OGH 1Ob541/92

OGH1Ob541/9219.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans Werner K*****, vertreten durch Dr. Ernst Moser, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1) Elke K*****, 2) mj. Hans K*****,

3) mj. Dieter K*****, der Zweit- und Drittbeklagte vertreten durch die Mutter Brunhilde K*****, sämtliche vertreten durch Dr. Waltraute Steger, Rechtsanwältin in Linz, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8. Februar 1991, GZ 18 R 738/90-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 20. September 1990, GZ 8 C 1483/90k-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, die in Linz, H***** -Straße 30, im 1. Stock rechts vom Stiegenaufgang gelegene Wohnung im Ausmaß von etwa 76 m2, bestehend aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einem Kinderzimmer, einem Vorzimmer, einer Küche, einem Bad, einer Garderobe und einem Balkon und einem Kellerabteil von ihren Fahrnissen zu räumen und dem Kläger geräumt zu übergeben, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 7.232,30 (darin S 1.205,38 Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz, die mit S 3.279,87 (darin S 463,31 Umsatzsteuer und S 500 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.834,08 (darin S 555,68 Umsatzsteuer und S 1.500 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe des Klägers mit seiner Gattin - beide sind die ehelichen Eltern der Beklagten - wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 4. April 1987 aus dem Verschulden des Klägers rechtskräftig geschieden. Der Aufteilungsantrag der Frau nach §§ 81 ff EheG scheiterte an Verfristung (hg 7 Ob 545/90). Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 19. November 1984, GZ 3 P 247/83-24, wurde die Obsorge für die Beklagten ihrer Mutter übertragen und mit gerichtlichem Vergleich vom 2. Mai 1989, GZ 3 P 247/83-58, "die den Beklagten zustehenden Unterhaltsansprüche gegenüber dem Kläger geregelt". Der Kläger ist Alleineigentümer der im Spruch genannten, von den Beklagten - und zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung auch noch von ihrer Mutter - aber nicht vom Kläger bewohnten Eigentumswohnung.

Der Kläger begehrte von den Beklagten die Räumung seiner Wohnung infolge titelloser Benützung. Am 2. Mai 1989 sei zwischen den Streitteilen ein Unterhaltsvergleich geschlossen worden, der den Kläger zu monatlichen Unterhaltsleistungen verpflichtet habe; Naturalleistungen, insbesondere die Zurverfügungstellung der gegenständlichen Wohnung, seien nicht vereinbart worden, sodaß die Beklagten die Wohnung auch nicht aus dem Titel des Unterhaltes benützten.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, der Kläger habe im Räumungsprozeß gegen ihre Mutter in der Verhandlungstagsatzung vom 11. Jänner 1990 ausdrücklich erklärt, daß sie in der Wohnung verbleiben könnten. Dieses Anbot hätten sie angenommen. Durch die Rechtsverfolgung des Klägers gegen ihre Mutter seien sie gezwungen, "zu ihrer eigenen Sicherheit die Obsorge ihrer Mutter sicherzustellen". Diese Obsorge könne naturgemäß nur in der von ihnen mit ausdrücklicher Zustimmung des Klägers benutzten Wohnung erfolgen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Wohl hätten die Beklagten gegenüber dem Kläger Anspruch auf Unterhalt, welcher aber vom nicht obsorgeberechtigten Kläger in Form von Geld zu entrichten sei. Der Unterhaltsanspruch bilde somit keine rechtliche Grundlage für einen Weiterverbleib der Beklagten in der Wohnung. Das Anbot des Klägers sei unter dem ausdrücklichen und jeden Zweifel ausschließenden Vorbehalt der Räumung der Wohnung durch die Mutter der Beklagten erfolgt. Zu einer Willensübereinstimmung sei es nicht gekommen, weil die Mutter der Beklagten nach wie vor in der Wohnung verbleiben wolle. Schon inhaltlich sei dem Vorschlag des Klägers nicht Rechnung getragen worden; im übrigen lägen auch die Voraussetzungen des § 862 ABGB nicht vor, sodaß die Beklagten die Wohnung des Klägers titellos benützten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im wesentlichen aus dessen Gründen. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und gerechtfertigt.

Darauf, daß eine wirksame Vereinbarung der Streitteile über die Weiterbenützung der Wohnung des Klägers durch die Beklagten zustande gekommen wäre, kommt die außerordentliche Revision nicht mehr zurück.

Zu prüfen bleibt, ob die Beklagten als Kinder des Klägers aufgrund der Unterhaltsverpflichtung des Klägers einen Rechtstitel zur Benützung der Wohnung des Klägers haben. Bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltspflichtigem richtet sich der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Naturalunterhalt - etwa durch Beistellung einer Wohnung (1 Ob 551/91; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, Rz 67 zu § 140 ABGB) - vom Verpflichteten getrennter Haushalt des Kindes oder eine Verletzung der Unterhaltspflicht lassen aber eine Geldforderung auf den ganzen Unterhalt entstehen (EFSlg. 55.966, 28.669 ua; Pichler in Rummel2, Rz 13 zu § 140 ABGB; Schlemmer/Schwimann aaO, Rz 66). Getrennte Haushaltsführung liegt vor, wenn sich das Kind im Haushalt des obsorgeberechtigten Elternteils befindet und der andere Elternteil, dessen Unterhaltspflicht in Frage steht, diesem Haushalt nicht angehört. Nachdem im vorliegenden Fall der Kläger die ihm gehörige, vormalige Ehewohnung verlassen hatte, wurde sie weiterhin von seiner Gattin und seinen Kindern, den Beklagten, benützt. Aufgrund dieser Sachlage verpflichtete sich der Kläger mit Vergleich vom 2. Mai 1989 zur Zahlung von Geldunterhalt an die Beklagten. Daß mit den im Vergleich festgelegten Unterhaltszahlungen auch der Anspruch der Kinder auf Wohnversorgung abgedeckt sein sollte und war, hat der Kläger im Verfahren erster Instanz ebensowenig vorgetragen wie die Behauptung, die Beklagten seien bereits selbsterhaltungsfähig.

