Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold Rudolf F***** (auch im dritten Rechtsgang) des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 2, 86 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 5.Juni 1986 in Leoben-Hinterberg Johann G***** im Zuge eines Raufhandels durch Versetzen von Stößen, wodurch dieser in ein Heißwasserbecken stürzte, am Körper mißhandelt, wobei die Tat den Tod des Verletzten zur Folge hatte.
Nach den wesentlichen Urteilfeststellungen kam es am 5.Juni 1986 im Keller des Kesselhauses der ***** A*****, T***** und Z***** GmbH, in L***** zwischen dem Angeklagte und Johann G***** nach einem Wortstreit zu einer tätlichen Auseinandersetzung, die zunächst damit endete, daß der Angeklagte den Johann G***** zu Fall brachte und dieser unmittelbar neben dem mit (über) 70 Grad Celsius heißem Wasser gefüllten Heißwasserbecken am Rücken zu liegen kam. In dieser Situation ging der vor dem am Boden liegenden G***** stehende (US 13) Angeklagte neuerlich auf diesen los; es kam abermals zu einem Raufhandel, in dessen Verlauf G***** durch Gewalteinwirkung des Angeklagten rücklings in das Heißwasserbecken stürzte und darin mit dem ganzen Körper eintauchte. Hierauf kniete sich der Angeklagte am Beckenrand nieder, griff in das Heißwasser und hinderte dadurch G***** am sofortigen Wiederauftauchen. Reinhard G*****, ein Arbeitskollege, der den Vorfall beobachtet hatte, erkannte sogleich die für G***** überaus bedrohliche Situation, stürzte sich auf den Angeklagten, riß ihn an den Schultern vom Becken weg und zog G***** aus dem heißen Wasser (US 7, 8, 13, 14, 21, 22). Johann G***** hatte Verbrühungen II. Grades an rund 95 % der Körperoberfläche erlitten, denen er am 11.Juni 1986 im Landeskrankenhaus Graz erlag (US 8). Der Angeklagte, der vorher schon einige Monate hindurch in unmittelbarer Nähe dieses Heißwasserbeckens gearbeitet hatte (US 5, 24), wußte, daß das Becken immer mit Heißwasser gefüllt war (US 6, 24).
Diese Feststellungen stützte das Schöffengericht im wesentlichen auf die für glaubwürdig befundenen Aussagen der Tatzeugen im Zusammenhang mit dem Ergebnis des (am 20.März 1991 neuerlich) durchgeführten Ortsaugenscheines und dem Gutachten der beigezogenen Sachverständigen; dadurch erachtete es die Verantwortung des Angeklagten, er habe in Notwehr gehandelt, weil er von G*****, der ihn beschimpft habe und ihm auf eine Distanz von ca. 1,5 m gegenübergestanden sei, im Halsbereich erfaßt und in den "Schwitzkasten" gedrückt worden sei, wobei G***** nach rückwärts in das Heißwasserbecken stürzte und ihn mitgerissen habe (US 9 ff), für widerlegt (US 11, 16).
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 3, 5, 5 a, 9 lit. a und b sowie 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerdebehauptung, die Schöffen Albin S***** und Otto S***** seien weder im laufenden Kalenderjahr noch in der Hauptverhandlung beeidigt worden, steht mit dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls im Widerspruch, wonach die Beeidigung der Schöffen ohnedies ordnungsgemäß vorgenommen wurde (S 158/Bd. II). Der insoweit relevierte Verfahrensmangel (Z 3) liegt demnach nicht vor.
Aber auch die Mängelrüge (Z 5) ist nicht zielführend.
Die Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte durch einen Schlag des Johann G***** gegen eine Wand getaumelt ist, sich von dieser abgestoßen hat und daraufhin G***** am Oberkörper im Schulterbereich umfaßte, wobei G***** seinerseits den Angeklagten im Schulterbereich umklammert hielt (US 6, 7), findet in den Angaben des Zeugen G***** volle Deckung (vgl. S 232, 285/Bd. I; 85, 190, 191/Bd. II); sie betrifft zudem keine entscheidungswesentliche Tatsache, weil diese Phase des Tatgeschehens dadurch abgeschlossen wurde, daß der Angeklagte den Johann G***** zu Fall brachte und dieser rücklings am Boden zu liegen kam, sodaß von einem gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff des Johann G***** auf die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten zum Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlung keine Rede (mehr) sein konnte. Demzufolge geht auch der Schuldvorwurf dahin, daß der Angeklagte in dieser Situation (US 7) neuerlich auf G***** losging und solcherart einen "neuerlichen Raufhandel" auslöste (US 7, 13), der in der Folge zum Sturz des Johann G***** in das Heißwasserbecken führte.
