Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Zum Nachlaß des am 31.5.1990 verstorbenen, zuletzt in Österreich wohnhaften griechischen Staatsangehörigen Dr. Argyrios T***** haben dessen Witwe (die Rechtsmittelwerberin) und dessen eheliche Tochter, die am 13.3.1975 geborene Kerstin T*****, bedingte Erbserklärungen abgegeben. Ihre gesetzlichen Erbansprüche belaufen sich nach griechischem Recht auf 1/4 bzw. 3/4 des Nachlasses.
Der Erblasser war Miteigentümer von 479/18065 Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** KG K***** mit Ehegattenwohnungseigentum am Objekt W 21 des Hauses D*****gasse 94 in K*****. Sein diesbezüglicher halber Mindestanteil ist - worüber kein Streit besteht - gemäß § 10 Abs.1 WEG der nunmehrigen Rechtsmittelwerberin zugewachsen, die - auch das ist unstrittig - in der Wohnung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat und sie zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses braucht.
Zur Abfindung des der mj. Tochter als Mit- und Noterbin gemäß § 10 Abs.3 WEG zustehenden Anspruchs haben die Rechtsmittelwerberin und ihre von einer Kollisionskuratorin vertretene minderjährige Tochter in einem dem Verlassenschaftsgericht vorgelegten Erbteilungsübereinkommen vom 9.4.1991 einen Betrag von S 310.000,-- vorgesehen. Er basiert auf dem Verkaufspreis, der im Juni 1988 für die ebenfalls im Ehegattenwohnungseigentum stehende Nachbarwohnung erzielt wurde. Das Verlassenschaftsgericht hat sich jedoch mit diesem Übernahmspreis nicht zufrieden gegeben und zu dessen Überprüfung die gerichtliche Schätzung des erblasserischen Wohnungseigentumsanteils angeordnet.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß, erklärte jedoch mit dem Beisatz, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, die Anrufung des Obersten Gerichtshofes für zulässig, weil zur Frage der Notwendigkeit einer gerichtlichen Schätzung bei Ausmittlung des einem minderjährigen Noterben gemäß § 10 Abs.3 WEG zustehenden Anspruchs eine divergierende Rechtsprechung vorliege.
Auszugehen sei davon, daß bei einer für den überlebenden Ehegatten bedarfsqualifizierten Wohnung der Wert des halben Mindestanteiles des Verstorbenen aus dessen Nachlaß ausscheide. Die Verlassenschaft habe gegen den überlebenden Ehegatten nicht einmal eine Forderung, auf die etwa ein Nachlaßgläubiger greifen könnte. Statt dessen stehe dem Pflichtteilsberechtigten unmittelbar gegen den überlebenden Ehegatten eine Geldforderung zu, deren Höhe in der Pflichtteilsquote aus dem Übernahmspreis nach § 10 Abs.2 WEG (das sei der halbe Schätzwert des Mindestanteils) bestehe, und zwar unabhängig davon, ob im Nachlaß Deckung vorhanden sei, und auch ohne Einrechnung von Vorausempfängen (Würth in Rummel II, Rz 4 zu § 10 WEG mwN).
