OGH 7Ob618/91

OGH7Ob618/9128.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. John G*****, infolge Revisionsrekurses der Wahlmutter Anita G*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 26. September 1991, GZ 2 R 357/91-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 27. August 1991, GZ 2 P 69/90-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Rechtsmittelwerberin und Reinhard G***** sind die geschiedenen Adoptiveltern des Minderjährigen. Die Obsorge steht der Wahlmutter zu.

Das Erstgericht wies den Antrag des Wahlvaters auf Einräumung eines Besuchsrechtes mit der Begründung ab, daß der Wahlelternteil, dem nicht die Pflege und Erziehung des Kindes zusteht, grundsätzlich auch kein Besuchsrecht habe. Ein Besuchsrecht sei diesem Wahlelternteil nur ausnahmsweise zuzubilligen, etwa wenn es sich bei diesem Elternteil um eine wichtige oder die einzige Bezugsperson des Kindes handle und die Aufrechterhaltung einer persönlichen Beziehung infolge Dauer und Intensität im Interesse des Wahlkindes dringend geboten erscheine.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Nach der Rechtsansicht des Rekursgerichtes steht auch demjenigen Wahlelternteil, dem nicht die Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, das Recht zu, mit dem Wahlkind persönlich zu verkehren. Dieses Recht könne auch einem Wahlelternteil nur aus schwerwiegenden Gründen, insbesondere bei ernsthafter Gefährdung oder Beeinträchtigung des Kindeswohles untersagt werden. Solche Gründe seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Das Erstgericht werde daher unter Beachtung des Kindeswohles das Ausmaß des beantragten Besuchsrechtes sowie die näheren Modalitäten mit den Parteien zu erörtern und dann neuerlich zu entscheiden haben.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobenen Revisionsrekurs der Wahlmutter ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß gemäß § 182 Abs.2 ABGB durch die Adoption alle familienrechtlichen Beziehungen zwischen dem Adoptivkind und seinen leiblichen Eltern erlöschen und neue familienrechtliche Beziehungen zwischen dem Wahlkind und den Wahleltern entstehen. Darauf beruht auch jene Rechtsansicht, die den leiblichen Eltern ein Recht zum Besuch des adoptierten Kindes versagt (ÖA 1974, 57; SZ 34/177). Das durch die Adoption begründete rechtliche Band wird durch die Auflösung der Ehe der Wahleltern grundsätzlich nicht berührt. Nach Auflösung der Ehe der Wahleltern kann lediglich die Wahlkindschaft gemäß § 184 a Abs.1 Z 3 ABGB unter den dort genannten Voraussetzungen aufgehoben werden. Grundlage des demjenigen Elternteil, dem nicht die Pflege und Erziehung des minderjährigen Kindes zusteht, nach § 148 Abs.1 eingeräumten Rechtes auf persönlichen Verkehr mit dem Kind ist das bestehende Eltern-Kind-Verhältnis. Im Regelfall liegt zwar auch eine blutsmäßige Beziehung vor, die enge blutsmäßige Verwandtschaft ist aber nicht alleinige Grundlage des Besuchsrechtes. Sein Zweck ist auch nicht allein auf die Aufrechterhaltung des auf der Blutsverwandtschaft beruhenden persönlichen Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern gerichtet, sondern auch darauf, die Verbundenheit zwischen den nicht pflege- und erziehungsberechtigten Elternteil und dem Kind herzustellen und zu wahren (EFSlg. 59.640; EFSlg. 56.618; 8 Ob 596/91 u.v.a.). Das Besuchsrecht soll nicht zuletzt auch die gedeihliche Entwicklung des Kindes sicherstellen, da die Kontakte zum nicht sorgeberechtigten Elternteil in der Regel dem seelisch-geistigen Wohl des Kindes dienen und seine Entwicklung fördern (EFSlg. 59.642; Schwimann-Schlemmer ABGB I § 148 Rz 2). Zutreffend hat das Rekursgericht in diesem Zusammenhang hervorgehoben, daß das Kind, dessen leibliche Eltern im konkreten Fall unbekannt sind, das nach der Annahme des Rekursgerichtes Vollwaise ist, und das in Österreich keine leiblichen Verwandten besitzt, einer für seine gedeihliche Entwicklung notwendigen Bezugsperson beraubt würde, wenn man ein Besuchsrecht des Wahlvaters grundsätzlich ablehnte. Nach dem Wortlaut der §§ 182 Abs.2, und 148 Abs.1 ABGB und dem Zweck des Besuchsrechtes ist die Rechtsansicht des Rekursgerichtes zu billigen, daß grundsätzlich auch dem Wahlvater ein Recht auf persönlichen Verkehr mit dem minderjährigen Wahlkind zusteht. Hinzu kommt, daß das Besuchsrecht ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, ein anerkanntes Menschenrecht ist (EFSlg. 59.637 f u.v.a.) und daß auch die durch Adoption begründeten familienrechtlichen Beziehungen dem Schutz des Art. 8 Abs.1 MRK unterliegen (Frohwein-Peukert EMRK-Komm. Anm 15 zu Art. 8).

Beizupflichten ist dem Rekursgericht auch darin, daß auch das einem Wahlelternteil zustehende Besuchsrecht nur unter den in ständiger Rechtsprechung anerkannten Voraussetzungen untersagt werden kann und daß die hier vertretene Rechtsansicht über das Besuchsrecht eines Wahlelternteiles nicht der Entscheidung EvBl. 1988/65 widerspricht. Gegenstand dieser Entscheidung war nicht das Besuchsrecht eines Wahlelternteiles. Die dortigen Ausführungen "nur leibliche Eltern" sind unter dem Gesichtspunkt der Frage eines Besuchsrechtes von nicht durch ein Eltern-Kind-Verhältnis mit dem Kind verbundenen Personen zu verstehen.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Stichworte