OGH 6Ob607/91

OGH6Ob607/9126.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wiener Gebietskrankenkasse, ***** vertreten durch Dr.Robert Amhof, Dr.Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Silvia M*****, Geschäftsführerin, ***** wegen S 50.440,55 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 30.Juli 1991, GZ 45 R 476/91-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9.Juli 1991, GZ 30 C 787/81v-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt nach Klagseinschränkung den Betrag von S 50.440,55 sA mit dem wesentlichen Vorbringen, die Beklagte hafte als Geschäftsführerin der Erika B***** GesmbH aufgrund einer Bürgschaftserklärung vom 15.2.1991 für deren rückständige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe des Klagsbetrages. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes - die Beklagte ist in Mödling wohnhaft - gründe sich auf eine Gerichtsstandvereinbarung.

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Das der Klage zugrundeliegende Rechtsgeschäft sei von der Klägerin als Unternehmerin und von der Beklagten als Verbraucherin geschlossen worden. Gemäß § 14 KSchG könne nur die Zuständigkeit eines solchen Gerichtes begründet werden, in dessen Sprengel der Wohnsitz, gewöhnliche Aufenthalt oder der Ort der Beschäftigung des Verbrauchers liege. Dies treffe nach den Klagsangaben hier nicht zu.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin keine Folge.

Es führte aus, das wesentliche Merkmal eines Unternehmens sei eine auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit. Der Geschäftsführer einer GesmbH handle bei Übernahme einer Bürgschaft für das Unternehmen nicht als dessen organschaftlicher Vertreter, sondern im eigenen Namen. Er sei daher Verbraucher im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG. Die Klägerin sei als juristische Person des öffentlichen Rechtes Unternehmer nach § 1 Abs 2 KSchG. Bei dem vorliegenden Verbrauchergeschäft sei daher eine Gerichtsstandvereinbarung nur im Rahmen des § 14 KSchG zulässig.

Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil die Entscheidung von einer klaren, auch in der Judikatur und Literatur so verstandenen Gesetzeslage beruhe, wenngleich eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Verbraucherstellung eines GesmbH-Geschäftsführers fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Das erste Hauptstück des KSchG gilt gemäß dessen § 1 Abs 1 für Rechtsgeschäfte, an denen einerseits jemand, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört (Unternehmer) und andererseits jemand, für den dies nicht zutrifft (Verbraucher), beteiligt ist. Nach § 1 Abs 2 KSchG ist Unternehmen jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger geschäftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Juristische Personen des öffentlichen Rechtes gelten immer als Unternehmer.

Der Unternehmerbegriff ist damit dahin definiert, daß derjenige Unternehmer ist, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört. Der Unternehmer muß somit ein Unternehmen - eine auf Dauer angelegte Organisation selbständiger geschäftlicher Tätigkeit - "haben" oder darüber, etwa als Nutzungsberichtigter "verfügen", wobei eine bestimmte Betriebsgröße jedenfalls nicht gefordert ist. Der Geschäftsführer einer GesmbH handelt, wenn er für die juristische Person tätig wird, nicht im eigenen Namen, sondern als deren organschaftlicher Vertreter, verpflichtet oder berechtigt somit unmittelbar die GesmbH. Davon zu trennen sind Handlungen eines Geschäftsführers, die er nicht namens der Gesellschaft als deren Organ, sondern im eigenen Namen mit einem Dritten abschließt. Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, daß ein Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für Schulden der GesmbH übernimmt, mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher anzusehen ist (vgl Krejci in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1 KSchG).

Durch einen Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich ein Dritter, den Gläubiger zu befriedigen, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeit nicht erfüllt. Die rechtsgeschäftliche Bürgschaft entsteht durch Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen. Sie stellt entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin kein Rechtsgeschäft dar, das im Sinne der Ausführungen von Kosesnik-Wehrle in KSchG S 26 "beiderseits im Betrieb eines Unternehmens geschlossen wird", mag auch im Regelfall zwischen dem Bürgen und dem Schuldner eine interne Absprache über die Aufnahme der Bürgschaft bestehen.

Es besteht auch kein Zweifel, daß die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechtes als Unternehmer anzusehen ist. Es trifft zu, daß Akte der Hoheitsverwaltung einer solchen Körperschaft nicht unter den Schutz des KSchG fallen und nur Tätigkeiten im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung davon erfaßt werden sollen. Es besteht auch kein Zweifel daran, daß die Vorschreibung und Einhebung von Sozialversicherungsbeiträgen in den Bereich der Hoheitsverwaltung fällt. Bedient sich jedoch eine Körperschaft öffentlichen Rechtes zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen privatrechtlicher Instrumente, wie etwa des Abschlusses eines Bürgschaftsvertrages, so sind solche nach Privatrecht abgeschlossene Verträge auch den Normen des Privatrechtes unterworfen.

Der erkennende Senat vermag sich der zu § 11 KSchG in der Entscheidung 7 Ob 524/91 unter Berufung auf Schilcher im Handbuch zum KSchG Seite 449 vertretenen Ansicht, wenn der Vertragspartner des Akzeptanten selbst Unternehmer sei, liege nach dem Wortlaut des § 1 KSchG überhaupt kein Verbrauchsgeschäft vor, der Konsument als Bürge genieße "aus diesem Grund" keinen Schutz vor einem Orderwechsel, in dieser allgemeinen Form nicht anzuschließen. Schilcher (aaO) behandelt nämlich den Fall, daß zwischen dem Hauptschuldner, einem Unternehmer, und dem Gläubiger, einem Verbraucher, ein Verbrauchsgeschäft vorliegt und der Bürge des Hauptschuldners Verbraucher ist, dem Bürgen somit deshalb der Schutz des KSchG nicht zuteil wird, weil der Bürgschaftsvertrag zwischen zwei Verbrauchern zustandegekommen ist. Wenn aber wie im vorliegenden Fall der Gläubiger der verbürgten Schuld Unternehmer ist und beim Abschluß des Bürgschaftsvertrages einem Verbraucher gegenübersteht, mag sich dieser auch für einen Unternehmer verbürgt haben, dann liegt jedenfalls ein Rechtsgeschäft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Sinne des § 1 KSchG vor, das den zwingenden Bestimmungen des ersten Hauptstückes des KSchG unterliegt. Eine von den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 14 KSchG abweichende Gerichtsstandvererinbarung kann daher nicht gültig getroffen werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen, das Erstgericht wird über den für den Fall der Erfolglosigkeit des Rechtsmittelverfahrens gestellten Antrag gemäß § 230a ZPO zu entscheiden haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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