OGH 1Ob514/91

OGH1Ob514/9130.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Ltd., ***** London, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Dr. Ernst Zauner und Dr. Anton Frank, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei "N*****" ***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 290.958,80 s.A. infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9. Oktober 1990, GZ 4 R 167/90-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 31. März 1990, GZ 4 Cg 143/89-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Nur dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 56.137,-- (einschließlich S 7.689,50 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei entwickelt und erzeugt Spezialbagger. Um diese Produkte auf den englischen Markt zu bringen, knüpfte der Vertriebsfachmann der beklagten Partei Dr. Georges S***** Kontakte zu Ing. Hermann B*****, der diesen Markt im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kunststoffmaschinen kannte. Am 3.9.1987 wurde vereinbart, daß die - damals in Gründung

befindliche - klagende Partei die Vertretung für den Vertrieb der Spezialbagger der beklagten Partei im Vertragsgebiet Vereinigtes Königreich und Irland übernehmen sollte. Die klagende Partei sollte eine Werbekampagne starten, ein Vorstellungsschreiben der beklagten Partei samt Prospekt an potentielle Kunden versenden und insbesondere einen ansässigen Generalimporteur für das Vereinigte Königreich und Irland ausfindig machen. Die klagende Partei wurde am 14.9.1987 gegründet. Sie ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren (2000)-Anteile Gustav L***** (1999) und Ing. Hermann B***** (1 Anteil) übernahmen. Letzterer war im Innen- wie im Außenverhältnis voll vertretungsberechtigt. Zwischen ihm und der klagenden Partei war vereinbart, daß er als selbständiger Handelsvertreter für die klagende Partei die Akquisition und den Vertrieb der Spezialbagger der beklagten Partei im Vereinigten Königreich und Irland durchführen und dafür 70 % der der klagenden Partei zustehenden Provision erhalten solle. Die klagende Partei machte der beklagten Partei unter anderem als Generalimporteur die C***** Ltd. namhaft. Als Folge der Vertragsverhandlungen zwischen dieser Gesellschaft und der beklagten Partei schlossen die Streitteile am 9.5.1988 eine schriftliche Vereinbarung (Beilage ./F) mit folgendem wesentlichen Inhalt: Ab und für die Zeit der Wirksamkeit des zwischen der beklagten Partei und C***** Ltd. abzuschließenden Generalimporteurvertrages sollte die klagende Partei für alle gelieferten Geräte (mit Ausnahme von Ersatzteillieferungen) 3 % Provision, gerechnet von den Nettoverkaufspreisen, welche C***** Ltd. tatsächlich bezahlt, fällig binnen einem Monat ab Eingang des Rechnungsbetrages, erhalten (Punkte 8, 2 und 3 des Vertrages); die klagende Partei sollte als Bindeglied zwischen der beklagten Partei und C***** Ltd. fungieren, den Markt beobachten und Marktveränderungen an die beklagte Partei mitteilen (Punkt 6); die klagende Partei unterliegt einem Konkurrenzverbot im Vertragsgebiet Vereinigtes Königreich und Irland für Konkurrenzware oder branchenähnliche Produkte (Pkt 7). Der Abschluß des Generalimporteurvertrages verzögerte sich bis September 1988. Vor seinem Wirksamwerden wurden 51 Spezialbagger von der beklagten Partei "nach England verkauft". 3 % der Nettoverkaufspreise ergeben - abzüglich einer erfolgten Teilzahlung - umgerechnet den Klagsbetrag. Von der beklagten Partei wurde auch für diese Geschäftsfälle die Zahlung der im Vertrag vom 9.5.1988 genannten 3 %igen Provision pro verkauftem Bagger zugesichert.

