OGH 5Ob109/91

OGH5Ob109/9112.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Maria H***** Wien, E*****gasse 9/5, vertreten durch Dr.Josef Unterweger, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Ingeborg P***** und 2. Erhard P*****, beide ***** Wien, E*****gasse 9/16, beide vertreten durch Dr.Hildegard Hartung, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 1 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 31.Mai 1991, GZ 41 R 137/91-26, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 29.November 1990, GZ 4 MSch 13/88-20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat die Zulässigkeit des Revisionsrekurses mit der Begründung ausgesprochen, daß vom Obersten Gerichtshof zu klären sei, ob der in § 37 Abs 1 Z 1 MRG für die Anerkennung als Hauptmieter vorgesehene außerstreitige Rechtsweg auch dann zur Verfügung steht, wenn durch die Vorspiegelung eines Hauptmietvertrages ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt werden sollte. Es liegen jedoch bereits höchstgerichtliche Entscheidungen vor, die in das Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG auch jene Tatbestände einbeziehen, die dem Scheinuntermieter schon vor Inkrafttreten des MRG einen Anspruch auf Durchsetzung von Hauptmietrechten nach § 916 ABGB verschafft hätten (WoBl 1988, 110 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Würth; MietSlg 40.244; siehe auch Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 9 zu § 2 MRG). Hier haben die Vorinstanzen den "Hauptmietvertrag", den die Antragsgegner am 1.12.1980 abgeschlossen haben, als nichtiges Scheingeschäft iS des § 916 ABGB qualifiziert, sodaß die strittige Angelegenheit in den bereits definierten Anwendungsbereich des § 37 Abs 1 Z 1 MRG fällt. Der in einem Klammerzitat enthaltene Hinweis auf § 2 Abs 3 MRG steht dem nicht entgegen, weil dieser Tatbestand neben den eigentlichen Umgehungsgeschäften auch alle jene Rechtsgeschäfte erfassen sollte, in denen einem Strohmann die Stellung eines Untervermieters verschafft wurde (MietSlg 35/18; MietSlg 38/37).

Die vom Rekursgericht offensichtlich ins Auge gefaßte Unterscheidung zwischen absolutem und verdeckendem Scheingeschäft (siehe dazu Koziol-Welser I8, 115) ist ohne Belang, weil sich die Judikatur zum MG ohnehin auf beide bezog (vgl MietSlg 1300/53; MietSlg 16.492; 5 Ob 108/91). § 2 Abs 3 MRG erweiterte den Rechtschutz des Untermieters nur insoweit, als auch effektiv gewollte Umgehungsgeschäfte immer schon dann unwirksam sind, wenn sie - wenigstens von einem der Vertragspartner (MietSlg 38/37; MietSlg 40.238; 3 Ob 552/91) - nur zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte geschlossen wurden. Lediglich zu dieser erweiterten Möglichkeit des formellen Untermieters, als Hauptmieter mit gesetzlichen Rechten und Pflichten anerkannt zu werden, sind Judikaturdifferenzen aufgebrochen, deren Klärung von grundsätzlicher Bedeutung wäre (siehe WoBl 1988, 110 mit Anm von Call und Würth sowie WoBl 1989, 136 mit Anm von Hanel und 8 Ob 502/91 versus WoBl 1990, 73 mit Anm von Hanel und 3 Ob 552/91), doch erübrigt sich hier eine Stellungnahme, wenn keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Annahme der Vorinstanzen sprechen, der von den Antragsgegnern abgeschlossene "Hauptmietvertrag" sei ein nichtiges Scheingeschäft gewesen.

Auch in diesem Punkt ist keine iS des § 528 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage zu erkennen, insbesondere nicht das von den Rechtsmittelwerbern behauptete Abweichen der Vorinstanzen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes.

Den Rechtsmittelwerbern ist zuzugeben, daß die fehlende Absicht des "Hauptmieters", das Bestandobjekt in absehbarer Zeit selbst zu bewohnen oder sonst für eigene Bedürfnisse zu verwenden, nicht unbedingt für ein Scheingeschäft spricht, weil keine Verpflichtung zum Gebrauch besteht (MietSlg 33.106) und ein Hauptmietvertrag gültig auch nur zur Untervermietung abgeschlossen werden kann (3 Ob 552/91). Darauf (oder zumindest nicht allein darauf) wurde jedoch die Annahme eines Scheingeschäfts gar nicht gestützt.

Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn sich der Erklärende und der Erklärungsempfänger darüber einig sind, daß das Erklärte nicht gelten soll, wenn also die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen jedoch nicht eintreten lassen wollen (RZ 1991/7 ua; vgl auch JBl 1991, 397 und 7 Ob 611/90). Nach den hier maßgeblichen Feststellungen wollte die Erstantragsgegnerin die im Mai oder Juni 1980 frei gewordene Wohnung Nr. 5 ihres Hauses nicht leerstehen lassen, weil sie die Mieteinnahmen für ihren und ihrer Kinder Unterhalt benötigte. Andererseits wollte sie die Wohnung für ihren damals 18 Jahre alten Sohn als mögliche spätere Anwaltskanzlei freihalten und fürchtete, einen Hauptmieter nicht mehr aus der Wohnung zu bekommen. Sie schloß daher am 1.12.1980 mit ihrem Sohn (dem Zweitantragsgegner) den gegenständlichen Hauptmietvertrag und in weiterer Folge schon im Jänner 1981 den ersten "Untermietvertrag". Der erste - zunächst mit einem Jahr befristete - "Wohnungsuntermietvertrag" mit der Antragstellerin vom 1.9.1986 nannte die Erstantragsgegnerin als Vermieterin; lediglich den zweiten "Untermietvertrag" vom 1.9.1987 unterfertigte sie - ohne die Antragstellerin darauf aufmerksam zu machen - in Vertretung ihres Sohnes. Die Mieten hat immer die Erstantragstellerin vereinnahmt und für ihren sowie ihrer Kinder Unterhalt verwendet, ohne jemals mit dem Antragsgegner zu verrechnen. Über Mietzinszahlungen des Zweitantragsgegners an die Erstantragsgegnerin hat das Verfahren keinerlei Hinweise erbracht.

Bei dieser Sachlage kann in der Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Hauptmietvertrag vom 1.12.1980 sei ein gemäß § 916 Abs 1 ABGB nichtiges Scheingeschäft, weil die Antragsgegner nicht beabsichtigt hätten, die Rechtswirkungen eines Bestandvertrages herbeizuführen, der Sohn sei vielmehr nur Strohmann der Mutter gewesen, kein im Interesse der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung korrekturbedürftiger Fehler gefunden werden. Zur Annahme eines Bestandvertrages fehlt es am begriffsnotwendigen Merkmal der Entgeltlichkeit, aber auch an der typischen Nutzung des Bestandobjektes durch den Bestandnehmer, da nicht einmal die Einnahmen aus der Untervermietung dem "Hauptmieter", sondern der Hauseigentümerin zugeflossen sind. Dieser totale Verzicht des Zweitantragsgegners auf eine Eigennutzung des Bestandobjekts schließt auch andere Rechtsformen einer Gebrauchsüberlassung (etwa die Einräumung eines Fruchtgenusses oder Gebrauchsrechtes an der Wohnung) aus. Selbst nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des MRG hätte daher der festgestellte Sachverhalt dazu geführt, die Antragstellerin im Hinblick auf die Nichtigkeit des von den Antragsgegnern nur zum Schein abgeschlossenen Hauptmietvertrages als Hauptmieterin zu behandeln.

Bemerkt sei noch, daß die Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin verspätet ist. Da ihr der Revisionsrekurs am 21.8.1991 zugestellt wurde, wäre nämlich die vierwöchige Frist des § 37 Abs 3 Z 17 lit d MRG am 18.9.1991 abgelaufen (die Revisionsrekursbeantwortung wurde erst am 19.9.1991 zur Post gegeben). Die Vorschriften der Zivlprozeßordnung über die Gerichtsferien finden auf Angelegenheiten des außerstreitigen Verfahrens (hier auf das Verfahren nach § 37 Abs 3 MRG, das insoweit keine Ausnahme kennt) gemäß Art XXXVI EGZPO keine Anwendung.

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