Spruch:
- 1. Das Rechtsmittelverfahren wird unterbrochen.
- 2. Gemäß dem Art. 89 Abs. 2 B-VG wird beim Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, den § 320 Abs. 1 Z 3 StGB und die §§ 1, 2 und 7 des Bundesgesetzes über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial als verfassungswidrig aufzuheben.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 1.Februar 1991, GZ 30 Vr 305/87-1968, wurden ua die Angeklagten Mag. Peter U***** und Mag. Kurt Adolf H***** des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung nach dem § 320 Z 3 StGB, die Angeklagten Dkfm. Gerald W*****, Dr. Alfred K***** und Dr. Peter S***** jeweils des Verbrechens der Neutralitätsgefährung als Beteiligte gemäß den §§ 12 (zweiter Fall), 320 Z 3 StGB und Dipl.Ing. Johann Peter E***** des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung teils als unmittelbarer Täter, teils als Beteiligter nach den §§ 320 Z 3 und 12 (zweiter Fall) StGB, der Angeklagte Ing. Anton E***** des Vergehens nach dem § 7 Abs. 1 KMG in der vorsätzlichen Begehungsweise, sowie die Angeklagten Ing. Harald M*****, Dr. Karl M*****, Dkfm. Dr. Klaus Josef R*****, Dr. Rainer R***** und Erich J***** jeweils des Vergehens nach dem § 7 Abs. 1 KMG in der fahrlässigen Begehungsweise schuldig erkannt.
Zur Entscheidung über die von den genannten Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wurden die Akten dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. Bei dieser Entscheidung werden die im Spruch genannten Gesetzesbestimmungen unmittelbar bzw. mittelbar anzuwenden sein.
Rechtliche Beurteilung
Die Angeklagten haben (mit Ausnahme des Beschwerdeführers Erich J*****) in ihren Nichtigkeitsbeschwerden jeweils begehrt, der Oberste Gerichtshof wolle beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 320 StGB bzw. der §§ 1, 2 und 7 KMG in der in der gegenständlichen Strafsache jeweils anzuwendenden (derzeit geltenden) Fassung als verfassungswidrig beantragen.
Auch die Generalprokuratur hat sich für die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes ausgesprochen, weil Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB insbesondere wegen mangelnder Bestimmtheit der Norm gerechtfertigt seien.
Diese Begehren finden eine maßgebliche Stütze in dem im Verfahren AZ 25 Vr 1193/89 des Landesgerichtes Linz (AZ 13 Os 34/91 des Obersten Gerichtshofes) vorgelegten Gutachten des Univ.Prof. DDDr. Felix ERMACORA vom 7.Februar 1991 über die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 320 StGB iVm dem Kriegsmaterialgesetz; das Vorbringen der Rechtsmittelwerber deckt sich im wesentlichen mit dem Inhalt dieses Gutachtens.
Die in diesem Gutachten für den eingenommenen Rechtsstandpunkt ins Treffen geführten Argumente, denen sich der Oberste Gerichtshof anschließt, indem er sie als Begründung seines Antrages übernimmt, und die der Einfachheit und Vollständigkeit halber im nachfolgenden wörtlich wiedergegeben werden, wecken in ihrer Gesamtheit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB:
1. Es sind in diesem Zusammenhang für die gehörige verfassungsrechtliche Interpretation des § 320 StGB zu prüfen:
- a) die historische Entwicklung des § 320 StGB,
- b) die Auslegung, die § 320 StGB ohne Verbindung mit dem Kriegsmaterialrecht zukommt,
c) die historische Entwicklung des Kriegsmaterialrechtes in Österreich,
- d) die Auslegung, die dem § 3 des Kriegsmaterialgesetzes zukommt,
- e) wie der Tatbestand des § 320 StGB in Verbindung mit dem Kriegsmaterialrecht tatsächlich aussieht.
2. Wird auf diese Weise der strafrechtliche Tatbestand sichtbar gemacht, so ist zu prüfen, ob diese Art eines strafrechtlichen Tatbestandes gemäß österreichischem Verfassungsrecht ein den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechend normierter Tatbestand sein kann, welche Erfordernisse des Verfassungsrechtes erfüllt werden müssen, damit Strafbarkeit gesetzmäßig (§ 1 StGB) und konventionsmäßig (Art. 7 iVm Art. 6 EMRK) ausgeübt werden kann. Sofort ist hier zu sagen und keiner weiteren Diskussion zu unterziehen, daß alle Organe des Staates, sowohl der Gesetzgeber als auch die Vollziehung, durch die verfassungsmäßig statuierten Menschenrechte unmittelbar gebunden sind. Die österreichische Judikatur sowohl des Verfassungsgerichtshofes als auch des OGH hat spätestens seit dem Ringeisen-Fall klargemacht, daß die Europäische Menschenrechtskonvention unmittelbar anwendbares österreichisches Verfassungsrecht ist, an das alle Staatsfunktionen unmittelbar und ohne irgendwelche Instanzenentscheidungen abzuwarten gebunden sind. Nur wenn Organe der Gerichtsbarkeit sich außerstande sehen, die Verfassungsmäßigkeit einer Norm zu beurteilen, werden sie entsprechend den Regeln des Art. 139 bzw. 140 Abs. 1 B-VG die je anzuwendende Norm vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten können bzw. anzufechten haben. Ferner ist hinzuzufügen, daß vor allem der österreichische Verfassungsgerichtshof immer und immer wieder in abgewogener Weise die Spruchpraxis der europäischen Instanzen für Menschenrechte auch auf in Österreich anhängige Fälle berücksichtigt (abgesehen von vielen Einzeluntersuchungen siehe vor allem ERMACORA/NOWAK/TRETTER, Die Europäische Menschenrechtskonvention in der Rechtsprechung der österreichischen Höchstgerichte, 1983).
Zum § 320 StGB und seine historische Entwicklung
Der Verfasser dieses Gutachtens hat in einer anderen Untersuchung die Fassung des § 320 StGB BGBl. 1974/60 wiedergegeben und sich mit der historischen Entwicklung dieser Bestimmung auseinandergesetzt. Die diesbezüglichen Ausführungen werden im Anhang 2 wiedergegeben; auf sie sei verwiesen und auch aufgebaut.
Hinzugefügt wird, daß dieser strafrechtliche Tatbestand der "Neutralitätsgefährdung" Ausdruck des Neutralitätsschutzes ist, wie er seit 1955 von österreichischen Politikern mehrfach gefordert worden ist (siehe zu dieser Frage des Neutralitätsschutzes die Hinweise bei ERMACORA, 20 Jahre Österreichische Neutralität, 1975, S 96 f und 209).
Die Auslegung, die dem § 320 StGB ohne Bedachtnahme auf das Kriegsmaterialrecht zukommt.
1. Während die Anklageschrift gegen die sogenannten "Manager" in der Beurteilung des persönlichen Geltungsbereiches des § 320 StGB iVm der immerwährenden Neutralität schwankend ist und man oft den Eindruck hat, als würde diese Anklageschrift die Privaten durch die immerwährende Neutralität verpflichtet sehen, nimmt die zeitlich nach diesen Gutachten erstellte Anklageschrift gegen die sogenannten "Politiker" (14.September 1990) eine klarere Linie ein. Sie stimmt insoferne mit meinem Gutachten überein, als sie zum Schluß kommt, daß das B-VG vom 26.Oktober 1955 BGBl. Nr. 211 über die Neutralität Österreichs für den "Privaten" keine aus der immerwährenden Neutralität ableitbaren Rechte und Pflichten begründet. Entsprechende individuelle Pflichten werden erst durch § 320 StGB begründet (S 389 ff der Anklageschrift gegen die sogenannten Politiker). Diese individuelle Verpflichtung aus der immerwährenden Neutralität verletzt weder die völkerrechtlichen Neutralitätsregeln noch die sich aus dem BVG über die immerwährende Neutralität ergebenden Regeln.
