OGH 2Ob504/92

OGH2Ob504/925.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 5. Dezember 1981 geborenen mj. Matthias R*****, vertreten durch den Unterhaltssachwalter Bezirkshauptmannschaft Melk, infolge Rekurses der Mutter Andrea R*****, vertreten durch Dr. Johann Rathbauer, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 21. August 1991, GZ R 518/91-64, womit der Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Ybbs vom 18. Juli 1991, GZ P 22/90-61, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der mj. Matthias R***** ist das uneheliche Kind des Rudolf S***** und der Andrea R*****.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 22.6.1990 wurde der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.300 S verpflichtet. Mit Beschluß vom 4.4.1991 wurden dem Minderjährigen für die Zeit vom 1.4.1991 bis 31.3.1994 Unterhaltsvorschüsse in der Höhe des Unterhaltstitels nach §§ 3, 4 Z 1 UVG bewilligt. Dieser Beschluß wurde der Bezirkshauptmannschaft Melk, Jugendabteilung, am 8.4.1991 zugestellt.

Mit Beschluß vom 18.7.1991 setzte das Erstgericht über Antrag des Vaters dessen Unterhaltsverpflichtung am 1.3.1991 auf S 1.500 pro Monat herab, das Begehren des Minderjährigen, vertreten durch die Mutter, die Unterhaltsbeiträge des Vaters ab 1.4.1991 auf 2.600 S monatlich zu erhöhen, wurde abgewiesen. Dieser Beschluß wurde dem Vater, dem Vertreter der Mutter und der Bezirkshauptmannschaft Melk zugestellt.

Dagegen erhob die Mutter Rekurs.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht dieses Rechtsmittel zurück; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, gemäß § 9 Abs. 2 UVG werde der Jugendwohlfahrtsträger mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Unterhaltsvorschüsse gewährt werden, Sachwalter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Der bisherige gesetzliche Vertreter verliere im Umfang der erfolgten Sachwalterbestellung seine Verwaltungs- und Vertreterbefugnis kraft Gesetzes. Der Einhebungskurator sei allein berechtigt und verpflichtet, die Interessen des Minderjährigen in Unterhaltssachen wahrzunehmen. Der als gesetzliche Vertreterin einschreitenden Mutter fehle die Vertretungsmacht, sodaß ihr Rekurs zurückzuweisen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde mit der Begründung zugelassen, daß zur Rechtsfrage des § 9 Abs. 2 UVG nach der Novellierung durch das KindschaftsrechtsänderungsG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und die Entscheidung RZ 1991/55 den Anwendungsbereich der §§ 212 Abs. 4, 154 a ABGB erweiterte.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Mutter mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß dem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 18.7.1991 stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Mutter des Minderjährigen vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, § 9 Abs. 2 UVG sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da es sich nicht um einen Exekutionsakt "zur Durchsetzung" der Unterhaltsansprüche handle, sondern um die Erreichung einer gerichtlichen Bestimmung des richtigen Ausmaßes der Unterhaltsleistung. Dazu komme im vorliegenden Fall, daß sie mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 26.5.1982 zur Vormünderin und somit auch zur Wahrnehmung der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bestellt worden sei. Aus dem Beschluß des Erstgerichtes vom 22.6.1990, mit dem die Unterhaltsleistung aufgrund der Antragstellung der Mutter erfolgte, ergebe sich, daß auch das Erstgericht die "Funktion" (gemeint wohl: Vertretungsbefugnis) der Mutter nie in Zweifel gezogen habe. Ein weiterer Beweis für die Anerkennung der Rechtsstellung der Mutter sei der angefochtene Beschluß des Erstgerichtes vom 18.7.1991, in dem die Einschreiterlegitimation in keiner Weise in Zweifel gezogen worden sei. Das Vorgehen gegen diesen Beschluß sei überdies im vollen Einvernehmen mit dem Jugendwohlfahrtsträger erfolgt.

Im Rekurs der Mutter wird auch angeregt, die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 UVG zu veranlassen, weil durch diese Bestimmung die Grundrechte

a) auf ein gerichtliches Verfahren in Zivil- und Strafsachen gemäß § 6 MRK und

b) auf Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs 2 B-VG verletzt werden.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 9 Abs. 2 UVG idF des Art. III Z 2 KindRÄG BGBl. 1989/182 wird der Jugendwohlfahrtsträger - soweit er das Kind nicht ohnehin als Amtsvormund oder als besonderer Sachwalter (§§ 211, 213 ABGB) vertritt - mit der Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, ex lege (SZ 59/98; EvBl. 1982/53) Sachwalter des mj. Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche (6 Ob 563/91). Der bisherige gesetzliche Vertreter verliert im Umfang der Sachwalterschaftsbestellung seine Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis zur Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung in Ansehung aller dem Kind zustehenden Unterhaltsansprüche (RZ 1991/1; 1 Ob 565/90). Nach der erklärten Absicht des Gesetzgebers sollte in der Frage der Vertretung des Kindes in den Angelegenheiten er Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche ab der Gewährung von Vorschüssen jede Doppelgeleisigkeit vermieden und diese gesetzliche Vertretung in einer Hand vereinigt werden (ÖA 1987, 137). Die Sachwalterschaft beschränkt sich nicht auf die Unterhaltsvorschüsse, sondern betrifft auch die Durchsetzung weiterer Unterhaltsansprüche des Kindes (EvBl. 1982/53 = ÖA 1983, 61).

Daraus folgt, daß die Mutter ab Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt wurden, an den Jugendwohlfahrtsträger (8.4.1991), nicht mehr berechtigt war, den Minderjährigen in Ansehung der ihm zustehenden Unterhaltsansprüche zu vertreten. Aus dem dem Rekurs beigelegten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 31.7.1991 ergibt sich zwar, daß von seiten des Jugendwohlfahrtsträgers geplant war, sich dem Rechtsmittel der Mutter anzuschließen (vgl. hiezu ÖA 1987, 137), doch ist eine derartige Maßnahme unterblieben.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 9 Abs. 2 UVG bestehen keine Bedenken, weil es sich bei der Übertragung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis nicht um einen zivilrechtlichen Anspruch im Sinne des § 6 Abs. 1 MRK handelt; in der genannten Bestimmung des UVG kann auch keine Verletzung des durch Art. 83 Abs. 2 B-VG gewährleisteten Rechtes auf den gesetzlichen Richter erblickt werden.

Da es im außerstreitigen Verfahren, soweit nicht etwas anderes angeordnet ist, keinen Kostenersatz gibt (MGA, Verfahren außer Streitsachen2, Anm. 7 zu § 2 AußStrG), war der Antrag auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekurses zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte