OGH 3Ob571/91

OGH3Ob571/9113.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Walter W*****, vertreten durch Dr.Katharina Rueprecht, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Alfred I*****, vertreten durch die Sachwalterin Dr.Ingeborg Reuterer, Rechtsanwältin, Friedrichstraße 2, 1010 Wien, wegen Räumung der Wohnung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16.Mai 1991, GZ 41 R 296/91-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 7. November 1990, GZ 3 C 125/90w-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.175,36 (darin S 362,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dem Beklagten, der am 23.Feber 1979 wegen seiner Geistesschwäche beschränkt entmündigt worden war, wurde am 25.Jänner 1985 ein neuer Sachwalter bestellt und mit der Besorgung der Angelegenheiten des Verkehrs mit Ämtern und Behörden und der Pensionsversicherung sowie der Vermögensverwaltung betraut (§ 273 Abs 3 Z 2 ABGB).

Der durch diesen Sachwalter vertretene Beklagte mietete vom Kläger im Haus ***** in 1110 Wien die Wohnung 28 für die Zeit vom 1. September 1988 auf die Dauer eines Jahres. In dem pflegschaftsbehördlich genehmigten Mietvertrag ist schriftlich vereinbart worden, daß das Hauptmietverhältnis durch den Ablauf der bedungenen Zeit mit dem 31.August 1989 ohne Kündigung erlischt (§ 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG).

Schon vor dem 31.August 1989 wandte sich der Kläger an den Sachwalter, weil es im Zusammenwohnen mit anderen Hausbewohnern zu Unzukömmlichkeiten gekommen war. Der Vermieter erklärte, zu einer Verlängerung des Mietverhältnisses nicht bereit zu sein, und ließ keinen Zweifel daran, daß er auf der Räumung der Wohnung bestehe. Der Sachwalter sagte dem Vermieter zu, sich um eine andere Wohnmöglichkeit für den Beklagten umzusehen. Er ersuchte den Vermieter, vorläufig keine Räumungsklage einzubringen. Darüber gab es auch im September und im Oktober 1989 mehrere Gespräche. Der Kläger bestand auf der Räumung, gewährte aber dem Sachwalter etwas Zeit für seine Suche nach einer anderen Wohnmöglichkeit für den Beklagten.

Die Sekretärin des Klägers hatte dem Sachwalter jeweils vierteljährlich Zahlscheine für die Entrichtung des monatlichen Mietzinses übermittelt, so auch für die Monate, Juli, August und September 1989 mit der Angabe des Verwendungszweckes "H*****gasse top 28 - Miete für ...". Ab Oktober 1989 schrieb der Kläger dem Beklagten den Betrag als Benützungsentgelt vor.

Der Sachwalter hatte am 11.September 1989 wegen seiner praktischen Erblindung um Enthebung vom Amt ersucht. Mit Beschluß vom 11.Dezember 1989 wurde der bisherige Sachwalter enthoben und eine neue Sachwalterin unter Beibehaltung der Kreise der zu besorgenden Angelegenheiten bestellt.

Am 16.Jänner 1990 brachte der Kläger die Räumungsklage gegen den Beklagten ein, der sich nach Auflösung des Mietverhältnisses durch Zeitablauf weigere, die Wohnung zu räumen. Das Versäumungsurteil vom 30.Jänner 1990 wurde über den von der neuen Sachwalterin erhobenen Widerspruch mit Beschluß vom 25.September 1990 aufgehoben.

Der Beklagte trat dem Räumungsbegehren entgegen. Das ursprünglich befristete Mietverhältnis sei stillschweigend verlängert worden. Der Mietvertrag sei auch dadurch auf unbestimmte Zeit verlängert, daß der Vermieter den als Mietzins für den Monat September 1989 entrichteten Betrag unbeanstandet angenommen habe.

Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Räumung der Wohnung.

Es kam auf Grund der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis seiner rechtlichen Beurteilung, daß zwischen den Prozeßparteien ein zulässig auf ein Jahr befristetes Hauptmietverhältnis bestanden hatte, das mit Ablauf des 31.August 1989 ohne Kündigung erloschen sei. Weder ausdrücklich noch durch Stillschweigen sei eine Verlängerung des Mietverhältnisses erfolgt, weil der Vermieter den Sachwalter des Mieters schon vor Ablauf der Zeit, aber auch mehrfach danach zur Räumung der Wohnung aufgefordert und keinen Zweifel gelassen habe, daß er darauf bestehe. Die Vorschreibung von "Mietzins" auch für September 1989 sei ein bloßes Versehen. In der Folge habe der Kläger nur mehr Benützungsentgelt gefordert und erhalten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Eine stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrages mit bedingtem Endtermin setze voraus, daß der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen und zu benützen, und es der Bestandnehmer dabei bewenden läßt (§ 1114 Satz 3 ABGB). Nach § 569 ZPO sei in diesem Fall der Bestandvertrag, der durch Ablauf der Zeit erlösche, nur dann als stillschweigend erneuert anzusehen, wenn binnen vierzehn Tagen nach Ablauf der Bestandzeit weder vom Bestandgeber eine Klage auf Zurückstellung, noch vom Bestandnehmer auf Zurücknahme des Bestandgegenstandes erhoben wird. Die Verlängerung des Bestandverhältnisses werde auch durch die unzweideutige Willensäußerung, den Vertrag nicht fortsetzen zu wollen, verhindert, wenn diese Erklärung nach der Beendigung des Bestandvertrages innerhalb von vierzehn Tagen ergehe. Der Vermieter habe zwar vor Ablauf der Vertragszeit zweifelsfrei erklärt, keinen neuen Mietvertrag abschließen und das Mietverhältnis nicht erneuern zu wollen, doch stehe nicht fest, daß die weiteren mehrfachen Erklärungen vor Ablauf der vierzehn Tage nach Auflösung des Vertrages abgegeben wurden, weil der genaue Zeitpunkt der weiteren Gespräche im September und Oktober 1989 nicht festgestellt werden konnte. Da aber der Beklagte durch seinen Sachwalter zugesagt hatte, sich um eine andere Wohnung umzusehen, wußte, daß es zu einer Erneuerung oder Verlängerung des Mietverhältnisses nicht komme, und nur ersuchte, vorläufig von der Einbringung der Räumungsklage abzusehen, sei es nicht zu einer stillschweigenden Verlängerung des Bestandverhältnisses gekommen. Der gesetzlichen Vermutung der Erneuerung des Bestandvertrages stehe das Verhalten beider Teile entgegen. Der Beklagte habe die Wohnung nach dem Ende der Bestandzeit nicht in der Absicht benützt, eine Erneuerung des Vertrages zu erreichen, sondern schon vor dem 31.August 1989 und fortlaufend sowohl in den nächsten zwei Wochen als auch später durch seinen Sachwalter ausdrücklich erklärt, die Wohnung nur mehr vorübergehend weiter zu bewohnen, um eine andere Unterkunft finden zu können. Der Kläger habe durch sein Verhalten eine Erneuerung des Mietverhältnisses verhindert, weil er auch in der Zeit vom 1.September 1989 bis zum 14.September 1989 auf Grund der Willenserklärung des Beklagten davon ausgehen durfte, daß der Bestandvertrag aufgelöst war und nicht erneuert wurde. Dies sei Wille beider Teile gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist wegen der Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage der Beendigung des Zeitmietvertrages zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Beklagte hält an seiner Ansicht fest, es sei zu einer stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses gekommen, weil er auch für September 1989 "Mietzins" bezahlt und der Vermieter nach dem Ablauf der Bestandzeit mit dem 31.August 1989 keine "Kündigung" ausgesprochen und erst verspätet auf Räumung geklagt habe.

Der Mietvertrag wird durch den Zeitablauf aufgelöst, wenn in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung schriftlich vereinbart worden ist, daß er durch den Verlauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt (§ 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG). Die festgestellte Vereinbarung entspricht auch, vom Beklagten unwidersprochen, diesen Voraussetzungen eines durchsetzbaren Endtermines des Mietverhältnisses, die grundsätzlich mit dem Ablauf des 31. August 1989 zur Auflösung des Mietvertrages führte. Nach § 1413 ABGB erlischt der Bestandvertrag auch durch den Verlauf der Zeit, welcher ausdrücklich (oder stillschweigend) bedungen worden ist. Der Bestandvertrag kann aber nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend erneuert werden. Ist keine Aufkündigung bedungen worden, so geschieht eine stillschweigende Erneuerung, wenn der Bestandnehmer nach Ablauf der Bestandzeit die Sache weiter gebraucht oder nützt und es der Bestandgeber dabei bewenden läßt § 1114 ABGB). Die Vermutung der Eneuerung des Bestandvertrages ist durch den erkennbar geäußerten gegenteiligen Willen widerlegbar (Würth in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1114; MietSlg 31.209; JBl 1987, 659; MietSlg 40.162 uva).

Es wurde allerdings verlangt, daß diese erklärte Absicht in der nach Ablauf der Bestandzeit gesetzten Frist des § 569 ZPO - der eine Erneuerung des Bestandvertrages iSd § 1114 Satz 3 ABGB ausschließt, wenn binnen vierzehn Tagen nach Verlauf der Bestandzeit die Räumungsklage erhoben wird - geäußert wird (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 5 zu § 29 MRG; Böhm-Schuster in Krejci, HBzMRG 478; EvBl 1982/130; JBl 1987, 659 mit Anm Böhm). Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß der Vermieter zwar vor Ablauf der Mietzeit dem Sachwalter des Mieters erklärte, mit einer Erneuerung des Mietverhältnisses keinesfalls einverstanden zu sein, daß aber eine Wiederholung dieser Erklärung innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Ablauf der Vertragszeit nicht erwiesen ist, weil die weiteren diesbezüglichen Gespräche zur Erwirkung der Übergabe der geräumten Wohnung durch den Beklagten auch erst nach dem 14.September 1989 stattgefunden haben können.

In dem zu 1 Ob 698/89 entschiedenen Fall lag die Betonung darauf, daß die Rechtsvermutung, die sich aus § 29 Abs 3 MRG, § 1114 Satz 3 ABGB und § 569 ZPO ergibt, durch jeden Vorgang widerlegt wird, mit dem ein Vertragsteil innerhalb von vierzehn Tagen nach Ablauf der Bestandzeit unzweideutig seinen Willen zum Ausdruck bringt, den Vertrag nicht fortzusetzen. Der Wille, die Erneuerung des Vertrages zu verhindern, muß durch für den anderen Vertragsteil deutlich erfaßbare Erklärungen oder sonstige Schritte, die objektiv keinen Zweifel an der Ablehnung der Vertragserneuerung und der Entschlossenheit, die Erneuerung notfalls mit den durch die Rechtsordnung verfügbaren Mitteln zu verhindern, zum Ausdruck gelangen (Fasching IV 676; MietSlg 39.407; 1 Ob 698/89).

War in 1 Ob 698/89 der Mieter nach Ablauf der zulässig auf nicht mehr als ein Jahr begrenzten Mietdauer wegen einer Vertragsverlängerung an den Vermieter herangetreten und hatte dieser sofort klar gemacht, daß eine Verlängerung nicht in Frage komme, aber sich bereit gefunden, einen Räumungsvergleich mit einer längeren Frist abzuschließen, so hatte der den Beklagten in den Angelegenheiten der Vermögensverwaltung vertretende Sachwalter stets zu erkennen gegeben, daß er die Beendigung des Mietverhältnisses mit dem 31.August 1989 anerkennt, und ausdrücklich um ein kurzfristiges Zuwarten mit einer Räumungsklage gebeten, um für den Beklagten, der durch sein Verhalten in der Hausgemeinschaft Schwierigkeiten bereitete, eine die Heimunterbringung vermeidende Wohnungsssuche zu ermöglichen. Dies käme, wenn der Mietvertrag nicht ohnedies durch Zeitablauf erloschen wäre, einer einvernehmlichen Auflösung des Mietverhältnisses gleich, die durch die Einschränkungen des MRG nicht ausgeschlossen ist (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 33 zu § 29 MRG).

Wenn der Kläger sich daher auf Grund der Zusage des durch den Sachwalter vertretenen Beklagten, die Wohnung zu räumen, sobald eine andere Unterkunft beschafft wurde, zu einem kurzfristigen Zuwarten mit der Räumungsklage bereit fand, stets dem anderen Teil erkennen ließ, daß eine Erneuerung des Vertrages nicht in Frage komme, ud der Beklagte auch nicht damit rechnen konnte, der Kläger lasse es dabei bewenden, daß er weiter die Wohnung als Mieter gebraucht, und schließlich mit einer Verzögerung von etwa vier Monaten die Klage auf Räumung erhoben wurde, so ist die Rechtsvermutung, es sei zu einer stillschweigenden Erneuerung des Vertrages gekommen, weil die Klage nicht in der Frist des § 569 ZPO erhoben worden ist, widerlegt. Es würde geradezu das dem Beklagten gegenüber auf das Ersuchen seines Sachwalters gezeigte Entgegenkommen bestraft, wollte man darauf dringen, daß der Kläger entweder schon vor Ablauf der Bestandzeit einen gerichtlichen Auftrag zur Übergabe des Mietgegenstandes zu erwirken oder bis zum 14.September 1989 die Räumungsklage zu erheben hatte, um die Vertragserneuerung abzuwenden. Da der Sachwalter den Räumungsanspruch anerkannt und nur gebeten hatte, mit der gerichtlichen Durchsetzung etwas zuzuwarten, konnte der Kläger auch darauf vertrauen, daß die Wohnung in angemessener Frist - die auch durch Erhebung der Räumungsklage nicht abgekürzt worden wäre (inzwischen benützt der Beklagte den Mietgegenstand schon mehr als zwei Jahre nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit) - vom Beklagten geräumt wird. Wenn er bei den besonderen sozialen Verhältnissen bereit war, nicht sogleich gerichtliche Schritte zu setzen, darf ihm dies nicht zum Nachteil gereichen.

Eine Erneuerung des Vertragsverhältnisses ist daher nicht eingetreten. Die Annahme der Zahlung für September 1989 kann bei ausdrücklich dem Sachwalter gegenüber geäußerter Ablehnung jeder Vertragserneuerung nicht im Sinne eines konkludenten Mietvertragsabschlusses gedeutet werden. Da der Beklagte die Wohnung seit dem 1.September 1989 titellos benützt, besteht der Räumungsanspruch auch des Minderheitseigentümers zu Recht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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