Leistungen eines Ehegatten für die Ehewohnung betreffen nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates (RZ 1991/88; EFSlg. 53.126, 40.182; 1 Ob 551/91, 1 Ob 629/90 ua, die von Schlemmer/Schwimann aaO Rz 73 geteilt wird) ausschließlich das familienrechtliche Verhältnis der Ehegatten und stellen keinen, für den Unterhaltspflichtigen abzugsfähigen Naturalunterhalt für die auch in der Wohnung wohnenden Kinder dar. Die Weiterbenützung der (vormaligen) Ehewohnung des Klägers durch seine Gattin und seine Kinder nach seinem Auszug aus der Wohnung war die Erfüllung einer ihm aus § 97 ABGB abgeleiteten Verpflichtung gegenüber

seiner Gattin (JBl. 1987, 518 = MietSlg. 39.004; MietSlg. 38/42;

SZ 52/190 = MietSlg. 31.005; SZ 50/105 = MietSlg. 29/22; Pichler

aaO, Rz 2 zu § 97 ABGB), von der die Beklagten ihre Berechtigung im Rahmen eines Mitbenützungsrechtes ableiteten, und nicht die Erfüllung einer Naturalunterhaltsverpflichtung gegenüber den Beklagten. Dieser aus § 97 ABGB gewährte Anspruch ist auf die Dauer der Ehe beschränkt und erlischt u.a. mit Auflösung der Ehe (SZ 58/126; MietSlg. 38/42; Schwimann in Schwimann, Rz 15 zu § 97 ABGB). Die Mutter der Beklagten, von der sie ihr Mitbenützungsrecht an der Wohnung ableiteten, verlor nach Auflösung der Ehe mit dem Kläger und Erlöschen ihres Aufteilungsanspruches gemäß §§ 81 ff EheG infolge Verfristung den Rechtstitel zur Benützung der vormaligen Ehewohnung; damit verloren auch die Beklagten ihren von ihrer Mutter abgeleiteten (Mit)Benützungs-Rechtstitel in Ansehung der Wohnung.

Nach Auffassung des erkennenden Senates wandelt sich der Anspruch des unterhaltspflichtigen Kindes auf Naturalunterhalt durch Wohnversorgung nicht schon dadurch in einen solchen auf Geldunterhalt, daß der Unterhaltspflichtige aus der Wohnung auszieht. In einem solchen Fall hat das Kind das Recht, die Wohnung weiterzubenützen und dennoch darüber hinaus zur Befriedigung seiner übrigen Bedürfnisse Geldunterhalt zu verlangen. Die Auffassung, gemischter Unterhalt (bestehend aus Natural- und Geldleistung) sei grundsätzlich unzulässig (Schlemmer/Schwimann aaO Rz 72 mwN aus rekursgerichtlichr Rechtsprechung) wird damit begründet, daß der Naturalunterhalt im Exekutionsverfahren nicht bzw. nicht effizient durchgesetzt werden kann und kommt nach höchstgerichtlicher (EFSlg. 28.678) und rekursgerichtlicher Auffassung (EFSlg. 47.546, 32.925) auch dann nicht zum Tragen, wenn durch die Naturalleistungen die Unterhaltsbedürfnisse in einem Maß und in einer Art gedeckt werden, daß der Unterhaltsberechtigte zur Bestreitung seines vollständigen Unterhaltes nur mehr eines geringeren als des festgesetzten Geldbetrages bedürfte. Bei der Leistung von Naturalunterhalt durch Zurverfügungstellung einer Wohnung besteht das Hindernis einer effizienten Durchsetzung im Exekutionsverfahren für den Unterhaltsberechtigten erkennbar nicht. Auch kann diese Art der (Natural)Unterhaltsgewährung bei Bemessung des Geldunterhaltes für die übrigen Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten berücksichtigt werden. Das Kind in einem solchen Fall nur auf einen Antrag auf Erhöhung des ihm gewährten Geldunterhaltes wegen geänderter Verhältnisse (Verlust seiner Wohnversorgung) zu verweisen, falls die nun fehlende Wohnversorgung bei Abschluß des Unterhaltsvergleiches nicht bereits berücksichtigt war, ist nicht sachgerecht. Die Beklagten haben demnach einen im Familienrechtsverhältnis wurzelnden Rechtstitel für die Benützung der Wohnung, weshalb das Räumungsbegehren des Klägers scheitern muß.

Der außerordentlichen Revision ist demnach Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.

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