OGH 9ObA165/91

OGH9ObA165/919.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl und Walter Bacher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** O*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei E***** K*****, Inhaberin eines Gebäudereinigungsunternehmens, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen S 2.569,96 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.April 1991, GZ 5 Ra 56/91-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 8.Jänner 1991, GZ 45 Cga 239/90-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.511,04 (darin S 251,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 2.April 1990 als Reinigungskraft beschäftigt. Bei einer zehnstündigen wöchentlichen Arbeitszeit hatte sie jeweils Montag bis Freitag von 17 Uhr bis 19 Uhr zu arbeiten. Am Vormittag des 5.September 1990 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis telefonisch mit der Begründung, daß ihr die Arbeit zu schwer sei. Entgegen der Aufforderung der Beklagten, zumindest noch am 5.September 1990 zu arbeiten, trat sie ihren Dienst nicht mehr an.

Nach dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger für Wien, Niederösterreich, Burgenland, Kärnten, Tirol und Vorarlberg vom 6.Juni 1989 (kurz Kollektivvertrag) kann das Arbeitsverhältnis im ersten Arbeitsjahr beidseitig ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden (§ 3 Abs 3). Gemäß den §§ 9 Abs 3 und 10 Abs 5 des Kollektivvertrags entfällt der Anspruch auf aliquote Sonderzahlungen (Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration), wenn der Arbeitnehmer gemäß § 82 GewO 1859 entlassen wird oder wenn er ohne wichtigen Grund gemäß § 82 a GewO 1859 vorzeitig austritt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin den der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von S 2.569,96 brutto sA an anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsabfindung. Sie habe wirksam gekündigt, da der einschlägige Kollektivvertrag keine Kündigungsfrist vorsehe.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da sie vorzeitig ausgetreten sei. Auch wenn sie ihr Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist habe lösen können, hätte die Frist erst an dem dem Ausspruch folgenden Werktag begonnen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kollektivvertrag ebenso wie die Bestimmung des § 77 GewO 1859 keinen Kündigungstermin vorsehe. Es sei daher ergänzend die Regelung des § 1159 ABGB heranzuziehen, nach der die Kündigung spätestens am ersten Werktag für den Schluß der Kalenderwoche zulässig sei. Der Kollektivvertrag habe zwar die im § 1159 ABGB enthaltene Kündigungsfrist zulässigerweise verkürzt, enthalte aber keine Bestimmung eines Kündigungstermins. Mit ihrer Kündigung habe die Klägerin daher den gesetzlichen Kündigungstermin nicht eingehalten und ihr Nichterscheinen zur Arbeit am 5.September 1990 könne nur als (ungerechtfertigter) vorzeitiger Austritt nach § 82 a GewO 1859 gewertet werden. Sie habe daher nach dem Kollektivvertrag keinen Anspruch auf Sonderzahlungen und gemäß § 10 Abs 2 UrlG auch keinen Anspruch auf Urlaubsabfindung.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Bestimmung des § 77 GewO 1859 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Hilfsarbeitern abschließend regle. Soweit ein Kollektivvertrag die Kündigungsfrist des § 77 GewO 1859 abändere, ohne einen Kündigungstermin einzuführen, sei davon auszugehen, daß für die diesem Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitsverhältnisse neben der Kündigungsfrist kein bestimmter Kündigungstermin zu beachten sei. Anders als bei den bereits mehr als ein Jahr bestehenden Arbeitsverhältnissen, bei denen die Kündigungsfrist nach § 3 Abs 3 des Kollektivvertrags beidseitig eine Woche

(7 Kalendertage) betrage und die Frist an dem dem Ausspruch folgenden Werktag beginne, könne ein Arbeitsverhältnis im ersten Jahr jederzeit sofort gelöst werden. Gebe es nämlich gar keine Kündigungsfrist, könne diese auch nicht an dem dem Ausspruch folgenden Werktag beginnen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist für eine Kündigung weder eine Kündigungsfrist noch ein Kündigungstermin an sich wesentlich (vgl Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 263). Für den Bereich der Gewerbeordnung 1859, der das Arbeitsverhältnis der Klägerin unbestritten unterlag, sieht zwar § 77 eine 14tägige Kündigungsfrist vor, doch ist diese Frist abdingbar; sie kann verkürzt oder sogar gänzlich beseitigt werden (irreführend auch als "Kündigungsausschluß" bezeichnet).

Eine subsidiäre Anwendung der relativ zwingenden

Kündigungsregelung des § 1159 ABGB kommt, wie der Oberste

Gerichtshof bereits in einem Plenarbeschluß (Jud 30 neu =

Arb 3768 = SZ 9/171) ausgesprochen hat, zu Lasten der Klägerin

(vgl Krejci in Rummel, ABGB2 §§ 1158 bis 1159 c Rz 82; § 1164 Rz 10 ff) schon deshalb nicht in Betracht, da die Vorschriften der §§ 1151 ff ABGB gemäß § 153 der 3.Teilnovelle zum ABGB nur insoweit zur Anwendung kommen können, als in den für bestimmte Arbeitsverhältnisse bestehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften Bestimmungen über den Arbeitsvertrag nicht enthalten sind. Solche sondergesetzliche Bestimmungen sind aber hinsichtlich der Kündigungsfrist in der Gewerbeordnung 1859 ausdrücklich enthalten und gelten gemäß § 376 Z 47 Abs 1 GewO 1973 weiterhin (vgl Floretta aaO, 264; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 390 ff, 394; Csebrenyak-Geppert-Maßl-Rabofsky, ABGB und Arbeitsvertragsrecht, 251; Arb 9106; auch schon Arb 3436).

Es ist daher dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigunsfrist und ohne Beachtung eines Kündigungstermins wirksam aufkündigen konnte.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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