Diese Bestimmung stelle eine von den erbrechtlichen Vorschriften abweichende Sonderregelung dar, die im Sinne des "Obdachlosenschutzes" des überlebenden Ehegatten als vertretbar erachtet wurde. Gerade deshalb seien jedoch die der minderjährigen Miterbin gegen die erblasserische Witwe zustehenden "Pflichtteilsansprüche" besonders sorgfältig zu prüfen. Es könne nicht in Zweifel gezogen werden, daß die Möglichkeit einer einvernehmlichen Festsetzung des Wertes iS des § 10 Abs.2 WEG nicht in Frage komme, weil bei Beteiligung Minderjähriger ein Inventar errichtet werden müsse. Das bedeute wiederum, daß eine verläßliche Aussage über den Wert des erblasserischen Mindestanteils nur auf Grund einer gerichtlichen Schätzung erlangt werden könne. Die Heranziehung eines vor Jahren für eine Nachbarwohnung erzielten Verkaufspreises erscheine für eine zuverlässige Ermittlung des Schätzwertes des Mindestanteils nicht ausreichend. Einerseits habe sich der Realitätenmarkt seit 1988 wesentlich verändert, andererseits sei gerichtsbekannt, daß bei Eigentumswohnungen eine ganz beträchtliche Preissteigerung erfolgte. Unter diesen Gesichtspunkten könne der von der Rechtsmittelwerberin zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30.3.1979, 1 Ob 568/79 (= EvBl. 1979/214), nicht beigetreten werden. Gerade weil § 10 Abs.3 WEG den überlebenden Ehegatten gegenüber sonstigen Miterben ganz erheblich begünstige, sei zur Wahrung des Kindeswohls die Schätzung des Mindestanteils des Erblassers unbedingt erforderlich. Es liege im Interesse der pflegebefohlenen Miterbin, die Höhe ihres "Pflichtteilsanspruchs" unter Bedachtnahme auf den Verkehrswert der Liegenschaft genau auszumitteln. Daß aber der Verkehrswert einer Liegenschaft zuverlässig nur durch eine gerichtliche Schätzung ermittelt werden könne, bedürfe keiner weiteren Erläuterung. Der Umstand, daß dadurch Sachverständigengebühren entstehen, müsse im Interesse des minderjährigen Kindes in Kauf genommen werden, zumal der Wert der Verlassenschaft ohnehin erheblich sei. Die geringen Barmittel könnten daran nichts ändern.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der vorliegende Revisionsrekurs der erblasserischen Witwe mit dem Antrag, ihn ersatzlos aufzuheben und das Erbteilungsübereinkommen vom 9.4.1991 zu genehmigen; allenfalls möge dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar nicht wegen der vom Rekursgericht angenommenen Judikaturdifferenz, wohl aber deshalb zulässig, weil das angesprochene Rechtsproblem - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde. Berechtigt ist der Revisionsrekurs jedoch nicht.
Vorauszuschicken ist, daß die Rechtsnachfolge in den halben, mit Ehegattenwohnungseigentum verbundenen Mindestanteil des Erblassers an der EZ ***** KG K***** zutreffend nach § 10 WEG beurteilt wurde. Für die Vererbung von Ehegattenwohnungseigentum an inländischen Objekten gelten nämlich im Wege der "Sonderanknüpfung" für Eingriffsnormen die Vorschriften des österreichischen Wohnungseigentumsrechts unabhängig vom Erbstatut (Schwimann in Rummel II, Rz 5 zu § 28 IPRG und Rz 13 vor § 35 IPRG).
Ein zweites, von den Vorinstanzen nicht ausdrücklich erörtertes Rechtsproblem betrifft die Durchführung einer inländischen Verlassenschaftsabhandlung. Auch dies entspricht der Rechtslage, weil § 22 AußStrG die Abhandlung über die in Österreich liegenden unbeweglichen Güter eines verstorbenen Ausländers den dazu berufenen österreichischen Gerichten überträgt. Bei der Sonderrechtsnachfolge des überlebenden Ehegatten in den Wohnungseigentumsanteil des anderen fällt zwar nur die Geldforderung auf Zahlung des Übernahmspreises (bei einer iS des § 10 Abs.3 WEG bedarfsqualifizierten Wohnung nicht einmal diese) in den Nachlaß (Welser, Das Wohnungseigentumsgesetz 1975, NZ 1975, 153 f; Faistenberger-Barta-Call, Komm.z.WEG, Rz 53 und 73 zu § 10; Czermak, JBl. 1987, 375), doch wäre es sachlich nicht zu begründen, die Sonderrechtsnachfolge von der inländischen Abhandlungspflege auszunehmen, wenn ihr der vom Gesetzgeber als gleichwertig angesehene erbrechtliche Erwerb gemäß § 10 Abs.1 erster Halbsatz WEG unterliegt. Die Verlassenschaftsabhandlung hat sich dann eben auf die Surrogate des anteiligen Ehegattenwohnungseigentums des Erblassers zu beziehen (im Ergebnis gleichlautend Kralik, Die Eigentumswohnung von Ehegatten in der Verlassenschaftsabhandlung, NotZ 1978, 167).