Ebenso findet die Feststellung, daß der Angeklagte den am Boden liegenden und somit wehrlosen Johann G***** "neuerlich" angriff und ihm auch nicht geholfen hat, als dieser bereits im Heißwasserbecken lag, insbesondere in der wiederholten, nunmehr (im dritten Rechtsgang) präzisierten und bei einem Lokalaugenschein an Hand von Lichtbildern neuerlich rekonstruierten Darstellung des Tatherganges durch den Zeugen G***** eine ausreichende Stütze. Dadurch gelangte der Schöffensenat (gemäß § 258 Abs. 2 StPO) zur Überzeugung, daß der genannte Zeuge letztlich alle scheinbaren, insbesondere auf seine subjektive Ausdrucksweise im zweiten Rechtsgang zurückzuführenden Widersprüche aufklären konnte und im Ergebnis immer gleichlautend bekundete, daß der Angeklagte den bereits wehrlos am Boden liegenden G***** neuerlich angegriffen (S 233/Bd. I, 180, 183/Bd. II) und ihn - als er bereits im Heißwasserbecken lag - am Wiederauftauchen und Verlassen des Beckens hinderte, weil er "mit ihm weitergerauft hat" (S 184/Bd. II; S 233, 234/Bd. I). Wenn sich demgegenüber die Beschwerde mit weitwendigen Ausführungen bemüht, den Beweiswert der Aussage des Zeugen G***** unter Hervorstreichen von Abweichungen in dessen Darstellungen des Tatgeschehens, die er über einen Zeitraum von mehreren Jahren immer wieder geben mußte - in Frage zu stellen, so genügt der Hinweis, daß die Tatrichter diese vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Abweichungen in den Aussagen des Zeugen G***** ohnedies in den Kreis ihrer Erwägungen miteinbezogen haben (US 18, 22), andererseits aber nicht unberücksichtigt ließen, daß die Darstellung des genannten Zeugen in den wesentlichen Punkten insbesondere auch vom Zeugen S***** bestätigt wurde (S 66 ff/Bd. II).
In Wahrheit bekämpft der Angeklagte mit seinen bisher erörterten Ausführungen in der Mängelrüge insgesamt lediglich die schöffengerichtliche Beweiswürdigung, die jedoch - nach wie vor - einer Anfechtung vor dem Obersten Gerichtshof entzogen ist; ein formaler Begründungsmangel in Ansehung entscheidungswesentlicher Konstatierungen wird damit nicht dargetan.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat der Schöffensenat aber auch die vom Angeklagten bei dem gegenständlichen Vorfall (selbst) erlittenen Verletzungen, insbesondere auch die Verbrühungen im Gesicht erörtert, wobei er insoweit den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Oberarzt Dr. S***** gefolgt ist (US 8, 15, 16). Die in diesem Zusammenhang behauptete Unvollständigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen liegt demnach gleichfalls nicht vor.
In Ansehung der Urteilskonstatierung schließlich, wonach Johann G***** und Reinhard G***** am 4.Juni 1986 "schon früher schlafen gegangen" sind, während Alfred K***** "mit den Wirtsleuten noch sitzen blieb" (US 20, 21), ist der Beschwerde zwar einzuräumen, daß diese Feststellung aktenfremd ist (S 165, 187, 188/Bd. II). Ihr kommt jedoch schon deshalb keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil das Schöffengericht die Urteilskonstatierung, daß G***** am 5.Juni 1986 nicht alkoholisiert war (US 21), formal mängelfrei auf die Angaben des Zeugen K***** (S 166/Bd. II), M***** (S 173/Bd. II) und Reinhard G***** (S 188/Bd. II) gestützt hat, die bei Johann G***** keine Anzeichen einer Alkoholisierung beobachten konnten.
Mit dem Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a), das sich im wesentlichen in einer Wiederholung der in der Mängelrüge erhobenen Einwände erschöpft, werden gleichfalls keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufgezeigt. Es wird vielmehr der Sache nach abermals nur die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes bekämpft, wobei jene Erwägungen, auf die das Schöffengericht seine diesbezüglich gewonnene Überzeugung gestützt hat, mit Stillschweigen übergangen werden. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang ins Treffen führt, der Sachverständige Dr. LEINZINGER habe in unzulässiger Weise in die dem Schöffensenat vorbehaltene Beweiswürdigung eingegriffen, so übersieht sie, daß der Sachverständige ausgehend von den vorliegenden Befunden über die vom Angeklagten erlittenen Verletzungen bloß pflichtgemäß "aus medizinischer Sicht" (S 195/Bd. II) auch die Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe die eigenen Verletzungen im Zuge einer Hilfeleistung erlitten, mit den unter Heranziehung seines spezifischen Fachwissens gewonnenen objektiven Erkenntnissen in Relation gesetzt hat (S 193 ff/Bd. II). Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist dem Urteil eine mit den aktenkundigen Verfahrensergebnissen angeblich in Widerspruch stehende Feststellung, derzufolge die Verbrühungen des Angeklagten "nicht zwangsweise den Schluß nahelegen, daß er mit diesen Körperteilen mit dem Heißwasser direkt zumindest ein bis zwei Sekunden in Berührung kam", nicht zu entnehmen (vgl. US 16). Damit ist aber die darauf abstellende, im wesentlichen nur seine Verantwortung wiedergebende Argumentation (S 273, 274/Bd. II) - die das Gutachten des Sachverständigen Dr. LEINZINGER zudem insoweit unrichtig wiedergibt, als dieser einen intensiven Kontakt von einiger Dauer aller betroffenen Körperpartien mit dem Heißwasser nur für den Fall unterstellt hat, daß es im Gesicht des Beschwerdeführers tatsächlich zu einer (nicht konstatierten) Blasenbildung gekommen ist (S 196, 197/Bd./II) - einer sachbezogenen Erörterung nicht zugänglich.