2. Nur die Überschrift, die dem § 320 StGB vorangestellt ist, enthält einen Hinweis auf die Neutralität, in dem der Ausdruck "Neutralitätsgefährdung" verwendet wird. Aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt sich, daß im Ministerialentwurf zum StGB der Ausdruck "Neutralitätsverletzung" verwendet wurde. Dieser Ausdruck ist in "Neutralitätsgefährdung" umgewandelt worden ! Weil die Neutralitätsverpflichtungen nicht durch die Handlungen der Privatpersonen selbst verletzt werden, sondern die Neutralitätsverletzung in der Duldung dieser Handlungen durch den Staat gelegen ist (siehe die EB zur 1. Regierungsvorlage, 706 dB StProt NR, 11 GP). Der Titel einer Vorschrift hat keinen normativen Gehalt. Sicher ist, daß § 320 StGB als eine Bedingung "einen Krieg" oder "einen bewaffneten Konflikt", an denen die "Republik Österreich nicht beteiligt ist", oder "die unmittelbar drohende Gefahr eines Krieges oder eines Konfliktes" voraussetzt und sicher ist auch, daß die verbotenen Handlungen, die die Z 1 bis 5 des § 320 StGB (heute des Abs. 1) enthalten, sich auf "eine der Parteien" beziehen muß. Als Partei ist die "kriegführende Partei" im Sinne des Völkerrechtes, die am Konflikt teilnehmende Partei zu verstehen, zu deren Gunsten eine verbotene Handlung gesetzt werden muß, um das Tatbild zu erfüllen.
3. FOREGGER/SERINI, Strafgesetzbuch 19843, 650, schreiben zu Recht, "aus dem vorliegenden Tatbild selbst könnte man das Verbot der Ausfuhr oder Durchfuhr von Kampfmitteln nicht ableiten". In der Tat, die Z 3 des § 320 StGB (Abs. 1 heute) verbietet die Ausfuhr von Kampfmitteln aus dem Inland und die Durchfuhr von Kampfmittel durch das Inland "entgegen den bestehenden Vorschriften". Das heißt, die bestehenden Vorschriften sind im normativen Sinne eine in das Tatbild verwobene Bedingung für die Strafbarkeit. Die "ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung", wie sie vom § 1 StGB verlangt wird, erfüllt die Bedingung des § 320 nicht, weil die im § 320 enthaltene Strafdrohung keine solche ist, sondern ein Weiterverweis auf "bestehende Vorschriften"!
Es wird einmal mehr deutlich, daß § 320 Abs. 1 StGB "ohne bestehende Vorschriften" als Strafdrohung ins Leere gehen muß.
§ 320 StGB ist und enthält keine Generalklausel für die Strafbarkeit einer Neutralitätsgefährdung, sondern eine taxative Aufzählung von Tatbeständen, für die die Neutralität eine Motivation ist, aber kein Tatbestandsmerkmal ! Die Überschrift des § 320 StGB ("Neutralitätsgefährdung") ändert an dieser Beurteilung nichts.
4. Was bedeutet dieser Verweis "auf bestehende Vorschriften" ? Die Erläuternden Bemerkungen (EB) zur RV 30 StProt NR XIII. GP verweisen zum Tatbestand der Z 3 zunächst auf eine Erläuterung des Begriffes "Kampfmittel", dann wird weiters festgestellt: "Des weiteren dürfe dem Tatbestand die Bedeutung eines allgemeinen Aus- und Durchführverbotes nicht beigemessen werden, welches nämlich auch dann anzuwenden wäre, wenn in den verwaltungsrechtlichen Vorschriften ein Verbot der Aus- oder Durchfuhr von Kampfmitteln nicht enthalten ist." Die EB, aber auch andere Materialien zum § 320 StGB verweisen mit keinem Worte auf die Rechtsquellen der "bestehenden" verwaltungsrechtlichen Vorschriften. Welche "verwaltungsrechtlichen Vorschriften" gemeint sein könnten, das ist ausschließlich Kommentaren zu entnehmen ! (FOREGGER/SERINI aaO verweisen auf das sogenannten Kriegsmaterialgesetz BGBl. 1977/540, ebenso wie LIEBSCHER im Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, RN 19, und BRANDSTÄTTER/LOIBL, Neutralität und Waffenexporte, 1990, 35 f). Auch die beiden Anklageschriften geraten bei der Frage nach den "bestehenden Vorschriften" nicht in juristische Verlegenheit: es sei das Kriegsmaterialgesetz, das hier in Frage komme.
5. Da im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StGB dieses Kriegsmaterialgesetz noch nicht in Geltung war, und dieses vielleicht nach Ausschöpfung aller Erfahrungen mit dem Golfkrieg in absehbarer Zeit so auch nicht mehr in Geltung stehen wird, kann der Verweis auf "bestehende Vorschriften" nur als eine im österreichischen Recht so bezeichnete "dynamische Verweisung" (siehe unter VII des Gutachtens) bezeichnet werden. Der Verweis auf das Kriegsmaterialrecht als ein Sammelbegriff ist gewiß ungenügend, um dem Bestimmtheitsgebot des § 1 StGB "ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung" zu genügen.
6. Auch der Ausdruck "bestehende Vorschriften" ist ein unbestimmter Verweis. Was "bestehend" im juristischen Sinne bedeutet, ist von vorneherein nicht einsichtig. Der Ausdruck bedarf einer Interpretation. Um diese Bestimmung sinnvoll zu machen, ist das Wort "bestehend" dahin zu interpretieren, daß es sich um in Geltung stehende Vorschriften handeln muß. Welche Vorschriften das sind, ist dem Tatbild des § 320 StGB aber nicht zu entnehmen. Daher verliert der Verweis im § 320 durch die Hinzufügung des Wortes "bestehende" nichts von seiner Unbestimmtheit. Der Rechtsunterworfene wird über die strafrechtlich sanktionierten Verpflichtungen des § 320 Abs. 1 Z 3 durch die Aufnahme des Ausdrucks "bestehend" nicht genauer informiert. Es ändert sich dadurch nichts an dem Verweischarakter der Bestimmung und daran, daß die fragliche Bestimmung keine Generalklausel ist.
7. Zur Ermittlung des Tatbildes muß weiter bedacht werden, daß der Verweis auf "bestehende Vorschriften" allein nicht das Tatbild ausmacht. Es muß das Wort "entgegen" in § 320 Abs. 1 Z 3 StGB beachtet werden. Mit dieser Formel "entgegen" wird das Tatbild noch viel mehr an die "bestehenden Vorschriften" gebunden. Strafbar ist nur, wer im Sinne des § 320 StGB entgegen dem oder im Widerspruch mit dem Kriegsmaterialrecht handelt. Erst muß gegen diese Vorschriften verstoßen worden sein, damit das Tatbild des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB erfüllt ist. § 320 StGB ist für sich allein keine taugliche Strafnorm, weil es dem Strafgesetzgeber nicht gelungen ist, die Bestimmung für sich genommen anwendbar zu machen.
