Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil abgeändert und das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 18.836,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.472,70 Umsatzsteuer und S 10.000 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war bei der beklagten Partei ab 1.6.1977 in der Versandabteilung angestellt.
Schon ab 1972 war durch Betriebsvereinbarung im Betrieb der beklagten Partei die gleitende Arbeitszeit bei einer Blockzeit von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr und 13.30 Uhr bis 15.30 Uhr eingeführt worden; ausdrücklich ausgenommen von dieser Regelung war ua die Versandabteilung.
Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin in die in der Versandabteilung geltende Normalarbeitszeit von 7.00 Uhr bis 15.00 Uhr (Montag bis Donnerstag) und von 7.00 Uhr bis 13.00 Uhr (Freitag) ein.
Ab 1988 versuchte die beklagte Partei aus betrieblichen Gründen in der Versandabteilung mit Zustimmung der dortigen Angestellten eine Änderung der dort geltenden Arbeitszeiteinteilung dahin zu erreichen, daß eine halbstündige Mittagspause eingeführt und dafür am Nachmittag um eine halbe Stunde länger gearbeitet würde. Die Angestellten der Versandabteilung stellten sich aus von ihnen geltend gemachten ebenfalls betrieblichen Gründen gegen eine solche Änderung. Eine gültige Betriebsvereinbarung kam nicht zustande.
Am 5.3.1990 ordnete ein Prokurist der beklagten Partei an, daß ab 6.3.1990 in der Versandabteilung die gesetzliche Mittagspause von einer halben Stunde einzuhalten sei und sich dadurch das Arbeitsende auf 15.30 Uhr verschiebe. Die Angestellten der Versandabteilung, darunter die Klägerin, hatten diese Anordnungen verstanden und widersprachen ihr vorerst nicht. Ein Betriebsratsmitglied holte jedoch von der Ortsstelle der Arbeiterkammer die Rechtsauskunft ein, daß die Dienstzeitänderungsanweisung nicht befolgt werden müsse, weil eine Änderung der Dienstzeiteinteilung nur mit Betriebsvereinbarung möglich sei. Dies teilte das Betriebsratsmitglied auch der Klägerin mit. Daraufhin beschlossen die Angestellten der Versandabteilung, die Arbeitgeberweisung nicht zu befolgen. Am 6.3.1990 erklärte der unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin den Angestellten der Versandabteilung, daß ab nun auch in dieser Abteilung die Gleitzeit gelte; wer die Anordnung nicht befolge, werde verwarnt. Die Klägerin kündigte diesem Vorgesetzten gegenüber an, daß sie die Anordnung nicht befolgen werde. Am 7.3.1990 verließ sie um 15.06 Uhr den Arbeitsplatz. Am 8.3.1990 fand wieder ein Gespräch zwischen den Angestellten der Versandabteilung und dem vorerwähnten Prokuristen statt. Die Klägerin bezeichnete dabei die einseitige Änderung der Dienstzeiteinteilung als Terror und sagte, sie müsse die Änderung nicht befolgen. An diesem Tag verließ sie um
18.24 Uhr den Arbeitsplatz und verzeichnete 2 1/2 Überstunden. Am 9.3.1990 verließ sie ihren Arbeitsplatz um 14.35 Uhr und vermerkte zwei Überstunden. Am 12.3.1990 wurde sie wegen Nichteinhaltung der geänderten Arbeitszeit entlassen.
Die Klägerin begehrt wegen ungerechtfertigter Entlassung der Höhe nach unbestrittene S 181.998,28 brutto sA (Kündigungsentschädigung, restliche Urlaubsentschädigung und Abfertigung).
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung sei gerechtfertigt, weil die Klägerin am 7.3.1990 den Arbeitsplatz vor Ende der Arbeitszeit verlassen und am 8.3.1990 angekündigt habe, daß sie dies auch künftig so halten werde.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Mangels Vorliegens einer wirksamen Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung über die Einteilung der Arbeitszeit sei deren Einteilungsänderung im einseitigen Direktionsrecht des Arbeitgebers gelegen; die beklagte Partei habe auch gute betriebliche Gründe und dazu noch das Gebot des Arbeitszeitgesetzes für diese der Klägerin wegen Geringfügigkeit nicht unzumutbare Einteilungsänderung gehabt; die Weisung wäre daher von der Klägerin zu befolgen gewesen; aus dem Gesamtverhalten der Klägerin sei auch zu entnehmen, daß sie nicht bereit sei, von dem Standpunkt, der Weisung nicht Folge leisten zu müssen, abzugehen; es liege daher eine beharrliche Dienstverweigerung vor, die aber nicht schuldhaft erfolgt sei, weil der Klägerin der Rechtsirrtum über die Weisungsfolgepflicht, der aus der Auskunft einer Interessenvertretung und daraus entstanden sei, daß die beklagte Partei die Klägerin nicht ausreichend über die Pflicht zur Einhaltung der Arbeitszeit belehrt habe, nicht zuzurechnen sei.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Es vertrat die Auffassung, die Klägerin habe nicht nur bewußt und beharrlich eine zulässige Weisung ihrer Arbeitgeberin mißachtet, sie habe auch schuldhaft gehandelt. Die Rechtslage sei nämlich so eindeutig, daß sie sich nicht durch Berufung auf eine unvertretbar unrichtige Rechtsansicht ihrer Interessenvertretung entschuldigen könne. Es sei ihr als Verschulden zuzurechnen, daß sie es unterlassen habe, die eindeutige Rechtslage selbst zu beurteilen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, daß für die Versandabteilung der beklagten Partei, in der die Klägerin tätig war, keine Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 ArbVG; vgl Cerny, ArbVG 394 f) bestand. Die Versandabteilung war nämlich vom Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung im Jahr 1972 ausdrücklich ausgenommen worden und es wurde auch in der Folge keine gültige Betriebsvereinbarung abgeschlossen; die Zustimmung des Angestelltenbetriebsrates am 2.2.1990 erfolgte nicht schriftlich und war deshalb unverbindlich (Cerny, ArbVG 367 f). Entgegen den Behauptungen der Klägerin gingen die Vorinstanzen auch zutreffend davon aus, daß mit der Klägerin keine individuelle Arbeitszeitvereinbarung getroffen wurde; ihr wurde bei ihrem Eintritt lediglich die in dieser Abteilung geltende Normalarbeitszeit mitgeteilt.
