Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung "wegen Schuld" werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil - das auch rechtskräftige Freisprüche enthält - wurde Erhard W***** der Vergehen der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB (1) und der Zuhälterei nach § 216 Abs. 2 StGB (2), des Verbrechens des (sog. minderschweren) Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB (3) sowie der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (4) und - allerdings der Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z 2 StPO zuwider ohne ausdrückliche Bezeichnung der strafbaren Handlung im Urteilsspruch - der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (5) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Darnach hat er in Graz
1. am 24.August 1990 die Michaela G***** der Straßenprostitution, mithin der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt;
2. ab dem 25.August 1990 mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Michaela G***** eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die Genannte ausgebeutet, sie eingeschüchtert und ihr die Bedingungen der Ausführung der Unzucht vorgeschrieben, indem er ihr den gesamten Schandlohn abnahm, ihren Standplatz sowie die Art und Preisgestaltung für die Ausübung der Prostitution im PKW und im Zimmer fixierte, sie bei der Kundenanwerbung überwachte und ihr Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht versetzte;
3. am 26.August 1990 mit Gewalt gegen eine Person, jedoch ohne Anwendung erheblicher Gewalt, der Michaela G***** eine fremde bewegliche Sache geringen Wertes mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, indem er sie an den Haaren riß, ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte und einen Bargeldbetrag von 1.000 S an sich nahm;
4. in der Nacht auf den 27.August 1990 die Michaela G***** widerrechtlich gefangengehalten, indem er sie für mehrere Stunden in seiner Wohnung einschloß;
5. am 23.Feber 1991 gemeinsam mit Andreas W***** den Franz R***** durch Versetzen von Schlägen mit einem Aschenbecher gegen den Kopf vorsätzlich verletzt, wobei Franz R***** zahlreiche, teils tiefe Schnittwunden am Kopf, an der rechten und linken Augenbraue, an der Ohrenspeicheldrüse, am linken Ohr und am Nasenrücken, sowie Prellungen erlitt.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch (mit Ausnahme jenes wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB laut Punkt 5) bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 a und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Außerdem hat er eine Berufung "wegen Schuld" angemeldet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Richtig ist, daß die Zeugin Michaela G***** ihre Anzeigenangaben schon im Vorverfahren zunächst widerrufen, dann aber wieder bestätigt und schließlich in der Hauptverhandlung vom 20. November 1990 abermals als erlogen hingestellt hat (S 99 ff), weshalb sie wegen Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht verurteilt worden ist (siehe Beiakt). Die Tatrichter folgten schließlich aber doch ihren belastenden Angaben vor der Polizei und beim Untersuchungsrichter sowie ihrem Geständnis in dem gegen sie selbst geführten Strafverfahren (US 7). Von einer neuerlichen Einvernahme der Zeugin in den folgenden Hauptverhandlungen sah der Schöffensenat ab (US 5 verso). In den Entscheidungsgründen wird die spezifische Beweissituation bei strafbaren Handlungen im Zuhälter- und Dirnenmilieu im allgemeinen und mit Bezugnahme auf die persönliche Situation der Zeugin im besonderen ausführlich erörtert und unter Mitberücksichtigung der Angaben der vernehmenden Kriminalbeamten der Überzeugung Ausdruck verliehen, daß die Darstellung der Michaela G***** ungeachtet ihrer Wechselhaftigkeit in ihren den Angeklagten belastenden Teilen der Wahrheit entspricht (US 4 verso unten, US 5 und verso, US 7). Erhebliche Bedenken (Z 5 a) gegen die Richtigkeit der auf dieser Grundlage getroffenen entscheidenden Tatsachenfeststellungen vermag der Beschwerdeführer mit seinen Hinweisen aus den Akten nicht zu erwecken.
Mit der allein gegen den Schuldspuch wegen Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB (4) gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit. a) macht der Angeklagte geltend, daß im Urteil Feststellungen über die Ernstlichkeit des Angriffes gegen die Freiheit und darüber fehlten, ob der Betroffenen und dem Täter die Behinderung in der Bewegungsfreiheit zu Bewußtsein gekommen und diese auch als Freiheitsentziehung empfunden worden ist, zumal auch nicht festgestellt sei, ob Michaela G***** die gemeinsame Wohnung überhaupt verlassen und nicht vielmehr ohnedies dort übernachten wollte.
Den bezüglichen Feststellungen im Urteil ist zu entnehmen, daß der Angeklagte die Michaela G***** nach gewaltsamer Wegnahme von 1.000 S (Faktum 3) in seine Wohnung brachte, sie durch einen Faustschlag ins Gesicht eingeschüchtert und sie zum Verbleib in der Wohnung aufgefordert hat. Er nahm ihr die Wohnungsschlüssel weg, verließ selbst die Wohnung und sperrte sie von außen zu. In der Wohnung war kein Telefon und es war der Michaela G***** unmöglich, die im ersten Stockwerk gelegene Wohnung zu verlassen. Sie war in dieser Nacht von 1.30 Uhr bis 5.30 Uhr, also 4 Stunden ihrer Freiheit beraubt und in der Wohnung eingesperrt (US 4 und 6).
Damit, sowie mit Bezugnahme auf die Gesamtheit der den Angeklagten belastenden Angaben der Zeugin (US 7 iVm S 17, 25 und 79/80) hat aber das Erstgericht deutlich genug zum Ausdruck gebracht, daß es die von der Rechtsprechung geforderten Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB3 Anm. 3, Foregger-Serini StGB4 Erl. I, Leukauf-Steininger Komm.2 RN 7, zT auch Kienapfel BT I3 RN 9 bis 11 je zu § 99 StGB sowie die dort zitierte Judikatur), deren Feststellung der Beschwerdeführer vermißt, ohnedies als gegeben angenommen und bei seiner Entscheidung davon ausgegangen ist. Indem der Angeklagte somit nicht den bei richtigem Verständnis der Entscheidungsgründe darin zum Ausdruck kommenden eigentlichen Tatsachengehalt in seiner gesamten Tragweite zur Grundlage seines Beschwerdevorbringens nimmt, bringt er den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu gesetzmäßiger Darstellung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher als zum Teil offenbar unbegründet, im übrigen aber als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO). Ebenso war mit der als Rechtsmittel gegen Urteile von Kollegialgerichten im Gesetz nicht vorgesehenen Schuldberufung zu verfahren.
Zur Entscheidung über die nicht ausgeführte, aber gemäß § 294 Abs. 2 StPO beachtliche Berufung des Angeklagten "wegen Strafe" (S 234) sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft ist somit das Oberlandesgericht Graz zuständig (§ 285 i StPO), dem die Akten zu diesem Zweck zuzuleiten waren.
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