OGH 9ObS15/91

OGH9ObS15/9123.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Ing. Robert Eheim als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S***** R*****, Angestellter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ARBEITSAMT VERSICHERUNGSBEDIENSTETE, ***** vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 100.222,41 netto an Insolvenzausfallgeld (Revisionsstreitwert S 33.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Mai 1991, GZ 31 Rs 72/91-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2. Juli 1990, GZ 19 Cgs 1002/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unangefochten gebliebenen abweisenden Teiles insgesamt zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen weiteren Betrag von S 100.222,41 an Insolvenzausfallgeld zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz selbst zu tragen."

Die klagende Partei hat weiters die Revisionskosten selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. April 1984 bis 17. März 1985 als Geschäftsführer und sodann bis 31. August 1988 als Angestellter der R*****-W*****gesellschaft mbH beschäftigt. Mit am 3. November 1987 bei Gericht eingelangter Klage machte der Kläger Gehaltsrückstände von S 403.133,33 (am 1. Februar 1988 ausgedehnt auf S 448.300,12) für den Zeitraum vom 2. Halbjahr 1984 bis einschließlich erstes Halbjahr 1987 geltend. Mit gerichtlichem Vergleich vom 8. Juni 1988 wurde folgendes vereinbart:

"1.) Die Parteien lösen das Dienstverhältnis einvernehmlich zum 31. 8. 1988 auf.

2.) Die beklagte Partei verpflichtet sich, dem Kläger spätestens am 1. 7. 1988 folgende Beträge zu bezahlen:

  1. a) S 69.825,60 brutto (2 Monate Abfertigung)
  2. b) S 54.829,74 brutto (Urlaubsentschädigung für 35 Werktage Resturlaub)

    c) S 17.456,40 brutto (anteilige Sonderzahlungen Juni - August 1988)

  1. d) S 60.017,10 netto (Gehalt Juni - August 1988)
  2. e) Kostenbeitrag von S 33.000,-- (darin enthalten S 3.000,-- Umsatzsteuer) für die außergerichtliche Tätigkeit des Klagevertreters.

Für den Fall des Verzuges gelten 10 % Verzugszinsen als vereinbart.

3.) Mit diesem Vergleich sind alle Ansprüche zwischen den Streitteilen aus dem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen.

4.) Die beklagte Partei verzichtet auf das Recht, mit allfälligen anderen Ansprüchen der beklagten Partei gegen den Kläger gegen die unter Punkt 2) genannten Vergleichsbeträge aufzurechnen.

5.) Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von der klagenden Partei mit spätestens am 22. 6. 1988 bei Gericht einlangendem Schriftsatz widerrufen wird."

Der Vergleich wurde nicht widerrufen.

Am 23. Juni 1988 wurde über das Vermögen der R*****-W*****gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet.

Der Kläger begehrte fristgerecht für folgende Nettoansprüche Insolvenzausfallgeld:

1.) Gehalt (1. Juni bis 31. August 1988) S 60.017,10

2.) anteilige Sonderzahlungen

(1. Juni bis 31. August 1988) S 14.846,66

3.) Abfertigung (1. März 1984 bis

31. August 1988) S 65.636,06

4.) Urlaubsentschädigung für 35

Werktage S 51.539,96

5.) Prozeßkosten laut Vergleich S 33.000,--.

Mit am 3. April 1989 bei der beklagten Partei eingelangtem Schreiben machte der Kläger weiters Insolvenzausfallgeld für die tarifmäßigen Vertretungskosten auf der mit obigem Vergleich beendeten Arbeitsrechtssache auf Basis eines Streitwertes von S 403.133,33 bzw ab der Ausdehnung auf S 448.133,33 im Gesamtbetrag von S 52.898,35 geltend.

Mit Bescheid vom 4. April 1989 erkannte die beklagte Partei dem Kläger für die aus den Titeln Gehalt, anteilige Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung geltend gemachten Beträge von zusammen S 126.404,--, ferner mit Bescheid vom 17. Juli 1988 aus dem Titel Abfertigung einen Teilbetrag von S 51.312,-- an Insolvenzausfallgeld zu. Mit weiterem Bescheid vom 17. Juli 1989 lehnte die beklagte Partei bezüglich des weiteren Abfertigungsbetrages von S 14.324,06 sowie bezüglich der geltend gemachten Kosten von S 33.000,-- die Gewährung von Insolvenzausfallgeld ab. Schließlich wies die beklagte Partei mit Bescheid vom 18. Juli 1989 den Antrag des Klägers auf Insolvenzausfallgeld für die Kosten der Vertretung des Klägers in der obigen Arbeitsrechtssache im Betrage von S 52.898,35 als verspätet zurück.

