OGH 5Ob99/91

OGH5Ob99/9122.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache der antragstellenden Vermieterin Gemeinnützige ***** Siedlungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, gegen die Mieter

1. Karl K*****, und 2. Stefanie K*****, beide ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen der Erhöhung der Erhaltungs- und Verbesserungsrückstellung nach dem § 14 Abs 3 und Abs 4 WGG, infolge Rekurses der antragstellenden Bauvereinigung gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 27. Juni 1991, GZ R 182/91-7, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 3. Jänner 1991, GZ Msch 147/90-3, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs an den Obersten Gerichtshof wird nicht Folge gegeben. Die Anträge der Parteien auf Zuspruch von Vertretungskosten im Verfahren über den Rekurs an den Obersten Gerichtshof werden abgewiesen.

Text

Begründung

Die Bauvereinigung als Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** der Katastralgemeinde *****, auf der sich unter anderem das Wohnhaus ***** mit zwei an die beiden Antragsgegner vermieteten Wohnungen befindet, beantragte am 30. November 1990 beim Erstgericht die Erhöhung des Betrages zur Bildung einer Rückstellung zur ordnungsmäßigen Erhaltung und für in absehbarer Zeit vorzunehmende nützliche Verbesserungen (§ 14 Abs 1 Z 5 WGG) von S 2,08 pro Quadratmeter Wohnnutzfläche um S 72,31 pro Quadratmeter Wohnnutzfläche für die Zeit vom 1. April 1991 bis zum 31. März 2001 vorbehaltlich der Endabrechnung, weil mit der im Entgelt enthaltenen Erhaltungs- und Verbesserungsrückstellung die Kosten der bevorstehenden Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten am Haus nicht gedeckt werden können. Das Vorbringen der Antragstellerin läßt erkennen, daß sie zur Deckung des Fehlbetrages eine Erhöhung der Erhaltungs- und Verbesserungsrückstellung nach § 14 Abs 2 WGG begehrt und vorerst die Grundsatzentscheidung (§ 14 Abs 3 WGG) und die vorläufige Erhöhung (§ 14 Abs 4 WGG) anstrebt (vgl 5 Ob 65/91). Die Antragstellerin ging von einem Gesamterfordernis von S 1,042.433,75 aus, worin unter anderem als Kosten S 7.142,86 für Fremdplanung, S 47.679,38 für 3 % Bauverwaltungs- und 2 % Bauaufsichtsaufwand sowie S 41.418,30 für Büroleistungen laut GOA eingerechnet sind.

Das Erstgericht verfügte die Zustellung einer Antragsgleichschrift zur allfälligen schriftlichen Äußerung binnen vierzehn Tagen mit dem Bemerken, daß bei nicht fristgerechter Äußerung angenommen werde, daß keine Einwendungen gegen den Antrag bestehen, und entschied nach fruchtlosem Ablauf der Frist mit Sachbeschluß, daß die bestimmt bezeichneten Arbeiten die Erhöhung der Rückstellung ab dem auf die Rechtskraft folgenden Monatsersten für zehn Jahre um S 72,31 pro Quadratmeter Wohnnutzfläche rechtfertigen.