8. Nach diesen Ausführungen wird der § 320 StGB wie folgt zu lesen sein: Wenn es Vorschriften gibt, die die Ausfuhr von Kampfmittel aus dem Inland oder die Durchfuhr durch das Inland verbieten und eine Person entgegen diesen Vorschriften Kampfmittel aus- oder durchführt, ist § 320 StGB anzuwenden.
Daraus folgt, daß die Strafdrohung des § 320 StGB nicht "ausdrücklich", sondern unter Bedingungen formuliert ist. Diese Bedingungen, nämlich das Bestehen einer entsprechenden Verbotsnorm und das Entgegenhandeln, sind für einen Rechtsunterworfenen nicht von vorneherein vorhersehbar und einsehbar.
Das scheint mir ein echtes verfassungsrechtliches Problem zu sein. Für die bisherige Anwendung des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB gibt es kein Beispiel, dem entsprechend die Lösung dieser Problematik erfolgt wäre.
9. Der Inhalt der fraglichen Strafnorm bezieht sich auf ein Verbot der Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial. Das Verbot betrifft Güter wie das Eigentum, das Vermögen, die Freizügigkeit von Eigentum und Vermögen, die Ausübung eines Erwerbszweiges unter gesetzlichen Bedingungen. Diese Vorgänge und Güter sind gewerberechtlicher, handelsrechtlicher, außenhandelsrechtlicher und waffenrechtlicher Natur, die durch die Gewerbeordnung, durch das Außenhandelsgesetz, das Waffengesetz, das Handelsrecht geregelt sind.
Die Strafnorm des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB kann daher nicht für sich allein betrachtet werden, sondern ist im Verhältnis zu den durch diese Verwaltungsvorschriften geregelten Rechtsgütern zu sehen, vor allem dann, wenn gewisse Rechtsgüter eine verfassungsrechtliche Absicherung erfahren, die der Art der Strafverfolgung ihrerseits Grenzen setzt. Oder anders ausgedrückt: wie etwa die StPO und die Organe der Strafverfolgung die Art. 5 und 6 EMRK zu beachten haben, so müßten auch das StGB bei der Festlegung von Strafen und der Formulierung von Straftatbeständen, aber auch die Organe der Strafverfolgung bei Anwendung dieser Vorschriften allfällige verfassungsrechtliche Regeln beachten. In diesem Zusammenhang sei ohne besonderen Nachweis festgestellt, daß grundrechtliche Regeln, die im Verfassungsrang stehen, nach österreichischer Rechtsauffassung ohne Dazwischentun irgendwelcher anderer Rechtsvorschriften unmittelbar anwendbares Recht sind, das von Organen der Vollziehung auf jeder Ebene der Vollziehung anzuwenden ist (siehe für viele anderen ERMACORA, Grundriß der Menschenrechte in Österreich, 1989, Rz 120 ff).
10. Für den § 320 Abs. 1 Z 3 StGB und die von ihm betroffenen Güter und verbotenen Handlungen (wobei der letztere Ausdruck unter Bedachtnahme auf die Feststellung unter IV/9 zu verstehen ist) kommt die Beachtung von Regeln der Grund- und Freiheitsrechte in Betracht, nämlich: für die Betroffenheit des Eigentums Art. 5 StGG (darunter ist das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger v. 21.Dezember 1867 RGBl. 142 iVm Art. 149 B-VG zu verstehen) iVm dem Art. 1 des I.ZP zur EMRK;
für die Freizügigkeit des Vermögens Art. 4 StGG (wobei dieses Grundrecht nur österreichischen Staatsbürgern zukommt);
für die Ausübung jedes Erwerbszweiges unter den gesetzlichen Bedingungen der Art. 6 StGG.
Das heißt: sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollziehung des StGB im Rahmen der Strafverfolgung haben diese grundrechtlichen Grenzen zu achten. Darauf wird später noch zurückzukommen sein.
Das Kriegsmaterialrecht in Österreich und die Auslegung, die § 320 StGB unter Beachtung des Kriegsmaterialrechtes zukommt
1. Der § 320 Abs. 1 Z 3 StGB ist also nur vollziehbar in Verbindung mit den bestehenden Vorschriften, die die Aus- und Durchfuhr von Kampfmitteln aus dem Inland und durch das Inland regeln. Es handelt sich bei diesen "bestehenden Vorschriften", wie die Lehre und die Praxis im Lütgendorf/Weichselbaumer-Fall festgestellt haben, und wie dies aus dem Noricumkomplex hervorgeht, um das Kriegsmaterialrecht.
Ich habe in meinem mehrfach bezogenen Gutachten die historische Entwicklung des Kriegsmaterialrechtes in Österreich seit 1945 skizziert. Darauf nehme ich hier Bezug (Anhang 2). Festzuhalten ist, daß im Zeitpunkt des Wirksamkeitsbeginns des StGB, d.i. seit dem 1.Jänner 1975, das Kriegsmaterialrecht durch eine ehemals deutsch-rechtliche Vorschrift, die gemäß § 2-ÜG 1945 als österreichische Vorschrift in "vorläufige Geltung" gesetzt worden ist, geregelt war. Im Jahre 1977 ist diese Vorschrift durch ein österreichisches Kriegsmaterialgesetz - das Bundesgesetz vom 18. Oktober 1977 BGBl. Nr. 540 über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial - ersetzt worden. Dieses Gesetz ist in dem vor allem im gegebenen Zusammenhang maßgebenden § 3 durch eine Novelle vom 1.Juli 1987 BGBl. Nr. 385 geändert worden. Eine neuerliche Änderung des fraglichen Gesetzes und Paragraphen ist durch die Novelle vom 17.Jänner 1991 BGBl./30a vorgenommen worden.
2. Ich habe den Inhalt des Kriegsmaterialgesetzes, vor allem seinen § 3 in dem oben bezeichneten Gutachten analysiert und versucht, den vorliegenden Strafrechtsfall dieser Analyse zu unterstellen. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß § 3 Kriegsmaterialgesetz die Kriterien für die Bewilligung von Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial enthält und Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial ohne Bewilligung unter Strafe stellt, die vom Gericht zu verhängen ist (§ 7 leg cit). Der personelle Geltungsbereich des Kriegsmaterialgesetzes betrifft denjenigen, der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial begehrt oder vornimmt. Es kann gemäß der Konstruktion des Kriegsmaterialgesetzes nicht die Behörde sein, die befugt ist, unter Berücksichtigung des Art. 130 Abs. 2 B-VG (Ermessenshinweis) die Bewilligung für Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial zu geben. Sie ist nicht Partei im Sinne des AVG, sie hat vielmehr das AVG als Behörde gegenüber dem Einschreiter anzuwenden.
3. Diese Erkenntnis ist auf § 320 StGB rückzukoppeln. § 320 Abs. 1 Z 3 StGB betrifft in seinem personellen Geltungsbereich nur denjenigen, der Kampfmittel entgegen den bestehenden Vorschriften aus dem Inland ein- oder ausführt oder durch das Inland durchführt. Das kann nur die Partei im Sinne des Kriegsmaterialrechtes sein und Partei im Sinne des Kriegsmaterialrechtes kann - wie gesagt - weder die Behörde (Organ) noch der Organwalter in seiner amtlichen funktion, sondern nur derjenige sein, der Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Kriegsmaterial betreibt.
