OGH 5Ob136/91

OGH5Ob136/9118.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Gemeinnützige M***** -AG, ***** K*****, ***** H***** -Straße 39, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die Antragsgegner

  1. 1. Walter S*****, 2.) Johann F*****, 3. Alois L*****,
  2. 4. Hannelore L*****, 5. Ernst M*****, 6. Franz A*****, alle wohnhaft in ***** K*****, G*****straße 7, der Erstantragsgegner sowie die Viertantragsgegnerin vertreten durch Mag. Max Klöckl, Dr. Inge Stadlbauer und Dr. Pölzl, Sekretäre der Mietervereinigung Österreichs, Lokalorganisation Graz, wegen § 14 WGG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 29. August 1991, GZ R 492/91-16, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 4. März 1991, GZ Msch 76/90-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen, die im übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden aufgehoben, soweit sie sich auf die Abweisung des Begehrens auf Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung um weitere S 0,85 pro m2 Wohnnutzfläche beziehen.

Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Das Begehren der Antragtellerin auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekurses wird abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG S***** mit dem Haus G*****gasse 7, in dem sich die Bestandobjekte der Antragsgegner befinden. Die Bestandverhältnisse unterliegen dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG).

Die Antragstellerin begehrt, die im Mietzins enthaltene Bauerneuerungsrückstellung von S 2,08 pro m2 Wohnnutzfläche wegen der bereits im Jahr 1987 durchgeführten Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten um S 15,87 (also auf S 17,95) pro m2 monatlich zu erhöhen. In der Berechnung des Gesamterfordernisses (insgesamt S 730.856,37 bei einer Mietzinsreserve von S 99.819,63) machte sie 5 % Bauverwaltungskosten (einschließlich Kosten der Bauaufsicht) von S 37.612,12, Finanzierungskosten in der Höhe von S 7.753,40 und an Kosten für Planung und Büroleistungen gemäß der GOA S 36.859,88 geltend. Es geht dabei im wesentlichen um Planungsleistungen, die vom technischen Büro der Antragstellerin erbracht wurden.

Zwei der Antragsgegner (Walter S***** und Hannelore L*****) bestritten die Zulässigkeit der Überwälzung von Bauverwaltungs- und Bürokosten auf die Mieter, weil die Antragstellerin über eine eigene Abteilung verfüge, deren Hauptaufgabe darin bestehe, Sanierungsarbeiten zu planen, zu beaufsichtigen und durchzuführen. Diese Tätigkeit gehe nicht über die ordentliche Verwaltung der Wohnanlage hinaus.

Das Erstgericht gab dem Begehren der Antragstellerin mit Ausnahme des für Planungs- und Büroleistungen nach den Tarifen der GOA begehrten Betrages statt, wies also das darauf gestützte Mehrbegehren (Erhöhung um weitere S 0,85 pro m2 Wohnnutzfläche) ab. Die Antragstellerin besitze zwar innerbetrieblich eine eigene Abteilung, die sich mit der Planung, Beaufsichtigung und Verwaltung von Bauvorhaben bzw. Renovierungsarbeiten befasse; die innerbetrieblichen Kosten dieser Abteilung würden aber bereits durch die Einhebung eines angemessenen Entgelts im Sinne des § 13 Abs 1 WGG berücksichtigt und gedeckt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Sachbeschlusses nicht Folge, sprach jedoch die Zulässigkeit des Revisionsrekurses aus.