Das Rekursgericht hob über den Rekurs des Erstantragsgegners diesen Sachbeschluß zur Gänze auf. Es trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wegen Fehlens einer einschlägigen Rechtsprechung zulässig sei. Verfahrensmängel lägen darin, daß die Einholung der Stellungnahme der für die Baulichkeit als Baubehörde zuständigen Gemeinde zu den Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten und den damit in Zusammenhang stehenden Fragen (§ 22 Abs 4 WGG und § 38 MRG) unterblieb und daß den Gegnern nur eine Antragsgleichschrift zugemittelt wurde, ihnen damit aber nicht in geeigneter Weise Umfang und voraussichtliche Kosten der beabsichtigten Arbeiten am Haus und die Baunebenkosten bekannt gegeben wurden. Auf das Verhältnis der Kosten für Fremdplanung, Bauverwaltung, Bauaufsicht und Büroleistungen zueinander, auf die gesetzlichen Voraussetzungen und auf die Angemessenheit der Kosten sei das Erstgericht nicht eingegangen. Im fortgesetzten Verfahren werde zu beachten sein, daß der Aufwand für Büroleistungen unberücksichtigt bleiben müsse. In die Entgeltsberechnung (§ 14 Abs 1 bzw § 14 Abs 2 WGG) hätten zwar die Beträge zur Deckung der Verwaltungskosten (§ 14 Abs 1 Z 6 WGG) - womit auch die Aufwendungen für die Besorgung der laufenden Instandhaltung abgegolten seien - und unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten der Bauverwaltung und Bauüberwachung einzufließen, nicht aber ein Entgelt für die Büroleistungen laut GOA, deren zusätzliche und gesonderte Überwälzung auf die Mieter im Zuge eines Verfahrens auf Erhöhung nach § 14 Abs 2 WGG der sonst die Materie zur Mißbrauchsvermeidung ins Detail regelnde Gesetzgeber nicht vorgesehen habe. Aus dem Stillschweigen sei zu schließen, daß dieser durchaus geläufige, allseits bekannte und in der GOA erwähnte Kostenfaktor unberücksichtigt zu bleiben habe.

Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, mit welchem der Sachbeschluß der ersten Instanz iSd § 37 Abs 3 Z 18 MRG idF nach Art II Revisionsrekurs-Anpassungsgesetz BGBl 1989/654 und § 527 Abs 2 ZPO idF WGN BGBl 1989/343 aufgehoben wurde, richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Aufhebungsbeschluß dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß wieder hergestellt wird.

Die Antragsgegner begehren, dem Rekurs der Vermieterin nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist darauf hinzuweisen, daß gemäß § 22 Abs 4 WGG iVm § 38 MRG vor der Entscheidung über den Antrag der für die Baulichkeit als Baubehörde zuständigen Gemeinde Gelegenheit zur Äußerung zu den beantragten Arbeiten und den damit im Zusammenhang stehenden Fragen (zB Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Preisangemessenheit etc) zu geben ist. Da dies bisher vom Erstgericht unterlassen wurde, hat es schon deshalb bei der vom Rekursgericht ausgesprochenen Aufhebung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses und der Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zu verbleiben. Entgegen der Meinung der Antragstellerin kann auf eine solche Stellungnahme der Gemeinde nicht unter dem Gesichtspunkt verzichtet werden, daß diese - aufgrund ihrer einen Teil dieser Fragen betreffenden aktenkundigen Stellungnahme zum Förderungsansuchen - möglicherweise ohnedies das Begehren der Antragsteller vollinhaltlich befürwortet hätte.

Die Ausführungen des Rekursgerichtes über die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in diesem Fall, um den Antragsgegnern ausreichend Möglichkeit zur Erörterung der entscheidungswesentlichen Fragen zu geben, sind nicht zu beanstanden. Wenn auch in diesem außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 3 Z 12 MRG (§ 22 Abs 4 WGG) die mündliche Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist und den Parteien das rechtliche Gehör - dessen Verweigerung mit Nichtigkeit bedroht wäre - auch auf andere Weise gewährt werden kann, so kann der Oberste Gerichtshof, der selbst nicht Tatsacheninstanz ist, einem Auftrag des Rekursgerichtes zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen nicht entgegentreten, wenn die dabei überbundene Rechtsansicht zu den materiell-rechtlichen Fragen richtig ist. Dies muß im Verfahren über Rekurse gegen Sachbeschlüsse im außerstreitigen Verfahren nach dem MRG bzw WEG bzw WGG ebenso gelten, wie es nach ständiger Rechtsprechung (MGA JN-ZPO14 § 519 ZPO/E 49) im Streitverfahren der Fall ist, weil das Rechtsmittelverfahren im außerstreitigen Verfahren nach dem MRG (WEG, WGG) demjenigen des streitigen Verfahrens nachgebildet wurde.

