die von der Mutter zu Handen des Vaters zu leistenden Unterhaltsbeträge unter Aufrechterhaltung der Leistungsfristen

a) für die minderjährige Eva N***** im Zeitraum vom 19.5.1988 bis 31.12.1989 auf monatlich S 2.240 und ab 1.1.1990 bis auf weiteres auf monatlich S 2.660;

b) für den minderjährigen Eugen N***** im Zeitraum vom 19.5.1988 bis 31.12.1989 auf monatlich S 1.600 und ab 1.1.1990 bis auf weiteres auf monatlich S 1.900 erhöht werden.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 28.1.1987, 2 Sch 8/87-3, gemäß § 55 a EheG im Einvernehmen geschieden. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Vergleich vom selben Tag vereinbarten die Eltern, dass die Kinder in Obsorge des Vaters bleiben. Die Mutter verpflichtete sich, ab 1.2.1987 monatlich für die mj. Eva S 700 und für den mj. Eugen S 500 bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit an Unterhalt zu Handen des Vaters zu bezahlen.

Nunmehr beantragt der Vater, die von der Mutter zu erbringende monatliche Unterhaltsleistung für die mj. Eva auf S 8.300 und für den mj. Eugen auf S 8.000 zu erhöhen. Die Mutter sei seit April 1988 ganztägig berufstätig. Da sich die Umstände gegenüber dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses geändert haben, sei eine Neubemessung gerechtfertigt.

Die Mutter wendete ein, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liege nicht vor.

Im ersten Rechtsgang gab der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 16.1.1991, 1 Ob 509/91, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 18.10.1990, 47 R 620/90-48, mit dem sein Erhöhungsantrag zur Gänze abgewiesen wurde, Folge. Er hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Das Erstgericht erhöhte nunmehr, soweit dies für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung ist, die von der Mutter zu Handen des Vaters zu leistenden Unterhaltsbeträge für die mj. Eva im Zeitraum vom 19.5.1988 bis 31.12.1989 auf monatlich S 3.100 und ab 1.1.1990 auf monatlich S 3.600; für den mj. Eugen im Zeitraum vom 19.5.1988 bis 31.12.1989 auf monatlich S 2.700, für die Zeit vom 1.1. bis 21.11.1990 auf monatlich S 3.200 und ab 22.11.1990 auf monatlich S 3.600.

Es stellte fest, Unterhaltsbemessungsgrundlage sei unter Ausklammerung des sonstigen beträchtlichen Vermögens und der daraus erzielten Einkünfte der Mutter nur ihr damaliger Arbeitslosengeldbezug von monatlich S 5.361 gewesen. Der Vater sei in Kenntnis der Tatsache, dass seine Einkommensverhältnisse ungleich besser als jene der Mutter seien, damit einverstanden gewesen, dass die Mutter nur einen relativ geringen Beitrag zum Unterhalt der Kinder leiste. Die Mutter sei seit 19.5.1988 einer Beschäftigung mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen bis Ende 1989 von S 17.000 und in der Zeit vom 1.1.1990 bis 31.3.1991 von S 20.386 nachgegangen. Aufgrund einer Umstrukturierung des Außendienstes ihres Dienstgebers mit Oktober 1990, mit der sie sich nicht habe identifizieren können, sei ihr die Kündigung nahegelegt worden. Die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei mit 31.3.1991 erfolgt. Anstelle zum Teil verkaufter Vermögenswerte sei nunmehr Barvermögen getreten. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Kinder unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten der Mutter für den bereits volljährig gewordenen Sohn Edwin 16 % bzw 18 % des anrechenbaren mütterlichen Nettoeinkommens betrage. Diese Unterhaltsleistung sei der Mutter jedenfalls zumutbar. Dass sich die Mutter mit der Umstrukturierung des Außendienstes nicht habe identifizieren können und ihr Dienstverhältnis schließlich einvernehmlich aufgelöst worden sei, sei nicht geeignet, den Unterhaltsanspruch der Kinder zu schmälern. Es werde daher weiterhin von dem von der Mutter zuletzt bezogenen Einkommen ausgegangen, dieses werde der Unterhaltsausmessung bis auf weiteres zugrunde gelegt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter, soweit er sich auf die oben wiedergegebenen Zeiträume bezog, nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es nicht für zulässig. Das Erstgericht habe der Relation des Scheidungsvergleiches dadurch Rechnung getragen, dass es die der Mutter gehörigen Vermögenswerte bzw die daraus bezogenen Erträgnisse bei der Unterhaltsermittlung außer Betracht gelassen habe und nur von dem von der Mutter erzielten bzw ihr als erzielbar zumutbaren Arbeitseinkommen ausgegangen sei. Gerade im Bereich dieses Arbeitseinkommens der Mutter sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Da auch beim seinerzeitigen Vergleich die Vermögenswerte der Mutter nicht einbezogen worden seien, hätten sie auch bei der jetzigen Unterhaltsfestsetzung außer Betracht zu bleiben. Der Wegfall von Mieteinnahmen der Mutter könne nicht durch Einbeziehung ihres Aktiveinkommens in ihre Gesamteinkünfte ausgeglichen werden. Die Ausführungen der Mutter, wonach ihre Unterhaltsverpflichtung nun auf das gesetzliche Maß angehoben worden sei, seien unzutreffend, da im Falle einer Unterhaltsausmessung ausschließlich nach den Kriterien des § 140 ABGB und ohne Berücksichtigung des Vergleiches auch ihre Einkünfte aus Kapital und Vermögen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen wären. Der Anspannungsgrundsatz sei auf die Mutter anzuwenden. Es bestünden keine Bedenken, dass sie das ihr mögliche und zuletzt bezogene Einkommen auch weiterhin ins Verdienen bringen könne.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat in seinem Beschluss vom 16.1.1991, 1 Ob 509/91, auch für ihn bindend ausgesprochen, selbst wenn gegenüber dem Vergleichsabschluss geänderte Verhältnisse anzunehmen wären, wäre entgegen der Ansicht des Erstgerichtes der Unterhalt nicht losgelöst von den Relationen des seinerzeitigen Scheidungsvergleiches neu festzusetzen. Solche geänderte Verhältnisse führten nämlich nur zur Anpassung des Unterhaltsvergleiches. Die seinerzeit unabhängig von der Höhe eines den Kindern allenfalls zustehenden gesetzlichen Unterhaltsanspruches festgelegte Relation zwischen der Höhe des Einkommens der Mutter zur Höhe ihrer Unterhaltsleistung ist weiterhin beachtlich.