Daraus folgt, daß solange eine Bewilligung zur Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Kriegsmaterial rechtskräftig vorlag, weder der Straftatbestand des Kriegsmaterialrechtes noch des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB erfüllt sein kann.
Die Bestimmungen der Neutralitätsgefährdung im Lichte der Grundrechtserfordernisse
1. Ich habe mich in meinem mehrfach erwähnten Gutachten auch mit der Frage beschäftigt, wie sich der § 320 Abs. 1 Z 3 StGB zu den durch diese Strafbestimmung berührten Grund- und Freiheitsrechten verhält. Unter IV/9 ist der Bezug zum Recht auf Eigentum (Art. 5 StGG iVm Art. 1 I.ZP), zum Recht auf die Freizügigkeit des Vermögens (Art. 4 StGG) und zum Recht auf die Ausübung jedes Erwerbszweiges unter den gesetzlichen Bedingungen (Art. 6 StGG) hervorgehoben worden. die in den Art. 5 und 6 StGG genannten Grundrechte stehen unter einem Gesetzesvorbehalt. Als eine Ausführung dieser Gesetzesvorbehalte sind sowohl der § 320 Abs. 1 Z 3 des StGB als auch Bestimmungen des Kriegsmaterialgesetzes zu sehen. Bei Bachtung der Präambel des § 320 StGB ist zu erkennen, daß er - vorbehaltlich der übrigen Ausführungen in diesem Gutachten - nur angewendet werden kann, "während eines Krieges oder eines bewaffneten Konfliktes ..." "oder bei unmittelbar drohender Gefahr eines solchen Krieges oder Konfliktes"; ähnlich formuliert § 320 Abs. 1 Z 3 leg cit. Während hier das Kriegsmaterialgesetz außer Betracht bleiben kann, weil es die Bedingungen für behördliches Handeln festlegt, ist § 320 StGB relevant, weil er - zumindest scheinbar - das Tatbild für ein Delikt enthält. Die eben zitierten Wendungen im § 320 StGB sind für den Rechtsunterworfenen nicht einsehbar und auch nicht vorhersehbar, weil er grundsätzlich nicht jene Informationen zur Verfügung hat, um die im § 320 StGB festgelegten Voraussetzungen für eine Strafbarkeit verläßlich zu prüfen. Es ist sowohl der Kriegsbegriff schwankend als auch der Konfliktbegriff. In dieser Hinsicht ist der im B-VG verwendete Ausdruck "Krieg" (z.B. Art. 10 Abs. 1 Z 15, Art. 38 V-VG) veraltet; was schon allein daraus hervorgeht, daß in der Verfassungsreformkommission Tendenzen bestanden haben, diesen Ausdruck aus der Bundesverfassung zu eliminieren. Wenn der Begriff des Konfliktes verwendet wird, so kann man sich heute - in abstracto - am Landesverteidigungsplan und an der Verteidigungsdoktrin orientieren; doch sind diese Begriffe dort auf Österreich bezogen und nicht auf die Konflikte, an denen Österreich nicht beteiligt ist. Allein die Charakterisierung des Einsatzes der Alliierten in Verfolgung der Sicherheitsratsresolutionen bezüglich Kuweits fällt dem Fachmann schwer, wie soll ein Nichtfachmann die Existenz von Krieg und Konflikt zuverlässig beurteilen können ?
Da die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kampfmitteln unter strafrechtliche Sanktion gestellt wird, also Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial nicht frei von Zwang und Drohung stehen, ist der im StGB genannte Gesetzesvorbehalt ein die Ausübung der oben genannten Freiheiten beschränkender Vorbehalt. Damit der Vorbehalt verfassungsmäßig ist, muß er vorhersehbar und auch im Verhältnis zum gewährleisteten Grundrecht verhältnismäßig sein. Bei einer derartig unbestimmten Bedingung für die Strafbarkeit, die durch die unbestimmten Begriffe "Krieg" und "Konflikt" und durch den Verweis auf Vorgänge gekennzeichnet sind, über die verläßlich nur das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten Auskunft geben kann, kann weder von der Beachtung des Bestimmtheitsgebotes, noch von der für Vorbehaltsausführungen verlangten Verhältnismäßigkeit gesprochen werden. Das mangelnde Bestimmtheitsgebot und die mangelnde Verhältnismäßigkeit rücken den § 320 schon aus diesem Grund in die Nähe der Verfassungswidrigkeit. Allerdings ist § 320 StGB nicht geeignet, den Wesensgehalt der oben genannten Grundrechte zu treffen. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die Bewilligungspraxis nach dem Kriegsmaterialgesetz eine Tendenz aufwiese, die erkennen ließe, daß ein ganzer Wirtschaftszweig praktisch zum Erliegen gebracht würde. Obwohl im Bereich des Noricum-Untersuchungsausschusses solche Tendenzen den Parlamentariern, ja dem Nationalrat vorgeschwebt sein mochten (siehe vor allem die Z 215 des Berichtes des parlamentarischen Noricum-Untersuchungsausschusses, 1235 dBStenProt. NR XVII.GP)!
Zur verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit des § 320 StGB unter dem Gesichtswinkel der Verweisungstechnik und der mangelnden Bestimmtheit als Strafdrohung
1. § 320 StGB ist und enthält - wie gesagt - keine Generalklausel über die Neutralitätsgefährdung. Der Titel des Paragraphen gehört nicht zum normativen Teil des Rechtssatzes.
§ 320 Abs. 1 Z 3 StGB ist keine für sich vollziehbare Norm, er ist nur mit der verwiesenen Norm vollziehbar. Der personelle Geltungsbereich des § 320 StGB ist für sich nicht durch
§ 320 StGB bestimmt, weil er Personen betrifft, die entgegen dem Kriegsmaterialgesetz Kriegsmaterial ein-, aus- und durchführen. Das können Personen sein, die sich um die Gebote des Kriegsmaterialgesetzes überhaupt nicht kümmern, Personen, die um die Bewilligung der Ein-, Aus- und Durchfuhr zwar angesucht, diese aber nicht erhalten haben und dennoch Kampfmittel aus-, ein- oder durchführen, oder Personen, die beim Kriegsmaterialverkehr die im Bewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen und Bedingungen nicht berücksichtigen. Das alles ergibt sich aus dem Kriegsmaterialgesetz und nicht aus § 320 StGB !
§ 320 Abs. 1 Z 3 StGB ist hinsichtlich der Festlegung des personellen Geltungsbereiches durch den Tatbestand des Kriegsmaterialgesetzes verdrängt.
2. ...
(Die unter diesem Punkt im Gutachten angestellten Überlegungen werden nicht übernommen, weil sie den Unterschied in den subjektiven Tatbestandserfordernissen der §§ 320 StGB und 7 KMG nicht berücksichtigen.)
