OGH 2Ob590/91

OGH2Ob590/915.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1.) Mario E*****, und 2.) Christian R*****, beide vertreten durch Dr. Walter Brandl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Mag. Arch. Erwin S*****, vertreten durch Dr. Herbert Troyer, Rechtsanwalt in Salzburg, und 2.) Firma S***** & Co, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Zukriegel, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 30.000), infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 9. Jänner 1991, GZ 21 R 425/90-19, womit infolge Berufung der erstbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12. September 1990, GZ 13 C 2399/89-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Erstbeklagte ist schuldig, den Klägern je zur Hälfte die mit S 3.985,34 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 664,22 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger war auf Grund des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages vom 10. September 1985 grundbücherlicher Wohnungseigentümer der Wohnung Nummer 15, der Zweitkläger grundbücherlicher Eigentümer der Wohnung Nummer 16 im Hause L*****gasse *****. Der Erstkläger verkaufte seine Wohnung mit Kaufvertrag vom 10. August 1989 an Eva ***** G*****. Der Kaufvertrag wurde bereits grundbücherlich durchgeführt. Er wohnt nicht mehr in dieser Wohnung. Im Kaufvertrag leistete der Erstkläger der Käuferin ausdrücklich Gewähr für eine der Baubewilligung und den Bauvorschriften entsprechende Ausführung der Fußbodenkonstruktion sowie für allfällige anläßlich der Kollaudierung durch die Baubehörde festzustellende Baumängel. Der Erstkläger erklärte, die Käuferin diesbezüglich vollkommen schad- und klaglos zu halten, und zwar auch hinsichtlich allfälliger Folgeschäden, wie den Aufwand für eine Ersatzwohnung und Prozeßkosten und behielt sich sämtliche

Gewährleistungs- sowie Rückgriffsansprüche gegenüber dem Architekten und den bauausführenden Firmen ausdrücklich vor.

Die Kläger hatten den unausgebauten Dachboden des Hauses L*****gasse ***** gekauft und den Erstbeklagten als Architekten mit der Planung, baubehördlichen Einreichung und Abwicklung, Oberleitung der Bauausführung und örtlichen Bauaufsicht zur Errichtung der beiden Dachgeschoßwohnungen Nr. 15 und 16 beauftragt.

Die zweitbeklagte Partei wurde vom Erstbeklagten im Auftrag der Kläger mit der Verlegung eines Schiffholzbodens in beiden Wohneinheiten beauftragt.

Im Baubewilligungsbescheid des Magistrates ***** vom 2. Mai 1985 wurde die Auflage erteilt, daß der Schallschutz den Bestimmungen der ÖNorm B 8115 als Mindesterfordernis entsprechen müsse. Der Erstbeklagte hatte daher für die Bodenausführung eine sogenannte "schwimmende Konstruktion" vorgesehen, die von der zweitbeklagten Partei zu verlegen war. Infolge mehrfacher Beschwerden des Eigentümers der unter dem Dachgeschoß liegenden Wohnung wurde festgestellt, daß der Schallschutz in den Wohnungen der beiden Kläger bei weitem nicht der im Baubewilligungsbescheid zitierten ÖNorm B 8115 entspricht. Der Nachbar forderte den Zweitkläger auf, geeignete Maßnahmen zur Erreichung des normierten Schallschutzwertes zu ergreifen, widrigens er rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen werde. Weiters kündigte er an, sich wegen des mangelnden Schallschutzes gegen eine Kollaudierung im Bauverfahren auszusprechen.

Die beklagten Parteien versuchten bisher vergeblich, die Ursache für den Mangel festzustellen. Die Kläger konnten noch keinen konkreten Schaden geltend machen und auch keine bestimmten Mängel beheben lassen, weil bis zu Beginn des Prozesses nicht klärbar war, welche Ursachen für den Mangel ausschlaggebend waren.

Der Erstbeklagte führte die ganze Planung und baubehördliche Abwicklung durch. Er vertrat auch bei der Bauverhandlung beide Kläger.

Der Boden beginnt mit der tragenden Konstruktion, die aus Holztramdecken und Dübeltramdecken besteht. Darauf wurde eine Baufolie und auf diese eine Kiesbeschüttung in der Stärke von 10 bis 15 cm gelegt. Daran schlossen Korkplatten in der von dem Heizungsunternehmen geforderten Stärke von 3 oder 2,5 cm an. Auf diese horizontale Fläche brachte anschließend die Fußbodenfirma die Polsterhölzer auf. Zwischen den Polsterhölzern wurden die Heizungsrohre mit Lamellen verlegt und unmittelbar darauf der Schiffboden aufgelegt.

