OGH 8Ob621/91

OGH8Ob621/9118.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Jelinek, Dr. Graf und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** Gesellschaft mbH, 1150 Wien, D*****gasse 35/4, vertreten durch Dr. Fritz Czerwenka, Dr. Reinhard Burghofer und Dr. Alexander Wanke, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei GK "M*****", ***** Jugoslawien, wegen S 2,377.000 s.A. infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 23. August 1991, GZ 5 R 88/91-7, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 10. April 1991, GZ 15 Cg 86/91-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen wird der Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes aufgehoben und diesem die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zwischen den Parteien wurde am 29. September 1988 ein "Vertrag über intellektuelle Dienstleistungen" geschlossen, dessen Punkt 4.9. wie folgt lautet:

"Streitfall

Beide Vertragspartner verpflichten sich, eventuell auftretende Meinungsverschiedenheiten in Verbindung mit diesem Vertrag auf freundschaftliche Art zu lösen. Sollte dies jedoch nicht möglich sein, wird der Fall der Entscheidung des Gerichtes, welches für CA zuständig ist, überlassen. Es ist ausschließlich das österreichische Recht anwendbar."

Im Punkt 1 des Vertrages ist als einer der Vertragspartner die nun klagende GmbH mit der Anschrift A-1150 Wien, D*****gasse 35/4 "(im folgenden "CA" genannt)" angegeben. Die Vertragsurkunde ist für die Klägerin firmenmäßig unterfertigt, die Firmenstampiglie weist ebenfalls die Anschrift A-1150 Wien, D*****gasse 35/4 auf.

Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin, gestützt auf diesen Vertrag, die Zahlung von S 2,377.000,-- für die Lieferung von Systemsoftware.

Zur Begründung der Zuständigkeit des Erstgerichtes wird ausgeführt, es sei jenes Gericht als zuständig vereinbart worden, welches für die klagende Partei zuständig sei. Da die Klägerin ihren Sitz in Wien habe, sei die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien gegeben.

Das Erstgericht erklärte sich zur Verhandlung und Entscheidung über die Klage für nicht zuständig und wies diese zurück. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Meinung, ein für "CA" als Klägerin örtlich zuständiges Gericht sehe die JN nicht vor. Auch die sachliche Zuständigkeit sei nicht gegeben, da die Beklagte als eine nach jugoslawischem Recht konstitutierte Kapitalgesellschaft bezeichnet werde; es fehle ihr an der Kaufmannseigenschaft.

Die vom Rekursgericht beim Bundesministerium für Justiz gepflogenen Erhebungen haben ergeben, daß einer "GK" nach jugoslawischem Recht Rechtspersönlichkeit zukommt.

Das Rekursgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und führte aus, eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN müsse eindeutig bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, wobei es genüge, daß der Ort zweifelsfrei namentlich der Urkunde selbst entnommen werden könne, auch wenn er an einer anderen Stelle der Urkunde ersichtlich sei. Im vorliegenden Fall sei die Zuständigkeit aber nicht hinlänglich bestimmt und auch nicht bestimmbar, da ein Gericht, "das für CA zuständig ist", den Prozeßvorschriften fremd sei. Es möge zwar zutreffen, daß die Vereinbarung völlig zwecklos und sinnwidrig wäre, wollte man ihr einen anderen Sinn als den geben, daß sie auch für Aktivprozesse der Klägerin gelte. Da aber eine Zuständigkeitsvereinbarung kein materiell-rechtlicher Vertrag sei, seien für ihre Auslegung nicht die Regeln des bürgerlichen Rechts heranzuziehen. Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung sei nicht eindeutig klar und auch nicht eindeutig bestimmbar.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde mit der Begründung für nicht zulässig erklärt, daß die Bedeutung dieser Entscheidung nicht über den Einzelfall hinausgehe.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, die Klage zuzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, da das Rekursgericht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wohl richtig wiedergegeben, sie aber auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet hat. Die unrichtige rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes unter Berufung auf das bloße Zitat einer richtigen Rechtsprechung, die aber nicht darauf untersucht wird, ob sie überhaupt auf den vorliegenden Fall paßt, stellte ebenso eine Abweichung von der Rechtsprechung des OGH dar, wie wenn von dieser Rechtsprechung ausdrücklich und bewußt abgegangen worden wäre (MietSlg. 37.770), sodaß eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs. 1 ZPO gegeben ist.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist auch berechtigt.

Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, daß eine Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich erfolgen muß; eine schlüssige Handlung reicht nicht aus (EvBl. 1963/488; EvBl. 1967/242; RZ 1977/135 uva). Die Vereinbarung muß hinsichtlich des gewählten Gerichtes eindeutig bestimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar sein, wozu verlangt werden muß, daß der Gerichtsort in der Urkunde namentlich angeführt ist (vgl. JBl. 1932, 544; EvBl. 1951/19).

Im vorliegenden Fall wurde nun ausdrücklich festgelegt, Streitigkeiten sollten der Entscheidung jenes Gerichtes überlassen werden, "welches für CA zuständig ist". Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Ansicht gibt es aber durchaus ein für die nun klagende GmbH zuständiges Gericht: sie hat einen allgemeinen Gerichtsstand und dieser bestimmt sich gemäß § 75 Abs. 1 JN nach ihrem Sitz, der in der Vertragsurkunde namentlich und - weil dies für die genannte Stadt Wien wegen der allfälligen sachlichen Zuständigkeit eines der hier vorhandenen mehreren Bezirksgerichte notwendig ist - mit genauer Anschrift angegeben ist. Es läßt sich daher der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung eindeutig entnehmen, daß für allfällige Streitigkeiten das für 1150 Wien, D*****gasse 35/4, sachlich zuständige Gericht örtlich zuständig sein soll.

Eine eventuelle Sitzverlegung der Klägerin nach Vertragsschluß - die hier nach der Aktenlage nicht erfolgt ist - könnte an der rechtswirksamen Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit des für 1150 Wien zuständigen Gerichtes nichts ändern, da dieser Ort in der Urkunde namentlich angeführt und daher weiterhin maßgeblich ist.

Da das Erstgericht für die klagende Gesellschaft mbH auch sachlich zuständig ist, war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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