Spruch:
Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11.April 1990, GZ 26 b Vr 318/90-9, mit dem der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erhebung, "ob hinsichtlich des 'Lorenzer-Kreises' Aktivitäten bekannt sind, die zufolge prononzierter Ausländerfeindlichkeit (Antisemitismus) insbesondere in Richtung § 283 StGB tatbildmäßig sein könnten und worin allf. derartige Aktivitäten erblickt werden könnten", abgewiesen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 88 Abs. 1 StPO.
Text
Gründe:
In der Strafsache gegen R***** W***** wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 StGB, AZ 26 b Vr 318/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, stellte die Staatsanwaltschaft am 3. Jänner 1990 im Rahmen gerichtlicher Vorerhebungen ua auch den im Spruch wiedergegebenen Antrag (Antrags- und Verfügungsbogen S 3 a). R***** W***** war verdächtig, sich in der vom ORF am 9. November 1989 ausgestrahlten Fernsehsendung "Inlandsreport" zum Thema "Ausländerfeindlichkeit" in einer im Sinn des § 283 StGB verhetzenden Weise geäußert zu haben. Der sogenannte "Lorenzer-Kreis", als dessen Mitglied sich R***** W***** bekannt hatte, sollte laut Akteninhalt gleichfalls mit verhetzenden Druckwerken auffällig geworden sein.
Die vom zuständigen Untersuchungsrichter zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Antragstellung angerufene Ratskammer wies den Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 11.April 1990, GZ 26 b Vr 318/90-9, mit der Begründung ab, es handle sich um einen "unzulässigen Erkundungsbeweis" (S 35 f).
Dieser Beschluß der Ratskammer steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Die Begründung der Antragsabweisung scheitert schon an der für das Vorverfahren geltenden Rechtslage nach den §§ 87 Abs. 1 und 88 Abs. 1 StPO. Ist doch der Staatsanwalt gemäß § 87 Abs. 1 StPO verpflichtet, alle an ihn gelangten Anzeigen über strafbare Handlungen, die von Amts wegen zu verfolgen sind, zu prüfen sowie die zu seiner Kenntnis gelangenden Spuren solcher strafbarer Handlungen zu verfolgen. Auch hat er an der Ausforschung bekannter Täter durch Aufklärung dazu sachdienlicher Verdachtsgründe mitzuwirken (§ 87 Abs. 1 letzter Satz StPO) und ist ferner berechtigt, ua durch den Untersuchungsrichter Vorerhebungen zu dem Zweck führen zu lassen, um die nötigen Anhaltspunkte für die Veranlassung des Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder für die Zurücklegung der Anzeige zu erlangen (§ 88 Abs. 1 StPO). Dieser gesetzliche Auftrag zur Klärung des Verdachts strafbarer Handlungen bedingt zwangsläufig, daß gegebenenfalls auch Erkundungen darüber zu veranlassen sind, ob ein nach den Umständen des Einzelfalls nicht vorweg unerheblicher Tatverdacht eine weitere Verfolgungsschritte rechtfertigende Konkretisierung erwarten läßt. Die dem bekämpften Beschluß ersichtlich zugrundeliegende Auffassung, daß Beweisanträge im Vorverfahren in jeder Beziehung denselben Anforderungen prozessualer Tauglichkeit zu entsprechen hätten wie in der Hauptverhandlung, verkennt das Wesen gerichtlicher Vorerhebungen und findet im Gesetz daher keine Deckung.
In Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war spruchgemäß zu erkennen.
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