Die Rechtsrügen schließlich gehen nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt aus. Das gilt zunächst für die Rüge aus der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO, in der behauptet wird, das Urteil enthalte keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Mag zwar die Formulierung, daß der Angeklagte mit "Mißhandlungsabsicht im Sinn des § 83 Abs. 2 StGB" vorgegangen ist (US 23) und daß sich "zweifelsfrei eine Mißhandlungsabsicht des Angeklagten zumindest mit bedingtem Vorsatz ergibt" (US 24), nicht sehr glücklich gewählt worden sein, so lassen die Urteilsgründe doch - liest man alles zusammen - keine Zweifel daran, daß das Schöffengericht von einem Vorgehen des Angeklagten mit (jedenfalls bedingtem) Mißhandlungsvorsatz ausging, indem es mit hinlänglicher Deutlichkeit zum Ausdruck brachte, daß der Angeklagte bei seinem (neuerlichen) Angriff den bereits wehrlos am Boden liegenden Johann G***** mißhandeln wollte, "zumindest" aber (US 24) eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens des Genannten ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand.
Die Beschwerde geht aber auch bei dem weiteren Einwand, es fehle an der für die Zurechnung der Todesfolge erforderlichen Fahrlässigkeit, nicht vom Urteilssachverhalt aus. Denn zur Vorhersehbarkeit des (tödlichen) Erfolges - wobei die Prüfung der Fahrlässigkeitsfrage (wie bei allen erfolgsqualifizierten Delikten) angesichts des Umstands, daß die (vorsätzliche) Verwirklichung des Grundtatbestandes die (objektive und subjektive) Sorgfaltswidrigkeit in bezug auf die qualifizierende Tatfolge regelmäßig in sich schließt, auf die Beurteilung der Vorhersehbarkeit des (tödlichen) Erfolges beschränkt bleiben kann (Leukauf-Steininger Komm.2 § 86 RN 6 mwN) - hat das Schöffengericht ausdrücklich festgestellt, daß der Angeklagte, als er auf den mit dem Kopf in unmittelbarer Nähe des Heißwasserbeckens zu liegen gekommenen Johann G***** losging (US 7, 13), die Örtlichkeit des Raufhandels kannte, auf Grund seiner monatelangen Arbeitsverrichtungen in unmittelbarer Nähe wußte, daß das nicht abgedeckte Becken immer mit Heißwasser gefüllt war (US 6, 24) und daß ihm auch aus seiner langjährigen Berufserfahrung "selbstverständlich" bekannt war, daß der Aufenthalt in einem mindestens 70 Grad heißem Wasser lebensgefährlich ist und auch zum Tod führen" kann (US 24). Indem die Beschwerde die bezüglichen Urteilsannahmen, wonach die eingetretene (Todes-)Folge keineswegs atypisch war und der Angeklagte auch nach seinen persönlichen Verhältnissen durchaus in der Lage gewesen ist, eine solche Enwicklung, nämlich die besonderen Folgen seiner Tat (im zuvor aufgezeigten Sinn) vorherzusehen, übergeht, bringt sie die Rechtsrüge nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Gleiches gilt schließlich für den auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b bzw. 10 StPO gestützten Beschwerdeeinwand, das Erstgericht hätte auch "zur Frage der Putativnotwehr im Sinn des § 8 StGB Stellung nehmen müssen"; hat doch der Schöffensenat unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer nach der (für ihn erfolgreichen) Beendigung einer (zunächst) möglicherweise von Johann G***** ausgelösten tätlichen Auseinandersetzung den bereits wehrlos am Boden liegenden Widersacher neuerlich angegriffen und solcherart in einen (weiteren) Raufhandel verwickelt hat (US 7, 13, 19, 21), mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß das Beweisverfahren in der hier interessierenden Phase des Tatgeschehens auch für eine (bloß) vermeintliche Notwehrausübung durch den Beschwerdeführer keinerlei Anhaltspunkte ergab. Auf diese Weise sucht der Beschwerdeführer abermals nicht, so wie es das Gesetz für die Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe fordert, einen Rechts- bzw. Subsumtionsirrtum aus dem Vergleich des (gesamten) urteilsmäßig als erwiesen angenommenen (relevanten) Sachverhalts abzuleiten; er rollt vielmehr in Wahrheit neuerlich die Tatfrage auf, greift dabei faktisch auf die formalen Einwände zurück und bemüht sich - abermals ohne Dartuung von Begründungsmängeln - der Sache nach unter Umwertung der vom Erstgericht herangezogenen Beweisergebnisse Rückschlüsse auf die Richtigkeit seiner im Urteil (als Schutzbehauptung) abgelehnten Verantwortung zu ziehen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen; daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gemäß § 285 i StPO der Gerichtshof zweiter Instanz berufen ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)