Da gemäß § 22 Abs 4 Z 3 WGG im Verfahren betreffend Erhöhungen nach § 14 Abs 2 bis 4 und § 14 c WGG (§ 22 Abs 1 Z 8 WGG) ebenso allen Mietern Parteistellung zukommt, wie es im Verfahren zur Erhöhung des Hauptmietzinses nach § 37 Abs 1 Z 10 MRG der Fall ist, und da nach § 14 Abs 2 Satz 3 WGG der erhöhte Betrag für alle Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten im gleichen Verhältnis zum bisher Geleisteten festzusetzen ist, kann in diesem Verfahren auch nur eine einheitliche, alle Mieter betreffende Entscheidung ergehen. Die Rechtskraft der Entscheidunng gegenüber nur einem von diesen könnte zu unlösbaren Verwicklungen führen. Die Aufhebung des Sachbeschlusses über Rekurs auch nur eines Mieters hat daher zur Aufhebung hinsichtlich aller zu führen.

Bei der sachlichen Erledigung des Erhöhungsbegehrens wird das Erstgericht - teilweise abweichend von der vom Rekursgericht ausgesprochenen Rechtsmeinung - von folgenden Grundsätzen auszugehen haben:

Die Entscheidung über ein Erhöhungsbegehren nach § 22 Abs 1 Z 8 WGG ist rechtsgestaltender Natur. Die Pflicht der Mieter zur Zahlung des erhöhten Entgeltes wird erst durch die Rechtskraft dieser Entscheidung konstitutiv bewirkt. Dies hat zur Folge, daß das Gericht bei der Entscheidung über das Erhöhungsbegehren von dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Normenbestand auszugehen hat, in diesem Fall daher auch von der EntgRV 1986 idF BGBl 1991/292, deren § 8 a und neu formulierter § 9 Abs 4 gemäß § 16 Abs 8 der genannten Verordnung am 1. Juli 1991 in Kraft traten. Dagegen bestehen umso weniger Bedenken, als dem Erhöhungsbegehren erst in Zukunft zu erbringende, bei der Entgeltberechnung zu berücksichtigende Leistungen zugrundeliegen.

Gemäß § 8 a EntgRV gehören zu den Kosten von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten unter anderem auch die Kosten der Planung und örtlichen Bauaufsicht sowie die Bauverwaltungskosten gemäß § 9 Abs 4 EntgRV.

Gemäß § 9 Abs 4 EntgRV darf nur bei umfangreichen Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten ein angemessener Betrag für die Bauverwaltung und Bauüberwachung angerechnet werden, wenn diese Tätigkeiten über die im Rahmen der ordentlichen Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen, so zB wenn die Durchführung der Arbeiten eine schwierige technische Vorbereitung oder die Koordinierung mehrerer Auftragnehmer erfordert. Für die Bauverwaltung und Bauüberwachung dürfen zusammen höchstens 5 vH der Baukosten angerechnet werden. Dieser Höchstsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der Kosten der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Die Abgrenzung dieser Kostenbereiche sowohl untereinander als auch von den Büroleistungen im Sinne der GOA, die von der Antragstellerin im Rahmen des Gesamterfordernisses geltend gemacht werden, ist - unter Berücksichtigung der in der Gebarungsrichtlinienverordnung 1979, BGBl 1979/523, insbesondere deren Anhang A (für die Buchführung vorgeschriebener Kontenrahmen) und Anhang B (Gestaltung des Betriebsabrechnungsbogens zur Zuordnung der aufgelaufenen Kosten zu den einzelnen Kostenstellen) verwendeten, von betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geprägten Terminologie (s dazu in Korinek-Funk-Scherz-Weinberger-Wieser, WGG, Handbuch und Kommentar, die Anm 11 und 12 zu § 5 GRV) - wie folgt vorzunehmen:

Unter Bauverwaltung sind alle nicht technischen, also die organisatorischen, administrativen und kommerziellen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Arbeiten, unter Bauüberwachung die technischen Tätigkeiten in diesem Zusammenhang zu verstehen (MietSlg 37.691/40). Diese technischen Leistungen können örtliche Bauaufsicht oder Büroleistungen sein.

