OGH 11Os141/91

OGH11Os141/9129.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Prokisch als Schriftführer in der Strafsache gegen Martin G***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges als Beteiligter nach den §§ 12, dritter Fall, 15, 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 12. Juni 1991, GZ 4 d Vr 92/90-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem schuldig sprechenden Teil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.März 1971 geborene Angestellte Martin G***** - im zweiten Rechtsgang abermals - des Verbrechens des versuchten schweren Betruges als Beteiligter nach den §§ 12, dritter Fall, 15, 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt, weil er am 19.Oktober 1989 in Wien vorsätzlich dadurch, daß er den gesondert verfolgten Johann S***** und Michael S***** das Losungswort "A*****" des Sparbuches der Österreichischen Länderbank mit der Nr.***** des Roman K***** mit einem Einlagestand von cirka 9***** S gegen die Zusage eines Bargeldbetrages von 10.000 S offenbarte, zur Ausführung des von Johann S***** und Michael S***** in der Folge versuchten schweren Betruges beitrug, die unter Vorlage des Sparbuches bei der genannten Bank unter Anführung des geoffenbarten Losungswortes die Auszahlung von 9***** S begehrten.

Vom Anklagevorwurf des Vergehens nach dem § 34 Abs. 1 Kreditwesengesetz wurde Martin G***** rechtskräftig freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher schon aus folgenden Gründen Berechtigung zukommt:

Wie der Angeklagte in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht, ist der Ausspruch über entscheidende Tatsachen mit formellen Begründungsmängeln behaftet (Z 5):

Ein Urteil ist wegen Unvollständigkeit nichtig, wenn das Gericht bei der Feststellung einer entscheidenden Tatsache in der Hauptverhandlung erörterte Tatsachen, aufgenommene Beweise oder sonst im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände mit Stillschweigen übergeht oder ungewürdigt läßt.

Die Feststellung, wonach Martin G***** in Kenntnis des Umstandes war, daß der ihn um Hilfe bei der Eruierung des Losungswortes bittende Johann S***** keine Verfügungsberechtigung über das verfahrensgegenständliche Sparbuch besaß, wird ua darauf gestützt, daß "der Angeklagte nie behauptete, S***** hätte ernsthaft angegeben, daß das Sparbuch ihm gehöre" (S 246 oben).

Hiebei läßt das Erstgericht unerörtert, daß - der Beschwerde gemäß - ausdrücklich gegenteilige Angaben des Angeklagten vorliegen (vgl die Seiten 122, 126; sinngemäß auch S 229) und der Zeuge S***** nicht ausschließen konnte, von seinem Sparbuch gesprochen zu haben, auf jeden Fall aber deponierte (S 233), daß er dem Angeklagten anläßlich der Bitte um Hilfe bei der Angabe des Losungswortes erklärte, er wolle "sich nicht genieren, und dann (in der Bank) herumstottern, wenn es ihm nicht einfällt". Zur Erörterung dieser - auch den Schluß auf ein nur vorübergehendes Entfallen des Losungswortes

zulassende - Deposition wäre das Erstgericht umso mehr verhalten gewesen, als S***** in der Folge dem Angeklagten gegenüber (ua) das richtige Losungswort genannt haben soll (vgl ua die Seiten 226, 229, 233). Mit Recht macht der Beschwerdeführer dem Erstgericht im gegebenen Zusammenhang auch den Vorwurf, auf den entlastenden Teil der Aussage des Zeugen Michael S***** nicht eingegangen zu sein, wonach der Angeklagte bei Nennung der in Frage kommenden Losungsworte durch S***** nur "ja" oder "nein" gesagt habe (S 237 unten). Die - undeutliche - Annahme des Erstgerichtes im Rahmen der Beweiswürdigung, daß G***** bei der "Findung des richtigen Losungswortes durch S***** wesentlich tatkräftiger mitgeholfen habe als er selbst zugibt" (S 247), beruht somit auch in dieser Richtung auf einer unvollständigen Auswertung des vorliegenden Beweismaterials. Dies abgesehen davon, daß die vom Urteilsverfasser angeführten "Widersprüchlichkeiten" in den Aussagen der Zeugen S***** und S***** über die (von S***** genannten) Losungsworte mit dem Verhalten des Roman K***** anläßlich der widerrechtlichen Aneignung des Sparbuches, nicht jedoch mit dem späteren Telefongespräch zwischen S***** und dem Angeklagten anläßlich der verfahrensgegenständlichen Vorbereitung der Abhebung in Zusammenhang stehen.

Dem Beschwerdeführer ist ferner zuzustimmen, wenn er im Rahmen der Mängelrüge moniert, daß das Schöffengericht "von mangelnden Kenntnissen (des Angeklagten) der näheren Verhältnisse des abgesondert verfolgten S*****" ausgeht, ohne ua die Aussage des Martin G***** und der beiden Zeugen S***** und S***** einer Erörterung zuzuführen, wonach sich - der ehemalige Bankkollege - S***** als Diplomatensohn sowie reich und wohlhabend ausgegeben habe (vgl die Seiten 123, 227, 233 und auch S 229).

Zu Recht wird auch gerügt, daß das Erstgericht bei der Verwerfung der vom Angeklagten behaupteten (S 122, 229) fehlenden Ernstlichkeit des Anbotes bzw der Forderung eines Betrages von 10.000 S für die Hilfe bei der Ermittlung des Losungswortes die entlastende Aussage des Zeugen Johann S***** (S 235) ungewürdigt gelassen habe.

Als relevant erweist sich ferner der Einwand, daß der dem Angeklagten gemachte - wie dargelegt an sich auf unvollständiger Beweisverwertung basierende - Vorwurf einer pflichtwidrigen Unterlassung der Verweisung des Johann S***** an die zuständige - kontoführende - Zweigstelle der L*****bank und der unterbliebenen Verständigung seines Vorgesetzten auch nicht ohne weiteres den erstgerichtlichen Schluß auf ein zumindest vorsätzliches Handeln (des Angeklagten) rechtfertigt, sondern ebenso die - nicht erörterte - Möglichkeit offen läßt, G***** habe im wenn auch leichtfertigen Vertrauen darauf gehandelt, daß er den verpönten Erfolg nicht (mit)herbeiführen werde (vgl Foregger-Serini, MKK4 § 5 StGB, Erl IV).

Als formal unzureichend stellt sich schließlich auch die Begründung für die (aus dem Urteilsspruch ersichtliche) erstgerichtliche Bejahung der Wertqualifikation nach dem § 147 Abs. 3 StGB dar, weil das Versprechen "eines doch nicht unbedeutenden Betrages von 10.000 S für die Bekanntgabe des Losungswortes" den logischen Zusammenhang mit einem vom Vorsatz des Täters erfaßten 500.000 S übersteigenden Vermögensschadens kaum noch erkennen läßt, zumal die Tatrichter - neben der allfälligen Abhebung des gesamten Guthabens von 9***** S - auch die nicht näher konkretisierte Möglichkeit in Betracht zogen, daß Johann S***** (nur) einen "hohen" (S 245) oder einen "erheblichen" (S 248) Betrag abheben wollte, ohne sich mit dem Übersteigen der relevanten Schadenssumme von 500.000 S näher auseinanderzusetzen.

Die erwähnten zahlreichen formalen Begründungsmängel machen das Urteil nichtig nach der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO.

Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Auf das übrige Beschwerdevorbringen brauchte demnach nicht mehr eingegangen zu werden.

Mit seiner durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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