OGH 6Ob594/91

OGH6Ob594/9112.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Ferdinand B*****, infolge Rekurses des Betroffenen gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 3. April 1991, GZ Nc 7/91-5, mit dem der Antrag des Rechtsmittelwerbers, die Weiterführung des beim Bezirksgericht Wels zu AZ 1 SW 242/84 anhängigen Verfahrens dem Bezirksgericht Lambach zu übertragen, abgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.

Text

Begründung

Der im Januar 1928 geborene nunmehrige Bauernpensionist hatte anläßlich seiner Eheschließung im Jahre 1965 mit einer Bäuerin Ehepakte geschlossen, aufgrund derer er zunächst Miteigentümer und nach dem im Dezember 1981 erfolgten Ableben seiner Ehefrau Alleineigentümer eines im Sprengel des Bezirksgerichtes Wels gelegenen Bauerngutes wurde. Am 20.Januar 1983 heiratete der Witwer in zweiter Ehe eine Nachtclubbesitzerin. Am selben Tag stellte sein Bruder einen Entmündigungsantrag. Mit Beschluß vom 12. Oktober 1984 bestellte das Bezirksgericht gemäß § 273 ABGB einen Sachwalter. Im Zuge der Sachwalterschaft wurde das gesamte unbewegliche Vermögen des Betroffenen veräußert. Das Vermögen des Betroffenen besteht seither in Sparguthaben bei inländischen Kreditunternehmungen sowie in Wertpapieren, die bei inländischen Kreditunternehmungen deponiert sind.

Seit Sommer 1987 lebt der Betroffene in Costa Rica.

Er hat inzwischen wiederholt auf eine Beendigung der Sachwalterschaft, vor allem aber auf eine Enthebung des zum Sachwalter bestellten Rechtsanwaltes und dessen Ersetzung durch seine zweite Ehefrau gedrängt. Gegen diese ist nach wie vor ein Ehenichtigkeits-, -aufhebungs- und -scheidungsverfahren anhängig. Der Betroffene bestritt mit Erfolg die Ehelichkeit eines von seiner nunmehrigen Ehefrau nach der Eheschließung geborenen Mädchens. Der Betroffene hat keine eigenen Nachkommen; an Verwandten von ihm leben nur Seitenverwandte, Geschwister und deren Nachkommen. Belize anerkennt den Beklagten als seinen Staatsangehörigen. Sein Verzicht auf die inländische Staatsbürgerschaft ist nach den Feststellungsbescheiden der oberösterreichischen Landesregierung nicht wirksam geworden.

Ende Dezember 1990 stellte der Betroffene den Antrag, das Verfahren vom Bezirksgericht Wels an das Bezirksgericht Lambach zu delegieren. Zur Zweckmäßigkeit einer derartigen Zuständigkeitsverschiebung machte er geltend, er hätte die Möglichkeit, in Lambach ein Einfamilienhaus als Heim für ihn und seine Ehefrau sowie deren Kinder zu erwerben; seine 1971 geborene Stieftochter Maria wohne bereits in diesem Haus, der Hälfteeigentümer der Liegenschaft habe der ganzen Familie Benützungsrechte eingeräumt, seine Frau habe bereits beträchtliche Investitionen in die Liegenschaft vorgenommen. Der beabsichtigte Liegenschaftskauf könne vom Bezirksgericht Lambach besser beurteilt werden als vom Bezirksgericht Wels. Das Bezirksgericht Lambach führe auch die Pflegschaft über die beiden noch minderjährigen Stiefkinder des Betroffenen. Die nun nach einem Richterwechsel beim Bezirksgericht Wels zur Führung des Sachwalterschaftsverfahrens zuständige Richterin habe erklärtermaßen zeitliche Schwierigkeiten, die

umfangreichen - inzwischen auf 14 Bände

angewachsenen - Sachwalterschaftsakten eingehend zu studieren.

Das gemäß § 31 Abs 1 JN zuständige Oberlandesgericht wies den Delegierungsantrag ab.