An diese bindende Rechtsansicht hielten sich die Vorinstanzen nicht. Das Erstgericht stellte ausdrücklich fest, dass bei Vergleichsabschluss Unterhaltsbemessungsgrundlage nur der Arbeitslosengeldbezug der Mutter in der Höhe von monatlich S 5.361 war und alle weiteren erheblichen Vermögenswerte (und damit auch die Einkünfte aus diesem Vermögen) für die Ausmittlung des den Kindern zustehenden Unterhaltes unberücksichtigt bleiben sollten. Diese Feststellungen wurden von der Mutter nicht bekämpft. Es war daher keineswegs aktenwidrig, wenn das Rekursgericht diesen Sachverhalt der rechtlichen Beurteilung zugrundelegte. Der Mutter ist es dann aber verwehrt, die Relationen zwischen dem seinerzeitigen und dem nunmehrigen Einkommen dadurch zu ihren Gunsten zu verändern, dass sie als Unterhaltsbemessungsgrundlage zusätzlich zum Arbeitslosengeld auch die vom Vater selbst stammenden Mieteinnahmen heranzieht. Geht man aber vom Verhältnis des zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bezogenen Arbeitslosengeldes zum Einkommen der Mutter im Beurteilungszeitraum aus, so ergibt sich eine rund 3,2- bzw 3,8-fache Steigerung der Bemessungsgrundlage und damit auch des von ihr zu leistenden Unterhaltes.

Entgegen dem Rekursvorbringen ist die Mutter gemäß § 140 ABGB gehalten, nach ihren Kräften (durch den Vergleich beschränkt auf das erzielbare Arbeitseinkommen) zum Unterhalt ihrer Kinder primär beizutragen. Schon der Bezug des Arbeitslosengeldes zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses legt nahe, dass beide Elternteile davon ausgingen, die Mutter sei arbeitsfähig und arbeitswillig. Es ist daher für die Beurteilung, ob sich die Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des Abschlusses des Unterhaltsvergleiches im hier maßgeblichen Bereich geändert haben, nicht vom tatsächlichen, sondern vom erzielbaren Arbeitseinkommen der Mutter auszugehen (RZ 1991/25 ua; Pichler in Rummel 2 Rz 6 zu § 140 ABGB). Dass die Rekurswerberin, selbst wenn sie nicht einvernehmlich das Dienstverhältnis aufgelöst hätte, nun nicht mehr in der Lage wäre, das zuletzt bezogene Gehalt ins Verdienen zu bringen, wurde von ihr nicht einmal behauptet.

Da der Vater ein Abgehen vom Vergleich nicht auf eine Erhöhung der Bedürfnisse der Kinder gestützt hatte, ist der von der Mutter zu leistende Unterhalt für die beiden Kinder nur auf das 3,2- bzw. 3,8-fache der verglichenen Unterhaltsbeträge zu erhöhen. In diesem Umfang ist dem Revisionsrekurs der Mutter Folge zu geben.

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