In den Wohnungen der Kläger hört man jedes normale Gehen zu den Nachbarwohnungen herunter. Man kann verfolgen, wohin jemand geht und woher jemand kommt. Durch Einziehen einer Stahlbetonplatte wäre es bautechnisch möglich gewesen, den Schallschutz wesentlich zu verbessern. Nach dem Altstadtschutzgesetz war dies verboten, weil die Bausubstanz erhalten werden sollte. Bei der Bauverhandlung wies der Erstbeklagte jedoch nicht darauf hin, daß bei Beibehaltung alter Bausubstanzen die ÖNormen der Schalldämpfung nicht erfüllt werden können. Gegenüber dem geforderten Trittschallschutzmaß von 15 dB fehlen 6 dB, beim Luftschall 2 dB. Beim Trittschall sind fehlende 6 dB Schutzmaß in Neubauten nicht vertretbar, wohl aber noch fehlende 2 dB Luftschallschutz. Durch Auflegen von Teppichen könnte das Trittschallschutzmaß um wenige dB verbessert werden. Eine konkrete Verbesserung könnte auch durch Einfügung elastischer Streifen, wie zum Beispiel einer 5 mm elastischen Universaltrittschallmatte erfolgen. Bei sichtbaren Berührungspunkten vom Boden zu anderen Bauteilen ist es sinnvoll, Holz herauszunehmen und den sichtbaren Spalt mit elastischem Material auszufüllen. Die vorgeschlagenen Sanierungen würden aber meßtechnisch nicht nachgewiesen werden können und fielen nur geringfügig ins Gewicht. Veränderungen an der Gesamtdecke liefen anderen bindenden Ausführungsvorschriften zuwider.

Die Kläger beantragten die Feststellung der Haftung beider beklagten Parteien für alle Mängelfolgeschäden sowie sonstige zukünftige Schäden im Zusammenhang mit nicht norm- und fachgerechter Schallisolierung des beschriebenen Bauvorhabens.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Schallisolierung dem Baubewilligungsbescheid und der ÖNorm entspreche. Der Erstkläger sei wegen des Verkaufes der Wohnung nicht aktiv legitimiert.

Das Erstgericht gab auf Grund des oben zusammengefaßt dargestellten Sachverhaltes dem Klagebegehren gegen den Erstbeklagten statt und wies es gegenüber der Zweitbeklagten rechtskräftig ab. Der Erstbeklagte hafte den Klägern auf Grund des abgeschlossenen Werkvertrages. Diese hätten darauf vertrauen dürfen, daß der Ausbau unter Einhaltung der maßgeblichen Rechtsvorschriften vonstatten gehen werde. Da die Einhaltung der ÖNorm unmöglich sei, werde eine Kollaudierung der beiden Wohnungen am Einspruch der Nachbarn scheitern. Dies habe zur Folge, daß die Wohnungen niemals bewohnt werden könnten. Für den Fall, daß der Erstbeklagte bei der Bauverhandlung auf die Unmöglichkeit der Einhaltung der ÖNorm hingewiesen hätte, wäre sicherlich die Baubewilligung verweigert worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstbeklagten nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes beiden Klägern gegenüber S 50.000,-- übersteige und ließ die ordentliche Revision zu. Es verwies darauf, daß der Erstbeklagte sowohl im Rahmen eines Werkvertrages mit der Herstellung des Fußbodens als auch im Rahmen eines Bevollmächtigungsvertrages mit der Vertretung der Interessen des Bauherrn gegenüber der Behörde durch Einreichung der Pläne und entsprechender Verhandlung betraut war. Schäden der Kläger wegen der zu geringen Schallisolierung seien - wie die Feststellungen ergaben - in Zukunft nicht auszuschließen. Der Erstbeklagte wäre als Architekt verpflichtet gewesen, nicht nur die Baubehörde auf die Unmöglichkeit der Einhaltung der ÖNorm hinzuweisen, sondern auch die Kläger über die möglichen Folgen dieser Auflage zu warnen. Bei Einhaltung der gebotenen Warnpflicht wäre den Klägern die Möglichkeit gegeben worden, zu entscheiden, ob sie den Auftrag zur Durchführung des Ausbaues des Dachbodens trotz der damit verbundenen Gefahr, daß der im Baubewilligungsbescheid aufgetragenen Schallschutzisolierung nicht entsprochen werden könne, geben wollen oder nicht. Die Aktivlegitimation auch des Erstklägers sei gegeben, weil sich dieser im Kaufvertrag mit der Erwerberin seiner Wohnung sämtliche Gewährleistungs- und Rückgriffsansprüche gegenüber den beklagten Parteien ausdrücklich vorbehalten habe.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Erstbeklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die vom Revisionswerber behauptete Aktenwidrigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung liegt nicht vor. Der Sachverständige hat einen Einfluß der Bauarbeiten des Nachbarn auf die Schalldämmung der Wohnung konkret verneint (AS 113 "Meiner Meinung war es aber nicht so"). Weitere Ausführungen zu diesem Anfechtungsgrund können gemäß § 510 Abs 3 ZPO unterbleiben.

Rechtlich vertritt der Revisionswerber die Auffassung, daß die Kläger kein Rechtsschutzinteresse, der Erstkläger als Verkäufer der Wohnung nicht aktiv legitimiert und dem Erstbeklagten kein Vorwurf zu machen sei, daß er nicht erkannte, daß bei Einhaltung der Baumaßnahmen ein bestimmter Schallschutz nicht erreicht werde.