Das Rekursgericht hielt an seiner schon in anderen Verfahren mit der Antragstellerin vertretenen Rechtsansicht fest, daß die Einbeziehung von Planungs- und Büroleistungen in das Gesamterfordernis zur Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten nicht möglich sei. Auszugehen sei davon, daß der Gesetzgeber zur Vermeidung von Mißbräuchen um eine möglichst detaillierte Regelung der Entgeltvorschriften bemüht war. Da eine gemeinnützige Bauvereinigung Einfluß auf das Ausmaß und die Häufigkeit anfallender "Generalsanierungen" nehmen könne, andererseits aber zu ihren Aufgaben ständige kleinere Instandhaltungsarbeiten gehören, müsse verhindert werden, daß durch die vermehrte Inanspruchnahme bzw. Verrechnung von "Büroleistungen" (dazu seien unter anderem die notwendigen Entwürfe, die Einreichung, die Kostenberechnung und das Erstellen von Ausführungszeichnungen sowie die technische und geschäftliche Oberleitung zu zählen) eine finanzielle Besserstellung der gemeinnützigen Bauvereinigung bei größeren Sanierungsarbeiten erfolge. Bei den erwähnten Büroleistungen handle es sich um einen durchaus geläufigen, allseits bekannten und auch in der GOA geregelten Kostenfaktor. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß auch die "normale" Verwaltung sehr wohl Planungen, Einreichungen, Berechnungen, Kontrollen und ähnliche Leistungen im Zusammenhang mit laufenden Instandhaltungsarbeiten umfasse. Folgerichtig könne aus dem Stillschweigen des Gesetz- und Verordnungsgebers zu den Büroleistungen nur der Schluß gezogen werden, daß er eine zusätzliche bzw. gesonderte Überwälzung auf die Mieter im Zuge eines Verfahrens nach § 14 Abs 2 WGG nicht gewollt hat. Ein Verstoß gegen das "Kostendeckungsprinzip", auf das sich die Antragstellerin auch im konkreten Fall berufe, könne unter diesen Umständen verneint werden; dies vor allem dann, wenn man die betreffenden Leistungen der "normalen" Verwaltungstätigkeit zuordne, für die ohnehin ein Entgelt entrichtet wird. Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 14 WGG oder gegen die Gesetzmäßigkeit der Entgeltrichtlinienverordnung bestünden auch bei dieser Auslegung nicht.

Die Zulassung des Revisionsrekurses wurde damit begründet, daß zur behandelten Rechtsfrage eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Begehren, die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß auch ihrem Mehrbegehren Folge gegeben werde; in eventu möge die Entscheidung des Rekursgerichtes, allenfalls auch die des Erstgerichtes aufgehoben und der ersten oder zweiten Instanz die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden. Schließlich hat die Antragstellerin noch den Zuspruch der Kosten ihres Revisionsrekurses begehrt.

Der Erstantragsgegner sowie die Viertantragsgegnerin haben dazu eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der Antragstellerin keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist im Sinne seines Aufhebungsbegehrens berechtigt.

Bei der sachlichen Erledigung des Erhöhungsbegehrens ist von folgenden Grundsätzen auszugehen (vgl. 5 Ob 92/91 u.a.):

Die Entscheidung über ein Erhöhungsbegehren nach § 22 Abs 1 Z 8 WGG ist rechtsgestaltender Natur. Die Pflicht der Mieter zur Zahlung des erhöhten Entgelts wird erst durch die Rechtskraft dieser Entscheidung konstitutiv bewirkt. Dies hat zur Folge, daß das Gericht bei der Entscheidung über das Erhöhungsbegehren von dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Normenbestand auszugehen hat, im konkreten Fall daher auch von der Entgeltrichtlinienverordnung 1986 in der Fassung BGBl. 1991/292, deren § 8 a und neu formulierter § 9 Abs 4 gemäß § 16 Abs 8 der genannten Verordnung am 1. Juli 1991 in Kraft traten.

Gemäß § 8a EntgRV gehören zu den Kosten von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten unter anderem auch die Kosten der Planung und örtlichen Bauaufsicht sowie die Bauverwaltungskosten gemäß § 9 Abs 4 EntgRV.

Gemäß § 9 Abs. 4 EntgRV darf nur bei umfangreichen Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten ein angemessener Betrag für die Bauverwaltung und Bauüberwachung angerechnet werden, wenn diese Tätigkeit über die im Rahmen der ordentlichen Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen, so zB wenn die Durchführung der Arbeiten eine schwierige technische Vorbereitung oder die Koordinierung mehrerer Auftragnehmer erfordert. Für die Bauverwaltung und Bauüberwachung dürfen zusammen höchstens 5 vH der Baukosten angerechnet werden. Dieser Höchstsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der Kosten der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Die Abgrenzung dieser Kostenbereiche sowohl zueinander als auch von den Büroleistungen im Sinne der GOA, die von der Antragstellerin im Rahmen des Gesamterfordernisses geltend gemacht werden, ist - unter Berücksichtigung der in der Gebarungsrichtlinienverordnung 1979, BGBl. 1979/523, insbesondere in deren Anhang A (für die Buchführung vorgeschriebener Kontenrahmen) und Anhang B (Gestaltung des Betriebsabrechnungsbogens zur Zuordnung der aufgelaufenen Kosten zu den einzelnen Kostenstellen) verwendeten, von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geprägten Terminologie (siehe dazu Korinek-Funk-Scherz-Weinberger-Wieser, WGG, Handbuch und Kommentar, Anm. 11 und 12 zu § 5 GRV) - wie folgt vorzunehmen:

Unter Bauverwaltung sind alle nicht technischen, also die organisatorischen, administrativen und kommerziellen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Arbeiten, unter Bauüberwachung die technischen Tätigkeiten in diesem Zusammenhang zu verstehen (MietSlg. 37.691/40). Diese technischen Leistungen können örtliche Bauaufsicht oder Büroleistungen sein.