Der Kläger begehrte die Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld im Gesamtbetrag von S 100.222,41. Da er mehr als drei Jahre als bloßer Angestellter der Gemeinschuldnerin tätig gewesen sei, habe der Kläger Anspruch auf die volle Abfertigung in Höhe zweier Monatsgehälter. Die tarifmäßigen Kosten der außergerichtlichen Vertretung des Klägers hätten sich im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits auf etwa S 130.000,-- belaufen; den Ersatz gerichtlicher Kosten habe die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers abgelehnt, weil der Vergleich etwa in halber Höhe der geltend gemachten Klagsforderung abgeschlossen worden sei. Versehentlich seien die tarifmäßigen Kosten des Einschreitens des Klagevertreters im obigen Verfahren nicht geltend gemacht worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte bezüglich des im Revisionsverfahren noch strittigen Anspruches vor, daß nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nur in einem gerichtlichen Verfahren zur Durchsetzung der gesicherten Ansprüche entstandene Kosten gesichert seien; diese Regel sei lediglich im Falle eines außergerichtlichen Vergleiches durchbrochen worden, weil ansonsten der Arbeitnehmer allein aufgrund des Umstandes, daß er eine außergerichtliche Einigung erzielt habe, im Kostenpunkt benachteiligt wäre. Im vorliegenden Fall sei aber ein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von S 33.000,-- statt, wies das Mehrbegehren ab und stellte fest, daß der Klagevertreter den Kläger im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Arbeitsverhältnis schon seit dem Jahre 1985 beraten habe, wobei der Großteil des Aufwandes auf Konferenzen mit dem Kläger entfallen sei. Der Klagevertreter habe dem Kläger für diese Tätigkeit, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 440.000,--, Honorar im Gesamtbetrag von S 91.482,60 (inklusive 10 % Umsatzsteuer) in Rechnung gestellt. Diese außergerichtliche Tätigkeit habe letztlich auch zum Abschluß des Vergleiches in der Arbeitsrechtssache geführt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß in der demonstrativen Aufzählung des § 1 Abs 2 Z 4 IESG auch außerhalb des Prozesses entstandene Kosten genannt seien und daher auch die gegenständlichen, der Vorbereitung des gerichtlichen Vergleiches dienenden und daher zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten gesichert seien.

Bezüglich der verspätet geltend gemachten Kosten lägen keine eine Nachsicht der Säumnis rechtfertigende Gründe vor. Die Abfertigung sei nur in dem Ausmaß gesichert, das dem Anteil der Angestelltentätigkeit an der insgesamt zurückgelegten Dienstzeit entspreche.

Das Berufungsgericht gab der nur von der beklagten Partei gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß daraus, daß in § 1 Abs 2 Z 4 lit e IESG nur die Kosten des außergerichtlichen Vergleiches oder Anerkenntnisses genannt seien, nicht der Schluß gezogen werden könne, daß in anderen Fällen außergerichtliche Kosten nicht gesichert seien. Es sei nicht einzusehen, daß jemand, dem es gelinge, einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Gegner abzuschließen, bessergestellt sein solle als jemand, der einen Vergleich erst nach Einbringung einer Klage zustande bringe. Im übrigen sei der Zuspruch der Kosten aber auch nach § 1 Abs 2 Z 4 lit d IESG gesichert, weil den Prozeßkosten vorprozessuale Kosten gleichzuhalten seien, sofern sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und nicht im Einheitssatz gedeckt seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 Abs 2 Z 4 IESG sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten gesichert. Sodann sind im Rahmen einer demonstrativen Aufzählung in lit a, b, c, d und f dieser Gesetzesstelle in verschiedenen gerichtlichen Verfahren entstandene Kosten genannt. Lediglich in lit e sind anläßlich eines außergerichtlichen Vergleiches oder Anerkenntnisses entstandene Barauslagen und Kosten genannt, ohne daß auf ein Gerichtsverfahren Bezug genommen wird. Diese Kosten werden aber gleichzeitig mit der in TP 2 RATG festgesetzten Höhe begrenzt. Diese durch die IESG-Novelle BGBl 395/1986 geschaffene Bestimmung sieht erstmals die Sicherung auch außergerichtlicher Kosten vor. Im Ausschuß für soziale Verwaltung wurden lit d und e des § 1 Abs 2 Z 4 IESG neu gefaßt und in lit d die Kosten eines einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich (oder Anerkenntnis) vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens genannt, wobei nur die Vergütung der tarifmäßigen Prozeßkosten vorgesehen ist. Nach dem Ausschußbericht (1061 BlgNR 16.GP) wurde die noch in der RV (993 BlgNR 16.GP) vorgesehene Begrenzung der Kosten im Fall sowohl eines gerichtlichen als auch eines außergerichtlichen Vergleiches mit dem Ansatz nach TP 2 RATG vom Ausschuß für den Fall eines vorangegangenen gerichtlichen Verfahrens verworfen, weil selbst ein außergerichtlicher Vergleich oder ein außergerichtliches Anerkenntnis meist während eines gerichtlichen Verfahrens geschlossen würden. In allen diesen Fällen habe der Rechtsvertreter Leistungen erbracht, die nicht nur nach TP 2 RATG, sondern auch nach TP 3 RATG zu entlohnen seien; eine Einschränkung aller dieser Leistungen auf TP 2 RATG wäre daher willkürlich und nicht sachgerecht. Wie bisher - nach der bis dahin geltenden Fassung des § 1 Abs 2 Z 4 lit d IESG waren Prozeßkosten, die dem Arbeitnehmer zur Durchsetzung seiner Ansprüche entstanden und mit rechtskräftigem gerichtlichen Vergleich zugesprochen waren, ohne Begrenzung gesichert - sollten daher die in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarten Prozeßkosten zu ersetzen sein, darüber hinaus aber auch die in einem außergerichtlichen Vergleich oder Anerkenntnis vereinbarten Prozeßkosten. Es sollte aber verhindert werden, daß die Prozeßkosten übertariflich verglichen werden. In § 1 Abs 2 Z 4 lit d IESG wurde daher der Ersatz der tarifmäßigen Prozeßkosten für die gerichtliche Durchsetzung der gesicherten Ansprüche vorgesehen, sofern sie aufgrund eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleiches oder Anerkenntnisses zustehen.