Schließlich ist klarzustellen, daß die mj. Kerstin T***** nach den hier anzuwendenden griechischen Sachnormen nicht nur gesetzliche Erbin, sondern auch Noterbin nach ihrem verstorbenen Vater ist (Art.1825 des Zivilgesetzbuches von Griechenland, Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, III1, Griechenland, erster Teil, 69). Im inländischen Verlassenschaftsverfahren sind daher die einem minderjährigen Noterben zukommenden Rechte zu wahren, wozu gehört, daß gemäß § 92 Abs.2 Z 1 AußStrG von Amts wegen ein Inventar zu errichten ist und gemäß § 102 Abs.2 AußStrG die Schätzung unbeweglicher Güter angeordnet werden kann, wenn dies etwa zur Berechnung des Pflichtteils erforderlich erscheint. Auf Werte aus früheren Verträgen, alte Schätzungen oder auf den Einheitswert dürfte diesfalls nur zurückgegriffen werden, wenn dem Schutzbefohlenen keinerlei Gefahr eines Vermögensnachteils droht (vgl. Bubak, Inventar ohne Schätzung, NotZ 1966, 51). Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall vom Sachverhalt der Entscheidung EvBl. 1979/214, in der von der Schätzung einer in die Erbmasse fallenden Liegenschaft nur deshalb Abstand genommen wurde, weil dem Minderjährigen ohnehin ein seinem Erbrecht entsprechender Miteigentumsanteil verschafft werden sollte.
Den hier aufgezeigten rechtlichen Gegebenheiten haben die Vorinstanzen entsprochen, als sie die Schätzung des der Rechtsmittelwerberin zugewachsenen Wohnungseigentumsanteils anordneten, um den Übernahmspreis und in weiterer Folge den der Tochter geschuldeten Geldbetrag errechnen zu können. Dagegen wird im Revisionsrekurs eigentlich nur vorgebracht, die in § 10 Abs.2 WEG für den Fall einer Inventarerrichtung vorgeschriebene Ermittlung des Verkehrswerts des mit dem gemeinsamen Ehegattenwohnungseigentum verbundenen Mindestanteils komme hier gar nicht in Betracht, weil bei einer iS des § 10 Abs.3 WEG bedarfsqualifizierten Eigentumswohnung "der Abs.2 gar nicht gilt". Die wesentliche Aussage dieser Gesetzesbestimmung besteht jedoch darin, daß im Fall des bedarfsqualifizierten Wohnungseigentums kein Übernahmspreis in den Nachlaß fällt (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 8 zu § 10 WEG). Die Ersatzansprüche der Pflichtteilsberechtigten haben sich jedoch am "Übernahmspreis im Sinne des Abs.2" zu orientieren, so daß auf den Verkehrswert des gemeinsamen Ehegattenwohnungseigentums abzustellen ist, wenn ein Inventar errichtet wird. Damit wollte der Gesetzgeber jene Fälle erfassen, in denen ein besonderes Bedürfnis nach Rechtsschutz besteht.
Hier liegt - wie bereits erwähnt - ein solcher Fall gesetzlicher notwendiger Inventarisierung vor. Dadurch ist den Parteien die Möglichkeit einer einvernehmlichen Bestimmung des Übernahmspreises genommen, wie sie letztlich durch das Erbteilungsübereinkommen vom 9.4.1991 angestrebt wird. Das Verlassenschaftsgericht hat vielmehr - um den Abfindungsanspruch der minderjährigen Noterbin zu bemessen - den Verkehrswert des Ehegattenwohnungseigentums zu ermitteln, womit sich das Problem der Bewertung eines unbeweglichen Gutes stellt (vgl. Faistenberger-Barta-Call aaO, Rz 74 zu § 10 WEG). § 102 Abs.2 AußStrG (vgl. § 224 ABGB) sieht hiefür zwar noch andere Möglichkeiten als die Begutachtung durch Sachverständige vor, doch kann in Wahrnehmung gesetzlicher Obsorgepflichten für Personen mit beschränkter Geschäftsfähigkeit auf die Beiziehung von Sachverständigen nicht verzichtet werden, wenn - wie hier - die Gefahr einer vermögensrechtlichen Benachteiligung Minderjähriger nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Zu Recht haben die Vorinstanzen aufgezeigt, daß die Bezugnahme auf den vor ca. 3 Jahren erzielten Kaufpreis für die Nachbarwohnung zu wenig verläßlich ist. Das Erstgericht wird daher trotz der unbestreitbaren Kostenbelastung des Nachlasses gemäß § 103 Abs.1 AußStrG den Wert des Ehegattenwohnungseigentums durch zwei Sachverständige zu erheben haben.
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