3. Da nach allem bisher Gesagten die Begehung einer "Tat" nach § 320 StGB denkunmöglich ist, kommt als Strafdrohung nur § 7 des Kriegsmaterialgesetzes in Frage. Das Kriegsmaterialgesetz ist aber für Manager als allfällige Parteien gemäß dem Kriegsmaterialgesetz solange nicht anwendbar, solange ein Bewilligungsbescheid rechtskräftigen Bestand hat. Das Kriegsmaterialgesetz ist in seiner Strafdrohung auf Behörden nicht anwendbar. Daher ist auch § 320 StGB nicht anwendbar. Mangels eines selbst vollziehbaren Tatbestandes im § 320 Abs. 1 Z 3 StGB steht die Strafdrohung des § 320 für sich und kann nur durch Analogieschlüsse oder Größenschlüsse - beides im Verhältnis zum zeitlich jüngeren Kriegsmaterialgesetz idF 1977 - sinnvoll angewendet werden. Wenn das aber der Fall ist, dann sind das Tatbild des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB eine Art Tautologie und die Strafdrohung des § 320 StGB ohne Tatbild.
4. Ferner ist auf die Art der Handhabung der Verweisungstechnik im § 320 Abs. 1 Z 3 StGB einzugehen. Unbestritten ist die Verweisung im § 320 Abs. 1 Z 3 StGB eine sogenannte "dynamische Verweisung", weil sie auf eine nicht klar fixierte und erkennbare Rechtsregel verweist, sondern auf "bestehende Vorschriften". Die gehörige verfassungskonforme Anwendung des § 320 StGB hängt daher von der Tragweite dieser eben genannten Verweisung ab. In den folgenden Ausführungen lehne ich mich an das mehrfach bezogene Gutachten an.
5. Es steht außer Zweifel, daß man es mit dem Hinweis auf "bestehende Vorschriften" im § 320 StGB mit einer Verweisung nach Lehre und Rechtsprechung zu tun hat. Diese Verweisung fällt in die Kategorie der "dynamischen Verweisungen". Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einer Reihe von Erkenntnissen mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Verweisungen beschäftigt (siehe z.B. VfSlg 6920/1970, 7085/1973, 7241/1973, 8172/1977, 10749/1986, 11281/1987 ua): Das Erk VfSlg 6290/1970 befaßt sich mit der Verweisung von Landesrecht auf Bundesrecht und findet in diesem Zusammenhang eine dynamische Verweisung für verfassungsrechtlich bedenklich. VfSlg 7085/1973 behandelt die Verweisung in § 25 Abs. 3 der Burgenländischen Wahlordnung auf § 35 Abs. 2 Nationalrats-Wahlordnung hinsichtlich Einspruchs- und Berufungsverfahren und wiederholt die Aussagen, die in VfSlg 6290/1970 getroffen werden. In VfSlg 7241/1973 betreffend den § 1 Abs. 1 Steiermärkisches Landesbeamtengesetz hält der VfGH an seinem Rechtsstandpunkt fest. In VfSlg 10749/1968 befaßt sich der VfGH mit einer sogenannten statischen Verweisung (Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß dem Ärztegesetz).
Der Kernsatz in seiner bisherigen Verweisungsjudikatur lautet:
"Es ist aber mit der Verfassung unvereinbar, daß der Gesetzgeber des Bundes oder eines Landes nicht selbst den Inhalt der Norm festlegt, sondern dies einem anderen Gesetzgeber überläßt, indem er für die Zukunft die jeweiligen Gesetzesbefehle des anderen Gesetzgebers als eigene Gesetzesbefehle erklärt, obwohl ihr Inhalt noch gar nicht feststeht und daher auch nirgends umschrieben ist. Hier hat es also der Landesgesetzgeber verfassungswidrigerweise dem Bundesgesetzgeber überlassen, den Gesetzesinhalt in Zukunft zu gestalten. Er hat damit auch seine Kompetenz aufgegeben."
Obwohl § 320 StGB auf andere bundesrechtliche Vorschriften verweist und insoweit unbedenklich wäre, wirft die Art der Verweisung bezogen auf ihr normatives Umfeld über die verfassungsrechtliche Judikatur hinausgehende, grundlegende verfassungsrechtliche Probleme auf (Punkte 6-10):
6. Der genannte Paragraph verweist auf die "bestehenden Vorschriften" und meinte im Jahre 1973 nämlich die Vorschriften des Kriegsmaterialrechtes deutschen Ursprungs, die im Jahre 1945 durch das Rechtsüberleitungsgesetz in die österreichische Rechtsordnung übernommen worden sind; sie unterscheiden sich hinsichtlich Tatbestand und Rechtsfolgen grundlegend von jenen, die das Kriegsmaterialgesetz 1977/82 vorsieht. Diese Verweisung deckt aber auch diejenigen Vorschriften, die an die Stelle der ursprünglich deutschrechtlichen Vorschriften getreten sind, ohne daß aber ihr normativer strafrechtlicher Gehalt mit genügender Bestimmtheit einsehbar vorbestimmt worden wäre.
Im gegebenen Falle ist die Verweisung also von ganz besonderer Art. Bis zum Inkrafttreten des Kriegsmaterialgesetzes (BGBl. 540/1977) bedeutete die Verweisung auf "bestehende Vorschriften" etwas anderes als nach dem Inkrafttreten des Kriegsmaterialgesetzes. Der § 320 StGB war so konzipiert, daß unter Strafdrohung allein die Verletzung der dort genannten Tatbestände stand, aber mit Inkrafttreten des Kriegsmaterialgesetzes steht - wie unter II angeführt - dann, wenn ein aufrechter Bewilligungsbescheid vorliegt, nichts unter Strafdrohung.
Der Verweis des § 320 StGB ist nicht in die Form eines unbestimmten Gesetzesbegriffes gekleidet. Er würde Auslegungsmöglichkeiten eröffnen. Der dynamische Verweis des § 320 StGB bezieht sich jedoch auf Rechtsvorschriften, deren Inhalt im Zeitpunkt der Erlassung des § 320 StGB anders beschaffen war als nach 1977. Daher ist die Frage zu stellen, ob der dynamische Verweis, der vor und nach 1977 erheblich andere Tatbestände erfaßt, dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit eines Gesetzes entspricht oder ob er wegen des völlig neuen Straftatbestandbildes aufgrund des neuen Kriegsmaterialgesetzes 1975 nicht nur im Gegensatz zu jenem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StGB steht und - wie unter II ausgeführt - überhaupt ins Leere geht. Er öffnet dem richterlichen Ermessen Tür und Tor und stellt sich als eine Blankettstrafnorm dar, was dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 EMRK klar widerspricht.
§ 320 StGB ist - rechtsstaatlich gesehen - grundsätzlich unanwendbar, solange ein rechtskräftiger Bescheid zur Bewilligung der Ein-, Aus- und Durchfuhr vorliegt. Seine Anwendung müßte zur Konventionswidrigkeit eines strafrechtlichen Verfahrens führen.
Es ist aber auch die Auffassung vertretbar, daß § 320 StGB zumindest seit dem Dazutreten des Kriegsmaterialgesetzes BGBl. 540/1977 verfassungswidrig geworden ist, weil die in ihm enthaltene Verweisungstechnik iVm dem Kriegsmaterialgesetz dem Gesetzmäßigkeitsprinzip, wie es im Art. 18 Abs. 1 und 2 B-VG enthalten ist und in der Judikatur des VfGH verstanden wird, widerspricht.