Zur örtlichen Bauaufsicht gehört die Überwachung der Herstellung des Werkes auf Übereinstimmung mit den Plänen, auf Einhaltung der technischen Regeln, der behördlichen Vorschriften und des Zeitplanes, die Abnahme von Teilleistungen und die Kontrolle der für die Abrechnung erforderlichen Abmessungen, die Führung des Baubuches etc. (vgl. Korinek-Funk u.a., aaO, Anm 11), also alle jene Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können. Alle anderen zur Bauüberwachung gehörenden Tätigkeiten sind nicht örtliche Bauaufsicht.

Büroleistungen im Sinne der GOA sind a) der Vorentwurf, b) der Entwurf, c) die Einreichung, d) die Kostenberechnung, e) die Ausführungszeichnungen, f) die Teilzeichnungen, g) die künstlerische Oberleitung und h) die technische und geschäftliche Oberleitung (§ 34 GOA). Die unter a) bis f) genannten Tätigkeiten können dem Begriff "Planung" im Sinne des § 8 a EntgRV unterstellt werden, während die künstlerische und technische Oberleitung zur Bauüberwachung, die geschäftliche Oberleitung zur Bauverwaltung gehört.

Ausgehend von dem in § 13 Abs 1 WGG normierten Kostendeckungsprinzip dürfen den Mietern bzw. Nutzungsberechtigten unter den genannten Titeln (Planung, örtliche Bauaufsicht, Bauverwaltung, Bauüberwachung) keine höheren als die den tatsächlichen Kosten entsprechenden angerechnet werden. Insbesondere darf eine bestimmte Leistung nur einmal, nicht aber mehrmals, zB einmal als Bestandteil eines Pauschalbetrages (Bauverwaltung und Bauüberwachung), das andere Mal unter dem Titel örtliche Bauaufsicht oder Planung verrechnet werden.

Die notwendigen Kosten für die durch eigene Leute der Antragstellerin durchgeführte Planung und örtliche Bauaufsicht dürfen nach § 8 a EntgRV ohne sonstige Beschränkung im Gesamterfordernis berücksichtigt werden. Ihre Höhe richtet sich - wie bei Fremdleistung - nach der GOA.

Die Kosten für Bauverwaltung und Bauüberwachung können im Gesamterfordernis bei Vorliegen der in § 9 Abs 4 EntgRV hiefür normierten Voraussetzungen (Vorliegen von Tätigkeiten, die über die im Rahmen ordentlicher Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen) mit ihrem tatsächlichen Ausmaß (MietSlg. 37.691/40), höchstens aber mit 5 vH der Baukosten berücksichtigt werden. Dieser Prozentsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Eine gesetzesgemäße Entscheidung erfordert daher die konkrete Feststellung der von der Antragstellerin zu erbringenden Leistungen und der damit verbundenen Kosten, deren Zuordnung zu einer der oben genannten Kostengruppen und die Berücksichtigung jeder dieser Kostengruppen mit dem hiefür zulässigen Ausmaß im Gesamterfordernis. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten im tatsächlichen Bereich wird gegebenenfalls das Gutachten eines geeigneten Sachverständigen einzuholen sein. Erst dann wird beurteilt werden können, ob zusätzliche, zu der bereits rechtskräftig bewilligten Erhöhung (um S 15,11 pro m2 Wohnnutzfläche) noch eine weitere Erhöhung der Bauerneuerungsrückstellung gerechtfertigt ist.

Dies alles erfordert eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz und demgemäß die Aufhebung der Sachbeschlüsse des Erstgerichtes und des Rekursgerichtes im Umfang der Anfechtung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Es steht schon jetzt fest, daß die Voraussetzungen für den Zuspruch von - allein - verzeichneten Anwaltskosten nicht gegeben sind, sodaß ein Kostenvorbehalt bezüglich der Kosten des Revisionsrekursverfahrens nicht auszusprechen war.

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