Zur örtlichen Bauaufsicht gehört die Überwachung der Herstellung des Werkes auf Übereinstimmung mit den Plänen, auf Einhaltung der technischen Regeln, der behördlichen Vorschriften und des Zeitplanes, die Abnahme von Teilleistungen und die Kontrolle der für die Abrechnung erforderlichen Abmessungen, die Führung des Baubuches etc (vgl Korinek-Funk ua, aaO, Anm 11), also alle jene Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können. Alle anderen zur Bauüberwachung gehörenden Tätigkeiten sind nicht örtliche Bauaufsicht.

Büroleistungen im Sinne der GOA sind a) der Vorentwurf, b) der Entwurf, c) die Einreichung, d) die Kostenberechnung, e) die Ausführungszeichnungen, f) die Teilzeichnungen, g) die künstlerische Oberleitung und h) die technische und geschäftliche Oberleitung (§ 34 GOA). Die unter a) bis f) genannten Tätigkeiten können dem Begriff "Planung" im Sinne des § 8 a EntgRV unterstellt werden, während die künstlerische und technische Oberleitung zur Bauüberwachung, die geschäftliche Oberleitung zur Bauverwaltung gehören.

Ausgehend von dem in § 13 Abs 1 WGG normierten Kostendeckungsprinzip dürfen den Mietern bzw Nutzungsberechtigten unter den genannten Titeln (Planung, örtliche Bauaufsicht, Bauverwaltung, Bauüberwachung) keine höheren als die den tatsächlichen Kosten entsprechenden angerechnet werden. Insbesondere darf eine bestimmte Leistung nur einmal, nicht aber mehrmals zB einmal als Bestandteil eines Pauschalbetrages (Bauverwaltung und Bauüberwachung), das andere Mal unter dem Titel örtliche Bauaufsicht oder Planung verrechnet werden.

Die notwendigen Kosten für die durch eigene Leute der Antragstellerin durchgeführte Planung und örtliche Bauaufsicht dürfen nach § 8 a EntgRV ohne sonstige Beschränkung im Gesamterfordernis berücksichtigt werden. Ihre Höhe richtet sich - wie bei Fremdleistung - nach der GOA.

Die Kosten für Bauverwaltung und Bauüberwachung können im Gesamterfordernis bei Vorliegen der in § 9 Abs 4 EntgRV hiefür normierten Voraussetzungen (Vorliegen von Tätigkeiten, die über die im Rahmen ordentlicher Verwaltung regelmäßig anfallenden Leistungen hinausgehen) mit ihrem tatsächlichen Ausmaß (MietSlg 37.691/40), höchstens aber mit 5 vH der Baukosten berücksichtigt werden. Dieser Prozentsatz vermindert sich auf 3 vH, wenn die Kosten der Bauüberwachung im Rahmen der örtlichen Bauaufsicht geltend gemacht werden.

Eine gesetzesgemäße Entscheidung erfordert daher die konkrete Feststellung der von der Antragstellerin zu erbringenden Leistungen und der damit verbundenen Kosten, deren Zuordnung zu einer der oben genannten Kostengruppen und die Berücksichtigung jeder dieser Kostengruppen mit dem hiefür zulässigen Ausmaß im Gesamterfordernis. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten im tatsächlichen Bereich wird gegebenenfalls das Gutachten eines geeigneten Sachverständigen einzuholen sein.

überdies wird vor einer neuerlichen Entscheidung nach § 14 Abs 4 WGG auf das dort aufgestellte Erfordernis der Verpflichtungserklärung der Antragstellerin Bedacht zu nehmen sein (§ 14 Abs 4 Satz 1 WGG).

Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes war daher im Ergebnis zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Es steht schon jetzt fest, daß die Voraussetzungen für den Zuspruch von - allein - verzeichneten Anwaltskosten nicht gegeben sind, so daß auch ein Kostenvorbehalt bezüglich der Kosten des Rekursverfahrens nicht auszusprechen war.

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