7. Nicht alle Verweisungen haben dieselbe Bedeutung. Sie berühren dort Rechtsstaatlichkeit und Gesetzesmäßigkeitsprinzip besonders, wo die Veweisungen Rechtsgüter betreffen, die mit der Wahrung von Grundrechten zusammenhängen und wo durch solche Verweisungen besondere Rechte und Pflichten angesprochen werden. Im Falle der Anwendung des § 320 StGB iVm dem Kriegsmaterialgesetz geht es um Fragen strafrechtlicher Verantwortlichkeit.
8. In keinem dieser "Verweisungserkenntnisse" ist es um Fragen gerichtlichen Strafrechtes gegangen. Hier liegt verfassungsrechtliches Neuland vor. die Anforderungen an Verweisungen auf "bestehende Vorschriften" müssen dort, wo es um die strafrechtliche Verantwortlichkeit geht, bei der Straftatbilder mit Strafdrohungen im Spiele stehen, strenger sein als bei Verweisungen, die verwaltungspolizeiliche Agenden betreffen. Der Grund für diese strengeren Anforderungen liegt darin, daß durch Akte der Strafverfolgung Entscheidungen über strafrechtliche Beschuldigungen und über das Ausmaß von Strafen getroffen werden. Sie berühren den Menschen in einem Grundrechtsbereich, wie er nicht vom ursprünglichen österreichischen Rechtsgut erfaßt, sondern erst durch die Integration internationaler Menschenrechtskonzeption deutlich wird. Es bedarf keines weiteren Beweises, daß Art. 6 und 7 MRK, die Garantien eines "fair trial" enthalten, in Österreich verfassungsrechtliches Neuland eröffneten, die aber von der Rechtsprechung des VfGH und des OGH anerkannt wurden (siehe ERMACORA/NOWAK/TRETTER, aaO, 55 f, 315 ff, 329 ff, 365 ff).
9. Daher wird man für solche Verweisungen qualifiziertere Forderungen aufzustellen haben als "nur" die Beachtung der Gesetzmäßigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG, wie sie für die gesamte staatliche Verwaltung gefordert und vom VwGH und vom VfGH verdeutlich wird. Hier geht es also um die Verfassungsmäßigkeit der Verweisung. Verweisungen im strafrechtlichen Bereich haben mit Gesetz sicherzustellen, daß
- a) die Strafnorm von vorneherein einsehbar ist,
- b) daß ein Straftatbestand unmißverständlich formuliert ist,
- c) daß die Strafdrohung voraussehbar ist und
- d) daß das Strafausmaß eindeutig festgelegt ist.
Wenn durch eine Verweisung im strafrechtlichen Bereich diese Bedingungen nicht erfüllt werden, dann ist eine Verweisung, neben der vom VfGH an sich schon erkannten Problematik nach Art. 18 B-VG, mit einer besonderen menschenrechtlichen Problematik behaftet.
Diese Problematik ist an der Frage zu messen, ob eine Verweisung ein "fair trial" im Sinne des Art. 6 MRK und eine "gesetzmäßige Strafdrohung" im Sinne des Art. 7 MRK gewährleistet. Das sind verfassungsrechtliche Normen, die gegenüber dem Art. 18 Abs. 1 B-VG spezialisiert sind. § 320 StGB ist problematisch, weil der Verweis auf "bestehende Vorschriften" selbst gemessen am Art. 18 Abs. 1 B-VG zu unpräzise ist; für den Rechtsunterworfenen ist ein geradezu "archivarischer Fleiß" erforderlich, die in Geltung stehenden Vorschriften ausfindig zu machen, die mit dieser Formel gemeint sind. Zudem muß bei einer Strafrechtsnorm der Straftatbestand im Gesetz selbst formuliert sein und darf nicht wie in § 320 StGB mit Verweisen, insbesondere nicht mit solchen allgemeiner Art, arbeiten.
In diesem Zusammenhang führen auch die Legistischen Richtlinien 1990 (wiedergegeben im Handbuch der Rechtsetzungstechnik, 1990, Teil 1, S 28, Z 63, hrsgg. vom Bundeskanzleramt) unter dem Titel "Verfassungsrechtlich unzulässige Verweisung" folgendes aus:
"Die Verweisung auf Rechtsvorschriften einer anderen normsetzenden Autorität 'in ihrer jeweils geltenden Fassung' ist verfassungsrechtlich unzulässig. Verfassungsrechtlich unbedenklich sind nur solche dynamische Verweisungen, mit denen in den Tatbestand einer Norm einzelne Elemente aufgenommen werden, deren Vorliegen auf Grund von Vorschriften eines anderen Normsetzers zu beurteilen ist (z.B. Tatbestandswirkungen, Vorfragen)." ...
Sind diese für das staatliche Handeln so wesentlichen verfassungsrechtlichen Kriterien nicht erfüllt, dann ist eine Verweisung - abgesehen von der durch den VfGH schon aufgezeigten Verweisungsproblematik - verfassungsrechtlich im höchsten Maße bedenklich.
Die Verweisung muß also Gesetzmäßigkeit - und im Falle des Strafrechts - auch Rechtmäßigkeit gewährleisten.
10. Die europäischen Instanzen haben zur Beachtung der Bestimmtheit einer gesetzlichen Norm im 'Sunday Times'-Fall, Z 49, EuGRZ 1979, 386 ff (387), folgendes ausgeführt:
49. Nach Meinung des Gerichtshofs lassen sich zwei Erfordernisse aus den Worten "vom Gesetz vorgesehen" ("prescribed by law") entnehmen. Das erste ist, daß das Recht ausreichend zugänglich sein muß: der Bürger muß in hinreichender Weise erkennen können, welche rechtlichen Vorschriften auf einen gegebenen Fall anwendbar sind.
Zweitens kann eine Norm nicht als "Gesetz" ("law") angesehen werden, wenn sie nicht so präzise formuliert ist, daß der Bürger sein Verhalten danach einrichten kann:
Er muß - gegebenenfalls aufgrund entsprechender Beratung - in der Lage sein, die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewißheit zu erkennen. (...)
Sie haben im Arrowsmith-Fall (DR, 18, 19, Z 64) folgendes aufgeführt:
The Commission further observes that an alleged uncertainty of the law may also give rise to issues under Article 7, or under those Convention rights which may be subject to limitations which are "prescribed by law" as e.g. the right to freedom of expression (see below paras. 79-83).
Sie haben im Barthold-Fall, Z 45, EuGRZ 1985, S 170 ff (173), folgendes ausgeführt:
45. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu dieser Frage muß der Eingriff eine Grundlage im innerstaatlichen Recht haben, die ausreichend zugänglich und mit hinreichender Genauigkeit formuliert ist, um dem einzelnen Rechtsunterworfenen die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten ggf. unter Zuhilfenahme rechtlicher Beratung darauf einzustellen (vgl. das bereits erwähnte Sunday Times-Urteil, Seite 30, Ziff. 48 = EuGRZ 1979, 386 (387) und Seite 31, Ziff. 49 = EuGRZ 1979, 387 sowie mutatis mutandis das Urteil im Fall Silver und andere vom 25.März 1983 Serie A, Nr. 61, Seiten 32-34, Ziff.85-88 = EuGRZ 1984, Serie A, Nr. 82, Seiten 31-32, Ziff. 66-68 = EuGRZ 1985, 17 (20 f.)).
