Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die mittlerweile liquidierte und am 11.Oktober 1990 im (nunmehrigen) Firmenbuch gelöschte M.***** Wohnbaugesellschaft mbH in Liquidation (im folgenden nur Gesellschaft) - Gesellschafter waren die nunmehrigen Zweit- und Drittrevisionsrekurswerber, einziger Liquidator war der nunmehrige Erstrevisionsrekurswerber - errichtete als Bauträger in den Jahren 1986 bis 1988 eine aus drei Mehrfamilienhäusern bestehende Eigentums-Wohnhausanlage in W*****, deren allgemeine Teile trotz diverser Mängelbehebungsversuche durch die Professionisten nach wie vor erhebliche Mängel aufweisen. Der liquidierten Gesellschaft wurden zur Sicherstellung und Behebung der Baumängel seinerzeit Bankgarantien und Haftrücklässe übergeben.
Im ersten Rechtsgang bestellte das Erstgericht, einem Antrag der beiden gemäß § 17 WEG bestellten Verwalter der Wohnungseigentumsgemeinschaft der genannten Wohnanlage folgend, den vormaligen Liquidator zum Nachtragsliquidator, weil am 28. September 1990 gegen die Gesellschaft zu AZ 16 Cg 36/91 des Landesgerichtes Innsbruck eine am 8.Oktober 1990 durch Hinterlegung zugestellte Klage eingebracht worden und zur Fortsetzung dieses (unterbrochenen) Verfahrens die Bestellung eines Nachtragsliquidators erforderlich sei. Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, weil ein anhängiger Rechtsstreit gegen die gelöschte Gesellschaft für sich allein die Nachtragsliquidation nicht rechtfertigen könne. Es werde aber nach Aufnahme der von den Antragstellern angebotenen Bescheinigungsmittel zu prüfen sein, ob noch ein der Verteilung unterliegendes Vermögen der Gesellschaft vorhanden sei. Denn die Antragsteller hätten behauptet, daß eine Gesellschaftereinlage von 250.000 S aushafte.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag auf Bestellung des vormaligen Liquidators zum Nachtragsliquidator ab. Denn eventuelle, von der liquidierten Gesellschaft bisher nicht erhobene Mängelbehebungsansprüche könnten ebensowenig ein der (Nachtrags)Verteilung unterliegendes Aktivvermögen bilden wie die nur theoretisch bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme von Bankgarantien und Haftrücklässen.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahingehend ab, daß der vormalige Liquidator gemäß § 93 Abs 5 GmbHG zum Nachtragsliquidator bestellt wurde. Der Revisionsrekurs (§ 14 Abs 1 AußStrG) wurde zugelassen. Nach der Rechtsauffassung der zweiten Instanz seien auch Wandlungsansprüche (mit dem Anspruch auf Rückforderung des Werklohnes),
Preisminderungs-, Verbesserungs- und Schadenersatzansprüche ein "Vermögen" iS des § 93 Abs 5 GmbHG. Gleiches gelte für nicht in Anspruch genommene Haftrücklässe und Bankgarantien. Im übrigen sei die Gesellschaft nach Beendigung der Liquidation gelöscht worden, weil der Liquidator der Auffassung gewesen sei, daß die Mängel der Wohnanlage zur Gänze von den verantwortlichen Professionisten behoben worden seien. Diese Meinung erweise sich unter Zugrundelegung des auf der Befundaufnahme vom 12.Oktober 1990 beruhenden (Privat)Gutachtens des Sachverständigen Baumeister Ing.Herbert P***** vom 5.November 1990 als unrichtig. Es seien somit zur Realisierung der Mängelbehebungsansprüche gegenüber den bauausführenden Firmen weitere Abwicklungsmaßnahmen erforderlich, die unter der hier gebotenen analogen Anwendung des § 214 Abs 4 AktG für sich allein eine Nachtragsliquidation rechtfertigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des bestellten Nachtragsliquidators und der Gesellschafter der Gesellschaft i.L. ist zulässig (Reich-Rohrwig,
Das österr.GmbH-Recht 721 f; Hohner in Hachenburg, GmbHG7, § 74 dGmbHG Rz 37), aber nicht berechtigt.
Nach herrschender Auffassung wirkt die Löschung im Firmenbuch nur deklarativ, sodaß die Gesellschaft mbH solange fortbesteht, als noch ungeteiltes Aktivvermögen vorhanden ist (ecolex 1990, 417; SZ 58/168, SZ 58/3 ua; Reich-Rohrwig aaO, 656; Gellis-Feil, Kommentar zum GmbH-Gesetz2 475; eingehend Schiemer, AktG2, § 214 Anm 5.2.). Gemäß § 93 Abs 5 GmbHG hat das Handelsgericht der Hauptniedelassung einer Gesellschaft mbH auf Antrag eines Beteiligten die bisherigen Liquidatoren wieder zu berufen oder andere Liquidatoren zu bestellen, wenn sich nachträglich - somit nach Löschung der Gesellschaft mbH im Firmenbuch - noch weiteres der Verteilung unterliegendes Vermögen herausstellt. Antragslegitimiert sind Beteiligte. Dazu gehören Gesellschafter, frühere Gesellschaftsorgane und Dritte, die ein Interesse an der Verwertung, Befriedigung oder Verteilung von vorhandenem Gesellschaftsvermögen haben (Reich-Rohrwig aaO, 721; Hohner aao Rz 37). Dazu zählen auch nicht (voll) befriedigte Gläubiger (Gellis-Feil aaO, 477; Hohner aaO, Rz 37; Lutter-Hommelhoff, GmbH-Gesetz13 § 74 dGmbHG Rz 19 f). Nach § 17 Abs 1 erster Satz WEG steht dem Verwalter, ungeachtet anderer vertraglicher Regelungen, die Verwaltung der Liegenschaft, besonders die Vertretung aller Miteigentümer und hierbei auch die Bestellung eines berufsmäßigen Parteienvertreters, in den Angelegenheiten zu, die die Verwaltung der Liegenschaft mit sich bringt. Der Verwalter ist nach § 837 ABGB Machthaber (Bevollmächtigter) der Miteigentümer, übt also Rechte nicht im eigenen Namen, sondern im Namen und für Rechnung der Miteigentümer aus. Er kann daher auch nicht an Stelle der Gemeinschaft klagen und geklagt werden (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, § 17 WEG Rz 1). Als Machthaber vertritt der Verwalter die Miteigentümer gegenüber Dritten; gibt er sich diesen ausreichend als Verwalter zu erkennen, ist er direkter Stellvertreter, auch wenn er - wie hier - die Namen der Miteigentümer nicht nennt (Gamerith in Rummel2, § 837 ABGB Rz 5 mwN). Erkennbar stellen auch hier die beiden Verwalter den Antrag nach § 93 Abs 5 GmbHG nicht im eigenen Namen, sondern namens der Miteigentümer als Gläubiger der Gesellschaft.