Der Oberste Gerichtshof hat in Übereinstimmung mit der Lehre (Fasching III 63 f) zwar mehrmals ausgesprochen, daß die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden voraussetze, daß zumindest bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung ein Schaden eingetreten ist (JBl 1973, 87; 5 Ob 28/82 ua). Diese Ansicht wurde von Fasching damit begründet, daß vor Eintritt eines Schadens wegen Fehlens eines Tatbestandsmerkmales überhaupt kein festzustellendes Rechtsverhältnis iS des § 228 ZPO bestehe und daher die Feststellung der Schadenersatzpflicht aus einem drohenden künftigen Schadensfall auf die im Gesetz nicht gedeckte abgesonderte Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale hinauslaufe. Die Rechtsprechung hat aber dennoch bei Bestehen eines rechtlichen Interesses Klagen auf Feststellung künftiger Ersatzpflichten auch unabhängig davon zugelassen, ob schon gegenwärtig ein mit Klage verfolgbarer Schadenersatzanspruch gegeben ist (JBl 1976, 315; ÖBl 1978, 37). Ein Interesse an einer Feststellungsklage ist schon dann gegeben, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Streitigkeiten vermieden werden (EvBl. 1969/411). Die Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (JBl. 1976, 315 mwN; ähnlich JBl. 1979, 602; vgl. SZ 41/153; SZ 56/38 ua).

Im vorliegenden Fall besteht allerdings bereits ein Schade darin, daß der Erstbeklagte in den Wohnungen der Kläger eine ungenügende Schalldämmung einbaute, die nicht mehr verbesserungsfähig ist und somit den Wert dieser Wohnungen auf Dauer in durchaus beträchtlichem Maß beeinträchtigt. Wie hoch dieser Schade ist, läßt sich derzeit nicht absehen; er hängt u.a. davon ab, welche Maßnahmen die Nachbarn, die rechtliche Schritte angekündigt haben, ergreifen und welchen Erfolg sie damit haben werden. Das Interesse an der Feststellungsklage muß daher iS der oben dargelegten Judikatur bereits jetzt bejaht werden, weil damit insbesondere die Vermeidung von späteren Beweisschwierigkeiten und die Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach bewirkt wird.

Auch die Aktivlegitimation ist des Erstklägers zu bejahen. Es ist zwar richtig, daß die Übernahme einer Prozeßführungspflicht durch den Veräußerer einer Sache ohne Begründung weiterer materiellrechtlicher Beziehungen zwischen dem Veräußerer und Erwerber wirkungslos ist. Ausnahmsweise kann aber die Feststellungsklage auch vom Zedenten einer Forderung oder vom Überträger dinglicher Rechte erhoben werden. Der Kläger muß dann den Nachweis erbringen, daß sein rechtliches Interesse gegenüber dem Beklagten fortbesteht. Dies hängt etwa davon ab, ob im Innenverhältnis die Verfügungsgewalt über die Forderung beim Überträger blieb (JBl. 1978, 382 ua), oder ob - wie im vorliegenden Fall - der Kläger gegenüber dem Übernehmer der Wohnung zur Klag- und Schadloshaltung hinsichtlich aller Schäden aus mangelhafter Bauführung verpflichtet blieb und sich auch sämtliche Gewährleistungs- sowie Rückgriffsansprüche gegen den Erstbeklagten ausdrücklich vorbehielt.

Nach ständiger Rechtsprechung trifft einen Architekten wie andere Unternehmer auch die Verpflichtung, den Besteller einer Bauleistung vor untauglichen Baumaßnahmen zu warnen. Diese Aufklärungs- und Warnpflichten dürfen zwar nicht überspannt werden (WBl. 1988, 98 uza), treffen aber sicherlich auf Umstände wie die vorliegenden zu, auf Grund deren die Herstellung zweier Dachwohnungen mangels ausreichender Möglichkeit zur Trittisolierung tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten mit den Nachbarn geradezu herausfordern. Unter den gegebenen Umständen wäre es die Aufgabe des Erstbeklagten als von den Klägern beigezogener Architekt gewesen, diese darauf aufmerksam zu machen, daß eine ausreichende Trittschallisolierung nicht erreicht werden kann, sodaß sich diese - wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt - vor Durchführung der Arbeiten ein klares Bild hätten machen können, ob sie die Wohnungen unter diesen schadensträchtigen Umständen überhaupt ausbauen sollten. Der nun eingetretene, im wesentlichen nicht mehr verbesserungsfähige Zustand der Wohnungen ist nicht von den Klägern, sondern vom Erstbeklagten als Fachmann im Sinn des § 1299 ABGB zu verantworten. Die Vorinstanzen haben daher mit Recht den Klagebegehren der Kläger stattgegeben und die grundsätzliche Haftung des Erstbeklagten für alle Folgeschäden aus dieser verfehlten Baumaßnahme ausgesprochen.

Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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