Lediglich für den außergerichtlichen Vergleich oder das

außergerichtliche Anerkenntnis - deren Honorierung im RATG nicht

geregelt ist - wurde eine Honorierung der damit verbundenen

außergerichtlichen Tätigkeit nach TP 2 RATG vorgesehen, wobei

einer Anregung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt wurde, der

die Berücksichtigung (auch) der Kosten des außergerichtlichen

Vergleiches begrüßte, um die Fortführung von Prozessen lediglich

wegen der Kosten hintanzuhalten, und der auch noch darauf

hinwies, daß das außergerichtliche Anerkenntnis in die neue

Regelung ebenfalls einzubeziehen wäre (EBzRV, 7). Nach dem AB, 2,

ist die Honorierung des außergerichtlichen Vergleiches nach TP 2

RATG sachgerecht, weil TP 2 RATG auch für gerichtliche

Tagsatzungen gilt, die bloß zum Zwecke des Vergleichsabschlusses

angeordnet werden. Dafür werde durch die vom Ausschuß vorgeschlagene Abänderung eine eigene Untergliederung (lit e) geschaffen.

Daraus ergibt sich aber, daß grundsätzlich nur Kosten eines

gerichtlichen Verfahrens zu ersetzen sind und nur die mit dem Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches oder Anerkenntnisses selbst verbundene außergerichtliche Tätigkeit ausnahmsweise ebenso honoriert werden sollte wie die beim Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches entfaltete Vertretungstätigkeit vor Gericht. Gleichzeitig ergibt sich aber aus der Regelung des § 1 Abs 2 Z 4 lit e IESG, daß die dem außergerichtlichen Vergleichsabschluß vorangegangene weitere außergerichtliche Tätigkeit jedenfalls mit dem gemäß § 23 RATG zu TP 2 RATG gebührenden Einheitssatz für Nebenleistungen abgegolten sein sollte; dasselbe muß wohl bei Orientierung an der vom Gesetzgeber beabsichtigten Gleichstellung von gerichtlichem und außergerichtlichem Vergleich auch für die einem gerichtlichen Vergleich vorangegangene außergerichtliche Tätigkeit gelten. Da der Kläger, der daneben auch noch für die Kosten des - im übrigen bis auf die Tagsatzung vom 8. Juni 1988 gar nicht die zuerkannten gesicherten Ansprüche betreffenden - gerichtlichen Verfahrens Insolvenzausfallgeld begehrte, mit dem noch strittigen Begehren ausschließlich Insolvenzausfallgeld für die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Abgeltung der außergerichtlichen Tätigkeit seines Rechtsvertreters geltend machte, und die Kosten der einem gerichtlichen Vergleich vorangegangenen außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwaltes nicht gesichert sind (eine allfällige außergerichtliche Tätigkeit ist mit dem Honorar für die Vertretung vor Gericht einschließlich Einheitssatz abgegolten), ist das Klagebegehren nicht berechtigt.

Der Revision der beklagten Partei war daher Folge zu geben.

Zu einem Zuspruch von Prozeßkosten an den Kläger nach Billigkeit (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG) besteht kein Anlaß.

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