Unabhängig davon, ob in einem solchen Fall die einseitige Änderung der Arbeitszeit als Ausfluß des Direktions- und Weisungsrechts des Arbeiters als zulässig und verbindlich angesehen wird (Arb 5545 ua; Cerny, DRdA 1971, 191; Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 II 334 f) oder ob man mangels Vorbehalts des Arbeitgebers im Zweifel von einer stillschweigenden Vereinbarung der Arbeitszeit in dem Sinn auszugehen hätte, daß sich der Arbeitnehmer nur den Veränderungen der Arbeitszeit durch kollektivrechtliche Akte unterwirft (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 140; vgl 9 Ob A 36/89 und 9 Ob A 233/90, die diese Frage ebenfalls dahingestellt sein lassen), war im vorliegenden Fall die Verlegung der Arbeitszeit, die einerseits zur Beseitigung der gesetzwidrigen bisherigen Arbeitszeit ohne Mittagspause diente (vgl § 11 Abs 1 erster Satz AZG) und andererseits das Arbeitsende dem Rahmen der Gleitzeitregelung der anderen Abteilungen (Dienstzeitende 15.30 Uhr bis 18.00 Uhr) anglich, aus betrieblicher Sicht sachlich berechtigt und für die Klägerin - die im übrigen in dieser Richtung nichts vorgebracht hat - nicht unzumutbar (vgl Arb 8684). Die sachlich gerechtfertigte und zumutbare geringfügige Abänderung des Endes der Arbeitszeit war daher für die Klägerin verbindlich; sie hätte die Weisung zu befolgen gehabt (9 Ob A 36/89).
Die Nichtbefolgung einer Weisung berechtigt den Arbeitgeber jedoch nur dann zur Entlassung, wenn sich der Arbeitnehmer beharrlich und schuldhaft weigert, der Weisung Folge zu leisten (§ 27 Z 4 zweiter Fall AngG). Im vorliegenden Fall fehlt aber die Beharrlichkeit. Die Klägerin hat lediglich einmal (am 7.3.1990) den Arbeitsplatz vorzeitig (24 Minuten zu früh) verlassen und angekündigt, daß sie die angeordnete Änderung auch weiterhin nicht befolgen werde. Die bloße Ankündigung einer Dienstverweigerung genügt für die Tatbestandsmäßigkeit des § 27 Z 4 zweiter Fall AngG mangels Beharrlichkeit im allgemeinen noch nicht (vgl Kuderna, Entlassungsrecht 95 und 72; Arb 9691 ua). In den Folgetagen hat die Klägerin die verlangte Arbeitszeit eingehalten - sie hat sogar noch darüberhinaus Überstunden verrichtet - und lediglich auch die strittigen Zeiten von 15.00 Uhr bis 15.30 Uhr als Überstundenleistung vermerkt. Hierin liegt aber keine beharrliche Dienstverweigerung, sondern nur eine unterschiedliche Auffassung über das gebührende Entgelt. Es wäre der beklagten Partei freigestanden, diese Zeiten nicht als Überstunden anzuerkennen und bei der Überstundenentlohnung nicht zu berücksichtigen; in diesem Fall hätte die Klägerin die strittigen Beträge einklagen können. Ein Grund zur Entlassung liegt schon mangels beharrlicher Dienstverweigerung nicht vor.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Klägerin schuldhaft die Weigerung nicht befolgen wollte oder ob sie sich trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt in einem von ihr zu beweisenden, sie exkulpierenden Irrtum ( - sie hat auf die objektiv unrichtige Auskunft ihrer Interessenvertretung vertraut - ) über ihre Verpflichtung zur Befolgung der geänderten Dienstzeit befunden hat (Kuderna, Entlassungsrecht 72; ZAS 1988, 22). Im übrigen kann die Meinung des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, die Rechtsansicht der Klägerin sei "unvertretbar falsch", weil die Rechtslage "völlig eindeutig" sei (vgl die oben angeführten divergierenden Belegstellen, insbes Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 140).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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