Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafe auf 15 (fünfzehn) Jahre erhöht.
Hierauf wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Karl S***** wurde auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen schuldig erkannt, am 9.Juli 1990 in Bruck an der Leitha Anton T***** durch Versetzen von mehreren Schlägen mit einem Holzprügel auf den Kopf, die eine Zertrümmerung des Stirnbeines, Brüche im Bereich der Augenhöhlen, eine Zertrümmerung des Nasenbeines, einen Bruch des rechten Jochbeines, vereinzelte Brüche im Gesichts-Schädelbereich sowie eine Zertrümmerung der Schädelbasis im Bereich der beiden vorderen (Schädelgruben) und der rechten mittleren Schädelgrube zur Folge hatten, vorsätzlich getötet und hiedurch das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB begangen zu haben.
Die Geschwornen hatten die einzige anklagekonforme (Haupt-)Frage stimmenmehrheitlich bejaht.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer (ziffernmäßig) auf die Gründe der Z 6, 10 a und 11 lit a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund sieht der Beschwerdeführer dadurch verwirklicht, daß weder eine Zusatzfrage über seine "Schuldfähigkeit" (gemeint: nach dem Vorliegen der Voraussetzung des § 11 StGB) noch eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlages (§ 76 StGB) gestellt wurde.
Die von ihm behaupteten Verletzungen der §§ 313 und 314 Abs. 1 StPO sind dem Schwurgerichtshof jedoch nicht unterlaufen, weil Tatsachen, die, wenn sie als erwiesen angenommen worden wären, den Ausschluß der Strafbarkeit oder die Unterstellung der Tat unter ein anderes Strafgesetz begründet hätten, in der Hauptverhandlung nicht vorgebracht wurden:
Zwar trifft es zu, daß der psychiatrische Sachverständige in seinem in der Hauptverhandlung (laut AS 182) aufrechterhaltenen Gutachten (ON 18/I Bd dA 22 b Vr 7642/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) vom Bestehen eines abnormen Zustandes beim Angeklagten ausgeht, bei welchem die geistige Entwicklung reduziert und in einem früheren Entwicklungsstadium steckengeblieben ist; der Sachverständige hat jedoch diese Abweichung von der Norm - eine intellektuelle Minderbefähigung im Sinne eines leichten Schwachsinnes - als nicht einmal ausgeprägt bezeichnet und schließlich betont, daß keinerlei Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der psychischen Befindlichkeit vorhanden sind. Da sohin eine Unfähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tötung eines Menschen zu erkennen oder sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, weder durch das psychiatrische Sachverständigengutachten noch durch andere Verfahrensergebnisse indiziert war, war keine Zusatzfrage zu stellen.
Auch eine Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlages hatte zu unterbleiben: Ihre Stellung hätte nämlich das Vorliegen von Anhaltspunkten dafür vorausgesetzt, daß der Angeklagte sich zur Tat in einer Gemütsbewegung hinreißen ließ, die nicht nur heftig, sondern auch allgemein begreiflich war. Besondere Umstände, unter denen sich auch ein durchschnittlich rechtstreuer Mensch vorstellen kann, in einen gleich heftigen Affekt zu geraten (vgl ENr 8 und 14 zu § 76 StGB in Mayerhofer-Rieder3), sind in der Hauptverhandlung, in welcher der Angeklagte die Tat überhaupt leugnete, auch nicht auf Grund der Vorhalte und Verlesungen aus den von ihm vor der Gendarmerie sowie im gerichtlichen Vorverfahren abgelegten Geständnissen hervorgekommen. Die behauptete Hänselei durch T*****, die sich auf den wiederholten Vorhalt beschränkte, der Angeklagte habe Angst vor Pferden und könne mit diesen nicht umgehen (AS 21 in Band I dA 22 b Vr 7642/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) und eine angebliche Beschimpfung als "Tepp" (AS 40 des zuletzt angeführten Aktenbandes) hätten bei einem durchschnittlich rechtstreuen Menschen von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der spezifischen Tatsituation keinen hochgradigen Affekt ausgelöst. Trat aber ein solcher beim Angeklagten nur auf Grund seiner besonderen Persönlichkeitsstruktur - die durch Neigung zu Stimmungsschwankungen und Primitivreaktionen sowie durch verminderte Frustrationstoleranz gekennzeichnet ist (S 12 des oberwähnten psychiatrischen Gutachtens) - auf, dann beruhte er auf einem Charakterfehler, der die allgemeine Begreiflichkeit der Gemütsbewegung ausschließt (vgl ENr 10 zu § 76 StGB in Mayerhofer-Rieder3).
Der unter dem Gesichtspunkt der Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO unternommene Versuch, die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen allein mit dem Hinweis darauf in Zweifel zu ziehen, daß an der Kleidung des Angeklagten keine Kalkspuren vorgefunden wurden, wie sie nach dem von ihm zunächst eingestandenen Überschütten der Leiche mit Kalk zu erwarten gewesen wären, schlägt gleichfalls fehl: Nach den Angaben der gerichtsärztlichen Sachverständigen in der Hauptverhandlung (AS 187 oben) wurde die Kleidung des Angeklagten, der erst Wochen nach der Tat verhaftet wurde, gar nicht auf Kalkspuren untersucht.
Der Nichtigkeitsgrund nach Z 11 lit a des § 345 Abs. 1 StPO wurde vom Angeklagten nur ziffernmäßig geltend gemacht, jedoch nicht ausgeführt.
Die zur Gänze unbegründete bzw teilweise unausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe, wobei es als erschwerend nichts, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, das vor der Gendarmerie abgelegte Geständnis und die intellektuelle Minderbefähigung des Angeklagten wertete.
Dagegen richten sich die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft.
Keine der beiden Berufungen kann vom Erstgericht übersehene Erschwerungsgründe oder Milderungsgründe aufzeigen. Denn mit dem sonstigen Verhalten des bisher unbescholtenen Angeklagten ist der nunmehr von ihm begangene Mord durchaus im auffallenden Widerspruch, mag er auch - wie die Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel ausführt - "im Sandlermilieu als Stänkerer" bekannt gewesen sein. Daß das Geständnis des Angeklagten nur vor der Gendarmerie abgelegt, in der Hauptverhandlung aber widerrufen worden war, wurde vom Erstgericht ausdrücklich berücksichtigt.
Die als mildernd genannte intellektuelle Minderbefähigung des Angeklagten, die er in seinem Rechtsmittel besonders herausstreicht, deckt ersichtlich alle Umstände, die seinen schwachen Verstand (§ 34 Z 1 StGB) begründen, ab. Im übrigen bedurfte es auch für den Angeklagten, der Analphabet ist, keiner besonderen geistigen Fähigkeiten, um das Unrecht der Tötung eines Mitmenschen ausreichend zu erfassen.
Mag auch seine Zurechnungsfähigkeit durch den von ihm angegebenen Alkoholkonsum beeinträchtigt und dadurch seine Schuld etwas gemindert gewesen sein, so zeigen doch die näheren Umstände der Tat, wonach der Angeklagte sein Opfer zu Tode prügelte und dann die Leiche einmauerte, seine, gegenüber dem rechtlich geschützten höchsten Wert des Lebens, deutlich ablehnende Einstellung.
Die dadurch geprägte (s § 32 Abs. 2 StGB) Schuld des Angeklagten verbietet aber eine an der Untergrenze des zeitlichen Strafrahmens liegende Freiheitsstrafe, die demgemäß auf das im Spruch genannte Maß zu erhöhen war.
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