Es erachtete die Übertragung der Zuständigkeit von dem bereits jahrelang mit dem Verfahrensgegenstand befaßten Gericht an das in seiner unmittelbaren Nachbarschaft gelegene Gericht nicht für zweckmäßig, weil der Betroffene (unabhängig von einem melderechtlichen Vorgang) seinen Lebensmittelpunkt noch gar nicht in den Sprengel des von ihm genannten Gerichtes verlegt habe, die Interessen der Ehefrau und deren Kinder sich nicht ohne weiters mit den Belangen des Betroffenen deckten und weil schließlich die räumliche Entfernung des nunmehrigen Wohnortes der ältesten Stieftochter vom Sitz des derzeit zuständigen Gerichtes nicht so beträchtlich sei, daß im Bedarfsfall eine Zureise nicht oder nur schwer möglich erschiene.

Der Beklagte ficht die Entscheidung des Oberlandesgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Abänderungsantrag im Sinne seines Delegierungsbegehrens an.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann das dort bezeichnete Gericht auf Antrag einer Partei anstelle des nach der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung berufenen Gerichtes aus Gründen der Zweckmäßigkeit zur Verhandlung und Entscheidung einer Rechtssache ein anderes Gericht gleicher Gattung bestimmen.

Bei der Beurteilung dieser Zweckmäßigkeit ist vor allem auf Art und Umfang des nach dem Gegenstand des Verfahrens zu erwartenden künftigen Verfahrensaufwandes Bedacht zu nehmen.

Gerade bei einem schon jahrelang geführten Sachwalterschaftsverfahren kommt dem Amtswissen und auch der persönlichen Kenntnis des mit der Sache befaßten Gerichtsorgans eine erhebliche Bedeutung zu. Eine Delegierung ist notwendigerweise mit einem Richterwechsel verbunden und bedeutet schon aus diesem Grund einen im objektiven Interesse aller Beteiligten unerwünschten Mehraufwand. Dieser sollte nur dann in Kauf genommen werden, wenn ganz eindeutige schwerwiegende Interessen für die beantragte Zuständigkeitsverschiebung sprechen.

Das vermeintliche Unvermögen eines Gerichtsorgans zu rascher, sachgerechter und unvoreingenommener Entscheidung stellt keinen anerkennenswerten Delegierungsgrund dar; zur Geltendmachung einer Säumnis, einer Besorgnis der Voreingenommenheit oder der sachlichen Unrichtigkeit von Entscheidungen stehen andere Rechtsbehelfe zu Gebote, die der Rechtsmittelwerber auch bisher zu nützen wußte.

Die im Delegierungsantrag erwähnte Überlastung der nach einem eingetretenen Richterwechsel nun zuständigen Richterin vermag daher die beantragte Zuständigkeitsverschiebung nicht zu rechtfertigen.

Im übrigen treffen die Ausführungen des Oberlandesgerichtes im angefochtenen Beschluß voll zu: Der Rechtsmittelwerber selbst hat seinen derzeit in Übersee gelegenen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse noch nicht an den Wohnsitz seiner Stieftochter verlegt. Meldepolizeiliche Vorgänge allein sind dabei unerheblich; entscheidend ist ausschließlich der tatsächliche Aufenthalt. Die Pflegschaft für die minderjährigen Stiefkinder des Rechtsmittelwerbers haben mit der Sachwalterschaft keine sachlichen Gemeinsamkeiten. Zur Beurteilung einer teilweisen Vermögensveranlagung in einer bestimmten Liegenschaft hat sich das Pflegschaftsgericht aufgrund der Angaben des Sachwalters und gegebenenfalls dem Gutachten eines Sachverständigen eine Entscheidungsgrundlage zu verschaffen. Kein Pflegschaftsgericht hat die Sachwalterschaft unmittelbar auszuüben; jede Sachwalterschaft besteht darin, daß für den Betroffenen ein Sachwalter bestellt wird, dessen Tätigkeit vom Gericht nicht zu ersetzen, sondern nur zu überwachen ist.

Die im Rekurs aufgeworfenen Fragen nach der Person des Sachwalters und einer Beendigung der Sachwalterschaft überhaupt sind von dem zur Führung der Sachwalterschaft zuständigen Gericht zu lösen und bei der Entscheidung über den Delegierungsantrag nicht zu erörtern, weil hier ausschließlich zu entscheiden ist, welches Gericht unter anderem auch zur Beurteilung dieser im Zuge des Verfahrens auftretenden Fragen örtlich zuständig sein soll.

Das Oberlandesgericht hat mit Recht die Zweckmäßigkeit der beantragten Delegierung verneint. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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