Sowohl ein "fair-trial" nach Art. 6 MRK als auch eine konventionsgemäße Strafdrohung nach Art. 7 MRK verlangen Recht- und Gesetzmäßigkeit. Diese kann nur gegeben sein, wenn die Grundlagen für ein Strafverfahren, durch das eine "charge" ermittelt und festgestellt wird, so präzise formuliert sind, daß der Bürger sein Verhalten danach richten kann (siehe auch FROHWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 1985, 62 Rz 25).
Schlußfolgerung
§ 320 Art. (gemeint: Abs.) 1 Z 3 StGB ist und enthält keine Generalklausel für die Neutralitätsgefährdung. Er kann - kraft Verweisung - nur in Verbindung mit dem Kriegsmaterialrecht angewendet werden. Die Strafdrohung des § 320 ist so unbestimmt und für den Rechtsunterworfenen so unpräzise formuliert, also "unterdeterminiert", das Strafausmaß an sich so widersprüchlich formuliert, daß er kein "fair trial" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 7 Abs. 1 EMRK garantieren kann.
§ 320 Abs. 1 Zif. 3 StGB verletzt daher die im Verfassungsrang stehenden Gebote des Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK iVm
§ 1 StGB sowie das aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG folgende Bestimmtheitsgebot und ist somit verfassungswidrig.
Das in Spruchpraxis und herrschender Lehre vertretene Gebot, Gesetze im Zweifel verfassungsmäßig zu interpretieren, ist hier nicht anzuwenden, weil meiner Auffassung nach entsprechend der vorliegenden Ausführungen keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB vorliegen und man sich weder im Schrifttum noch in der gerichtlichen Praxis mit der verfassungsrechtlichen Seite des hier behandelten Straftatbestandes auseinandergesetzt hat. Das gilt auch für die "ratio decidendi", die im Bericht des Noricum-Untersuchungsausschusses kundgetan worden ist.
Eine Verletzung der im Verfassungsrang stehenden Gebote des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 7 Abs. 1 MRK iVm dem § 1 StGB sowie des aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip des Art. 18 Abs. 1 B-VG abzuleitenden Bestimmtheitsgebotes, wie sie den vorstehenden Ausführungen zu entnehmen ist, ergibt sich nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auch als Konsequenz des nach dem Wahrspruch der Geschworenen als berechtigt angenommenen Umfanges der Anwendung des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB:
Vorauszuschicken ist, daß sich aus dem Tatbild des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB selbst ein Verbot der Ausfuhr und Durchfuhr von Kampfmitteln nicht ableiten läßt (Foregger-Serini, StGB4 Erl. III zu § 320). Diese Gesetzesstelle verweist auf die auf diesem Gebiet bestehenden Vorschriften. Damit soll sichergestellt werden, daß dem Tatbestand nicht die Bedeutung eines allgemeinen Aus- und Durchfuhrverbots beigemessen wird, welches auch dann anzuwenden wäre, wenn in den verwaltungsrechtlichen Vorschriften ein Verbot der Aus- oder Durchfuhr von Kampfmitteln nicht enthalten ist (Dokumentation, § 320 Z 3, 240). Der § 320 Abs. 1 Z 3 StGB hat also im wesentlichen die Bedeutung eines Blankettstrafgesetzes, dessen Rahmen vor allem im Falle eines Krieges oder kriegerischen Einsatzes je nach Bedarf ausgefüllt werden kann (Liebscher, WK; § 320, RN 19). Solche Vorschriften enthält das Bundesgesetz über Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, kurz: KMG, BGBl. 1977/540 (Liebscher aaO, RN 20 und 24; Foregger-Serini aaO).
Damit wird durch den § 320 Abs. 1 Z 3 StGB - unter den im Einleitungssatz des § 320 StGB genannten Bedingungen - ein Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen des KMG unter Strafe gestellt; der materielle Inhalt dieser blankettausfüllenden Norm - insbes. die Bestimmung des § 3 dieses Gesetzes - ist Bestandteil des Tatbestandes (in diesem Sinne auch die Rechtsbelehrung an die Geschworenen, vgl. Band 203, ON 1967, S 57 und 59).
Gegen einen solchen gesetzestechnischen Vorgang der äußeren Trennung von Strafdrohung und Tatbestand bestehen zwar an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken (11 Os 130/90 gestützt auf VfSlg. 5.469/1967 zu § 33 Abs. 1 UWG). Im konkreten Fall ist jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, daß das KMG die zuständige Behörde verpflichtet, im Rahmen des Bewilligungsverfahrens auch Neutralitätsgebote zu beachten (§ 3 Abs. 1 Z 1 KMG). Die an einem Bewilligungsverfahren gemäß dem § 3 Abs. 1 KMG beteiligten Regierungsmitglieder haben sich zwar ungeachtet des Verweises auf den Art. 130 Abs. 2 B-VG im Absatz 1 der genannten Gesetzesstelle an den Kriterien von § 3 Abs. 1 Z 2 bis 6 KMG zu orientieren (AB 1149 BlgNR 15. GP). Eine solche Entscheidung hat jedoch letztlich politischen Charakter (s. abermals AB), zumal dem Waffenlieferungsverbot des § 320 StGB die Überlegung zugrunde liegt, daß "nur der neutrale Staat selbst entscheiden kann, auf welche geschäftlichen Beziehungen er sich unter Umständen mit den Kriegführenden einlassen kann, ohne seine Neutralitätspflicht zu verletzen" (Liebscher JBl. 1990, 629) und dabei z.B. auch außenpolitische Umstände eine Rolle spielen können (vgl. Doralt-Czoklich, ÖJZ 1991, 301 ff, insbes. 311), sodaß die vorgenannten Kriterien nur eine Orientierungshilfe bieten sollen (so auch Brandstetter/Loibl/Raschauer/Schmied, Neutralität und Waffenexporte, Ergänzungsband 1991, S 29). Damit trifft aber die Genehmigungsbehörde die Verantwortung für die Beachtung und Beurteilung der neutralitätsrechtlichen Gebote; der einzelne sollte damit - allenfalls abgesehen von dem Fall eines Rechtsmißbrauchs - aus der Verantwortung für die Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial entbunden sein, wenn er um eine entsprechende Genehmigung angesucht und sie erhalten hat. So vertritt auch das oben angeführte Gutachten dazu die Meinung, daß bei Vorliegen einer Ausfuhr-(Durchfuhr-)bewilligung der Tatbestand des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB nicht erfüllt sein könne (vgl. Brandstetter/Loibl, Neutralität und Waffenexporte, S 299 sowie Ergänzungsband S 40 f). In der Literatur zu vergleichbaren Fällen des Umweltstrafrechtes wird in diesem Zusammenhang von einem Rechtfertigungsgrund gesprochen (so Foregger/Serini, StGB4, § 180 Erl. IV; vgl. auch Helm, ÖZW 1988/3, S 79).