Erfordernis der Nachtragsliquidation ist die Bescheinigung (Gellis-Feil aaO, 477; Rasner in Rowedder, GmbHG2 § 74 dGmbHG Rz 11) eines als verwertbar anzusehenden Vermögens, somit von Aktiva (Reich-Rohrwig aaO, 721; Gellis-Feil aaO, 477 unter Hinweis auf OLG Wien NZ 1954, 158; Krummel, Neurliche Berufung von Liquidatoren nach Löschung der Gesellschaft im Handels-(Genossenschafts)register in NZ 1955, 56 ff; für den vergleichbaren deutschen Rechtsbereich Hohner aaO, Rz 36; Rasner aaO, § 74 dGmbHG Rz 11). Vermögen ist, was bei kaufmännisch-wirtschaftlicher Betrachtungsweise verwertbar, was zur Gläubigerbefriedigung oder gegebenenfalls zur Auschüttung an die Gesellschafter geeignet ist, somit verteilungsfähige Aktiva (Rasner aaO, § 60 dGmbHG Anh Rz 10). Jedes Aktivum ist geeignet, aber es darf nicht so klein sein, daß sich das Verfahren "nicht dafür steht" (Gellis-Feil aaO, 477), weil es ein allgemeiner Grundsatz der Rechtsordnung ist, daß jedes Verwertungsverfahren ein wirtschaftlich vernünftiges Ergebnis erzielen muß (Buchner, Amtslöschung, Nachtragsliquidation und masselose Insolvenz von Kapitalgesellschaften, 117); auch muß wenigstens die Möglichkeit der Durchsetzung des Anspruches bestehen (Gellis-Feil aaO, 477; Rasner aaO, § 74 dGmbHG Rz 11; Ulmer in Hachenburg aaO, § 60 dGmbHG Anh Rz 16). Als Vermögen können sowohl Ansprüche gegen frühere Gesellschafter, Geschäftsführer oder Liquidatoren (Reich-Rohrwig aaO, 721; Gellis-Feil aaO, 477; Rasner aaO, § 74 dGmbHG Rz 11; Karsten Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz7, § 60 dGmbHG Anh Rz 11 und § 74 dGmbHG Rz 19;
Lutter-Hommelhoff aaO, § 74 dGmbHG Rz 19) als auch gegen andere Dritte (Rasner aaO, § 74 dGmbHG Rz 11 und § 60 dGmbHG Anh Rz 10;
Ulmer aaO, Rz 17) angesehen werden. Dazu gehören aber nach Auffassung des erkennenden Senates auch Gewährleistungsansprüche der Gesellschaft als Bestellerin (Geldanspruch auf Preisminderung für Sachmängel, Ersatz der Verbesserungskosten ua) und Geldansprüche auf Schadenersatz gegen die die Wohnanlage errichtenden Werkunternehmer (vgl zur vollen Konkurrenz der beiden Ansprüche die E des verstärkten Senats 1 Ob 536/90 = ecolex 1990, 279). Ebenso können noch offene Haftrücklässe und Bankgarantien Vermögen sein.
Im vorliegenden Fall hat die zweite Instanz derartige Forderungen der Gesellschaft gegenüber bauausführenden Werkunternehmern wie gegenüber garantierenden Banken durch die Antragsteller als bescheinigt angenommen. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann daher auf das Vorbringen im Rechtsmittel, es handle sich um völlig ungewisse künftige Einnahmen, nicht eingehen. Daß diese Forderungen uneinbringlich oder nur so gering wären, daß sich ihre Einbringlichmachung "nicht lohnt", kann beim gegebenen Aktenstand nicht gesagt werden. Die Frage einer analogen Anwendung des § 214 Abs 4 AktG (Erfordernis weiterer Abwicklungsmaßnahmen; vgl dazu Schiemer aaO, Anm 8.1.; Schulze-Osterloh in Baumbach-Hueck, GmbHG15, § 60 dGmbHG Rz 57; gegen die Anwendung des Verfahrens nach § 93 Abs 5 GmbHG für andere Liquidationsmaßnahmen Gellis-Feil aaO, 478), gegen die sich der Revisionsrekurs wendet, stellt sich daher hier nicht mehr.
Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.
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