OGH 12Os113/91

OGH12Os113/9117.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Oktober 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin in der Strafsache gegen Istvan L***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20.Juni 1991, GZ 12 Vr 1063/91-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Fabrizy, und des Verteidigers Dr. Jöchl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19.März 1971 geborene ungarische Staatsbürger Istvan L***** des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (I), des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB (II), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (III) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB (IV) schuldig erkannt. Diesen Schuldsprüchen liegen insgesamt vier Überfälle auf Frauen in Graz zugrunde, denen der Angeklagte jeweils in den Abend- und Nachtstunden folgte, um ihnen dann in einsamen Straßenzügen oder -unterführungen gewaltsam die Handtaschen zu entreißen und sich das darin befindliche Geld oder Wertgegenstände anzueignen. Nur in einem Fall leistete die Überfallene wirksamen Widerstand (I), während in den anderen Fällen den Frauen zufolge des Überraschungsmomentes eine Gegenwehr nicht möglich war (II 1, 2 a und 3). Die in den Handtaschen befindlichen Dokumente wurden unterdrückt (III) und weitere für den Täter ebenfalls nicht verwertbare Gegenstände (Handtaschen, Geldbörsen, Schlüssel) weggeworfen (IV).

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Angeklagte nur die rechtliche Subsumtion der zum Nachteil der Petra R***** begangenen Taten (II 2 a und b, III 2 und IV 2 b) und bekämpft mit der Berufung den Strafausspruch.

Im Rahmen der Nichtigkeitsanfechtung liegt dem Angeklagten zur Last, am 3.April 1991 beim Überfall auf Petra R***** 20 S Bargeld und eine Arbeitsbekleidung gestohlen (II 2 a), deren Führerschein, Fahrzeugpapiere und Bankomatkarte mit dem Vorsatz der Verhinderung des Gebrauchs im Rechtsverkehr unterdrückt (III 2) und anschließend die Handtasche und die Geldbörse weggeworfen zu haben (IV 2 b). Mit der erbeuteten Bankomatkarte versuchte der Angeklagte bei einem nahegelegenen Automaten Geld abzuheben, was ihm aber nicht gelang, weil er einen unrichtigen Code eintippte und die Karte eingezogen wurde (II 2 b).

Mit seiner Subsumtionsrüge (Z 10) moniert der Beschwerdeführer, daß die Bankomatkarte kein Wertträger und damit kein Diebstahlsobjekt sei, weshalb der Schuldspruch wegen des versuchten Diebstahls (II 2 b) nicht gerechtfertigt sei und nur der Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung (III 2) der Rechtslage entspreche.

Bankomat-Scheckkarten sind zwar tatsächlich keine Wertträger, ihre Entfremdung kann daher - wie der Angeklagte an sich richtig bemerkt - mangels entsprechender Objekteignung nicht Diebstahl begründen; sie sind vielmehr Urkunden (§ 74 Z 7 StGB) und werden unterdrückt im Sinn des § 229 StGB, wenn dem (der) Berechtigten vorsätzlich die Möglichkeit genommen wird, sich ihrer im Rechtsverkehr zu bedienen. Die durch die mißbräuchliche Verwendung der Scheckkarte bewirkte (oder angestrebte) Geldausgabe aus einem Bankomaten ist als (versuchter) Diebstahl zu beurteilen (JBl. 1986, 261 ff mit zustimmender Stellungnahme von Kienapfel, EvBl. 1990/40 ua). Das durch den Tatbestand des Diebstahls geschützte Rechtsgut des Vermögens ist aber mit dem durch § 229 StGB geschützten Rechtsgut, nämlich dem Bestandsschutz der Beweisfunktion von Absichtsurkunden, an denen ein rechtlich anerkanntes Beweisführungsinteresse besteht, nicht ident, sodaß der Unrechtsgehalt einer solchen Tat durch den Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB allein nicht zur Gänze erfaßt wäre (SSt. 54/38, Kienapfel BT II2 RN 31 und 106 zu § 127 StGB). Dem Schöffengericht ist sohin der behauptete Subsumtionsirrtum nicht unterlaufen.

Soweit im Gerichtstag in Ergänzung der schriftlichen Beschwerdeargumentation zum Urteilsfaktum II 2 b die Frage der absoluten Untauglichkeit des Versuchs der Geldbehebung mit der Bankomatkarte ohne Täterkenntnis von der zugehörigen Codezahl aufgeworfen wurde (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO), liegen die aus dieser Sicht reklamierten Voraussetzungen fehlender Strafbarkeit nicht vor. Absolut untauglich ist ein Versuch nach gefestigter Rechtsprechung nämlich nur, wenn die Tatvollendung objektiv unter keinen Umständen möglich war (so wörtlich § 15 Abs. 3 StGB), es also auch bei einer generalisierenden, von den Umständen des Einzelfalls losgelösten Betrachtung geradezu denkunmöglich ist, daß es zur Vollendung der Tat kommt (ua Mayerhofer-Rieder3 EGr. 63 zu § 15 StGB). Als geradezu denkunmöglich erweist sich aber die hier angestrebte Deliktsvollendung keineswegs, weil die Erfolgschance einer rechtswidrigen automatischen Geldentnahme durch die - als unentbehrlich erkannten - systeminhärenten Sicherungen gegen einen derartigen Mißbrauch nur minimiert, nicht aber gänzlich beseitigt werden kann.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Über den Angeklagten wurde nach §§ 28 Abs. 1, 142 Abs. 1 StGB eine zweieinhalbjährige (unbedingte) Freiheitsstrafe verhängt und bei der Strafbemessung das Zusammentreffen eines Verbrechens mit drei Vergehen und die Vielzahl der Angriffe als erschwerend gewertet. Als mildernd wurden hingegen das vollständige und reumütige Geständnis, der Umstand, daß es beim Raub und bei einem Diebstahlsfaktum beim Versuch blieb, das Alter unter einundzwanzig Jahren und der bisher ordentliche Lebenswandel berücksichtigt.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe, allenfalls unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB), und deren (gänzliche, zumindest aber teilweise) bedingte Nachsicht an.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe - dem Berufungsstandpunkt zuwider - vollständig und auch ihrem Gewicht nach zutreffend berücksichtigt. Dabei hat es richtigerweise dem Umstand gravierende Bedeutung beigemessen, daß die gezielte Ausrichtung der wiederholten Deliktshandlungen auf einzelne Passantinnen in nichtfrequentierten Straßenabschnitten eine außergewöhnliche Anfälligkeit des Angeklagten für Tatmodalitäten erkennen läßt, deren steigende Aktualität (vor allem im städtischen Bereich) zentralen allgemeinen Sicherheitsanliegen kraß widerstreitet. So gesehen erwies sich aber der bekämpfte Strafausspruch aus spezial- und generalpräventiver Sicht weder hinsichtlich des Ausmaßes der Freiheitsstrafe noch in der Ablehnung jedweder bedingten Nachsicht der beantragten Korrektur als zugänglich.

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