Aus der gemäß dem § 321 Abs. 2 StPO den Geschworenen zum gesetzlichen Merkmal "entgegen den bestehenden Vorschriften" des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB erteilten Rechtsbelehrung (vgl. oben) und aus dem Wahrspruch selbst ergibt sich nun aber, daß ausschließlich auf die materiellen Bestimmungen des KMG abgestellt wird. Die Rechtsbelehrung gab den Geschworenen keine Aufklärung darüber, daß etwa ein Bewilligungsbescheid im Sinn des KMG für den Bereich des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB eine konsensgemäßes Handeln rechtfertigende Bedeutung habe. Und diese Auslegung des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB findet im Gesetzeswortlaut Deckung, weil hier im Gegensatz zu den §§ 180 ff StGB nicht (auch) auf einen behördlichen Auftrag, sondern allein auf bestehende Vorschriften (somit auf den materiellen Inhalt genereller Normen) abgestellt wird. Anläßlich der Strafrechtsänderung 1987 (BGBl. 1987/605) wurde der Wortlaut des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB nicht geändert, obwohl insoweit vergleichbare Straftatbestände (Umweltstrafrecht, §§ 180 ff StGB) zwecks Einführung einer Verwaltungsakzessorietät entsprechend modizifiert wurden. Diese Tatsache steht einer Interpretation der Wortgruppe "entgegen den bestehenden Vorschriften" im § 320 Abs. 1 Z 3 StGB im Sinne einer Verwaltungsakzessorietät entgegen.
Eine solche unmittelbar am Gesetz (KMG) vorzunehmende Prüfung, ob das in Rede stehende Tatbestandsmerkmal im konkreten Fall erfüllt ist, führt somit - anders als bei der gesetzlich normierten Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechtes - zu einer Zweigleisigkeit des Verfahrens: Ungeachtet einer durch die nach dem KMG zuständige Behörde auch unter Beachtung von § 3 Abs. 1 Z 1 (also unter Einhaltung der neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen) erteilten Ausfuhrbewilligung kann - ganz allgemein auf die Bestimmungen des KMG abgestellt - der (objektive) Sachverhalt (in der Frage der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes) von den Strafgerichten anders beurteilt werden (vgl. dazu auch Bittmann, "Kriegsmaterialgesetz und Neutralitätsgefährdung" (RZ 1990, 242 ff), wonach in einem Gerichtsverfahren wegen Neutralitätsgefährdung auch immer geprüft werden muß, ob die behördliche Waffenexportbewilligung rechtmäßig war, sodaß der Strafrichter eine Kontrolle über verwaltungsbehördliche Akten ausübt, "die sonst den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts vorbehalten ist ..... Jeder Waffenexporteur, der weiß, daß die erteilte Ausfuhrbewilligung möglicherweise rechtswidrig ist, müßte sie vom Strafrichter überprüfen lassen ...").
Damit könnte und müßte aber eine letztlich politische Entscheidung über die Ausfuhr von z.B. Defensivwaffen in ein Kriegs-(Krisen-)gebiet - vom Fall einer in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erteilten Bewilligung abgesehen - von den Geschworenen im Rahmen eines Strafverfahrens nach dem § 320 Abs. 1 Z 3 StGB nicht nur unter den Aspekten der Z 2 bis 6 des § 3 Abs. 1 KMG, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Neutralitätsfrage (Z 1) selbständig und gegebenenfalls als strafrechtlich relevant beurteilt werden. Einer solchen (neuerlichen) Überprüfung der anläßlich der Bewilligung der Ausfuhr von Kriegsmaterial dabei von der (Verwaltungs-)Behörde vorgenommenen Interessenabwägung durch das Gericht steht einerseits der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung entgegen (vgl. Seiler, Kritische Anmerkungen zum StrÄG 1987, JBl. 1989, 760; Heine, ÖJZ 1991, 372; auch Petznek, Umweltstrafrecht, 38). Andererseits könnte eine Kontrolle dieser Art über die Rechtmäßigkeit derartiger Verwaltungsakte durch ein ordentliches Gericht aber auch als dem Verfassungsgrundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art. 94 B-VG) widersprechend angesehen werden.
Auch deshalb fehlt daher dem § 320 Abs. 1 Z 3 StGB im Hinblick auf die Art. 6 und 7 MRK unter Bedachtnahme auf die oben zitierten Entscheidungen der europäischen Instanzen Z 49, EuGRZ 1979, 386 ff und Z 45, EuGRZ 1985, 170 ff, die erforderliche Bestimmtheit und Einsehbarkeit. Der Normunterworfene kann nämlich selbst bei qualifizierter juristischer Befähigung und bei Studium der einschlägigen Fachliteratur nicht in hinreichender Weise erkennen, welche Folgen sein Verhalten hat. Er ist auch auf Grund entsprechender Beratungen nicht in der Lage, die Folgen mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewißheit zu erkennen.
Der Oberste Gerichtshof teilt ferner die Bedenken der Rechtsmittelwerber zu § 2 KMG.
Nach der Bundesverfassung (Art. 18 Abs. 2 B-VG) sind Verordnungen nur "auf Grund der Gesetze" zu erlassen. Das heißt, daß eine Verordnung bloß präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH: VfSlg. 7945/1976, 9226/1981, 9227/1981, 11.639/1988 ua; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, S 82). Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen daraus also alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz: VfSlg. 4139/1962, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976); eine bloße formalgesetzliche Delegation, die der Verwaltungsbehörde eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, stünde mit dem Art. 18 Abs. 1 (und 2) B-VG in Widerspruch (s. VfSlg. 4072/1961, 4300/1962).
Der § 2 KMG ordnet an, daß die Bundesregierung (im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates) durch Verordnung zu bestimmen hat, was als Kriegsmaterial anzusehen ist. Der Gesetzgeber verweist den Verordnungsgeber dabei auf den "jeweiligen Stand der militärtechnischen Entwicklung", determiniert also das spätere Verhalten des Verordnungsgebers bei der Definition "Kriegsmaterial" ausschließlich an diesem Kriterium. Der "jeweilige Stand der militärtechnischen Entwicklung" ist aber nur ganz bestimmten, speziell mit dieser Materie befaßten Sachverständigen zugänglich. Eine derartige "Technikklausel" ist nur dann als dem Bestimmtheitsgebot entsprechend anzusehen, wenn der Gesetzgeber dafür sorgt, daß die Vollziehung von qualifizierten technischem Sachverstand getragen ist, der Gesetzgeber also anordnet, daß und welche Sachverständige beizuziehen sind und welches konkret determinierte Verfahren dabei Anwendung findet. Das ist aber hier nicht der Fall. Der Begriff "militärtechnische Entwicklung" ist auch für sich allein deswegen nicht hinreichend aussagekräftig, weil es auf den Standpunkt ankommt, unter dem die "militärtechnische Entwicklung" betrachtet wird, ob es sich dabei um eine Entwicklung handelt, die gerade in Österreich abläuft oder ob dabei auch internationale Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Dabei wird ferner zu bedenken sein, daß eine solche Entwicklung auch aus Gründen der militärischen Geheimhaltung nicht voll zu überblicken ist.
Die Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 1, 3 und 7 KMG ist von der Definition des Begriffes "Kriegsmaterial" abhängig. Die Definition schlägt damit auch auf den § 320 Abs. 1 Z 3 StGB durch, zumal es keinem Zweifel unterliegen kann, daß - sofern nicht im Einzelfall konkrete Umstände dies ausschließen - die in der VO BGBl. 1977/624 als "Kriegsmaterial" aufgezählten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände als "Kampfmittel" iS des § 320 Abs. 1 Z 3 StGB anzusehen sind (Liebscher, aaO RN 23).
Aus all diesen Überlegungen sieht sich daher der zur Entscheidung über die Rechtsmittel der Angeklagten berufene Senat des Obersten Gerichtshofes veranlaßt, die Aufhebung der im Spruch genannten Bestimmungen als verfassungswidrig zu beantragen.
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