Die klagende Partei begehrt den Betrag von S 290.958,80 s.A. als ausständige Provision aus den abgewickelten Exportgeschäften über 51 Spezialbagger.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein: Die klagende Partei habe "in der Person des Ing. Hermann B*****" gegen das Konkurrenzverbot verstoßen, weil dieser am 8.7.1988 der C***** Ltd. den Vertrieb von Konkurrenzprodukten (der österreichischen Firma H***** GmbH, bei welcher der ehemalige Vertriebsleiter der beklagten Partei Dr. Georges S***** tätig sei) angeboten habe. Zwar habe die C***** Ltd. dieses Ansinnen abgelehnt, das Vertrauen zur klagenden Partei sei jedoch dadurch erschüttert worden, sodaß die klagende Partei den Provisionsanspruch verwirkt habe. Im übrigen sei der beklagten Partei durch das vertragswidrige Verhalten der klagenden Partei ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden, der aufrechnungsweise eingewendet werde. Außerdem sei der Generalimporteurvertrag im Zeitpunkt der klagsgegenständlichen Geschäftsfälle noch nicht wirksam gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte weiters fest, daß die beklagte Partei nach Bekanntwerden des angeblich konkurrenzverbotswidrigen Verhaltens des Ing. Hermann B***** vom 8.7.1988 jeden Kontakt zur klagenden Partei, insbesondere zu Ing. Hermann B*****, abgebrochen und einen neuen Mann mit den Aufgaben der klagenden Partei eingesetzt habe. Durch die Beendigung der Tätigkeit der klagenden Partei sei der beklagten Partei jedoch kein Schaden entstanden. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht zunächst von der Anwendung materiellen österreichischen Rechtes durch Unterwerfung der Parteien sowie davon aus, daß das in der Vereinbarung der Streitteile vom 9.5.1988 vereinbarte Konkurrenzverbot mangels Wirksamkeit dieser Vereinbarung im Zeitpunkt der Abwicklung der die vorliegenden Provisionsansprüche begründenden Geschäftsfälle über 51 Spezialbagger noch nicht abgegolten habe, sodaß das Klagebegehren gerechtfertigt sei. Jedenfalls aber sei die Provisionszahlung für diese Geschäfte - wie im Vertrag vom 9.5.1988 vorgesehen - von der beklagten Partei zugesagt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz hob infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichtes auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es ging unter Hinweis auf die in der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärte (bzw wiederholte) Rechtswahl der Parteien ebenfalls von der Anwendung materiellen österreichischen Rechtes aus. Nach den als unbedenklich übernommenen erstinstanzlichen Feststellungen sei von der beklagten Partei die hier geltend gemachte Provision von 3 % für die vor Wirksamwerden der Vereinbarung vom 9.5.1988 liegenden Geschäftsfälle zugesagt worden. Diese Ansprüche der klagenden Partei seien auch nicht zufolge der festgestellten Verhaltensweise des Ing. Hermann B***** und der daraus von der beklagten Partei gezogenen rechtlichen Konsequenzen verwirkt. Schadenersatzforderungen bestünden schon mangels (Feststellung) eines konkreten Schadens nicht. Im Rahmen der allseitigen rechtlichen Prüfung der Sache erweise sich jedoch das Verfahren noch nicht als spruchreif, weil die klagende Partei zur Fälligkeit ihrer Provisionsforderungen kein Vorbringen erstattet habe, diese Frage jedoch von Amts wegen im Lichte der (ausführlich dargelegten) rechtlichen Anknüpfungsmöglichkeiten und Beweislastfragen mit den Parteien erörtert werden müsse. Damit die Parteien vor überraschenden Rechtsansichten geschützt würden, bedürfe es der Aufhebung des Ersturteils.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richten sich die Rekurse beider Parteien. Nur der Rekurs der klagenden Partei ist gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht erachtete die Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichtes allein deshalb als notwendig, weil die Frage der Fälligkeit des geltend gemachten Provisionsanspruchs nicht erörtert worden sei. Die klagende Partei hätte es unterlassen, den Eintritt der Fälligkeit ihres Anspruchs zu behaupten und zu beweisen. Diesen Ausführungen kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs ist schon im Hinblick auf die ausdrückliche Rechtswahl der Streitteile nach österreichischem Recht zu beurteilen (§ 11 Abs. 2 IPRG). Die klagende Partei machte in der Klage geltend, daß ihr auf Grund einer mit der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung für die Vermittlung des Verkaufs von 51 Baggern eine Provision in Höhe des Klagsbetrages zustehe. Diesem Vorbringen kann ohne weiteres unterstellt werden, daß der geltend gemachte Anspruch nach Ansicht der klagenden Partei auch fällig sei. Das Fehlen einer solchen Behauptung gestaltet ihr Klagebegehren noch nicht als unschlüssig. Ein Vorbringen in dieser Richtung ist vor allem dann entbehrlich, wenn der Einwand mangelnder Fälligkeit nicht zu erwarten ist. Die beklagte Partei hat dem Klagebegehren nur entgegengehalten, daß sich die klagende Partei einer schwerwiegenden Vertragsverletzung (durch Fööderung des Vertriebs von Konkurrenzware) schuldig gemacht habe, was den Verlust des Provisionsanspruches rechtfertige (AS 8); weiters hat sie eine Gegenforderung aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes geltend gemacht, weil die klagende Partei Kunden der beklagten Partei "betreut" bzw "kontaktiert" habe (AS 8, 9). Daß ihr der Erlös aus dem Verkauf der 51 Bagger nicht zugekommen sei, wurde nicht behauptet. Auch in den Rechtsmitteln finden sich keine Ausführungen in dieser Richtung. Die anspruchsbegründende Tatsache der Fälligkeit, die im vorliegenden Fall der Klage daher unterstellt werden kann, ist somit als schlüssig zugestanden anzusehen, sodaß eine Verbreiterung der Tatsachengrundlage nicht erforderlich ist.

Das Berufungsgericht hat die vom Erstgericht getroffene Feststellung, daß die beklagte Partei mit der klagenden Partei vereinbarte, daß ein Anspruch auf die 3 %ige Provision auch für die vor dem Abschluß der erwähnten Vereinbarung vermittelten Verkaufsgeschäfte zusteht, ausdrücklich gebilligt. Von ihr ist im Revisionsverfahren auszugehen. Was die dagegen erhobenen Einwendungen der beklagten Partei betrifft, nämlich die Verwirkung des Provisionsanspruchs wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen diese Vereinbarung sowie den geltend gemachten Schadenersatzanspruch, so kann diesbezüglich auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

In Abänderung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses ist daher das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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