OGH 14Os94/91

OGH14Os94/9117.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Maria Theresia S***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 30. Juli 1991, GZ 37 Vr 800/91-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält - wurde Maria Theresia S***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie am 20.Feber 1989 in Innsbruck im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einer bislang unbekannten Person mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der S***** unter Vorspiegelung der Verfügungsberechtigung zur Ausfolgung von (aus der Realisierung von zwei der Christine F***** gehörigen Sparbüchern resultierenden) Sparguthaben in der Höhe von insgesamt 1,013.923 S verleitet, wodurch Christine F***** in einem 500.000 S übersteigenden Ausmaß am Vermögen geschädigt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 5 a und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) greift auf den vom Verteidiger in der Hauptverhandlung am 11.Juni 1991 gestellten Antrag (S 96) zurück, mit dem die Einholung des Gutachtens eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigen zum Nachweis dafür beantragt wurde, daß die Erinnerungsfähigkeit der Angeklagten durch den großen psychischen Druck der Belastung des gegenständlichen Verfahrens derart beeinträchtigt wurde, daß daraus die unterschiedlichen Erklärungen der Angeklagten erfolgten und verständlich erscheinen. Dieser Antrag wurde jedoch in der am 30.Juli 1991 gemäß § 276 a StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht wiederholt. Demnach fehlt es an der formellen Legitimation und damit schon an der essentiellen Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung einer Verfahrensrüge; denn aus einem Antrag, der in einer früheren Hauptverhandlung gestellt, in der außerhalb der für eine bloße Fortsetzung der Verhandlung vorgesehenen Monatsfrist des § 276 a StPO durchgeführten Hauptverhandlung aber nicht wiederholt wurde (S 156), kann eine Nichtigkeit nach der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO nicht abgeleitet werden (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 30-33 zu § 281 Z 4). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß das Erstgericht in der Hauptverhandlung vom 11. Juni 1991 über den in Rede stehenden Beweisantrag (ablehnend) entschieden hat (S 97).

In der Mängelrüge (Z 5) reklamiert die Beschwerdeführerin eine undeutliche bzw. widersprüchliche Begründung in Ansehung der Urteilsfeststellung, wonach sie sich am 20.Feber 1989 mit den beiden der Christine F***** gehörigen Sparbüchern mit einer bislang unbekannt gebliebenen Person oder diese für sie zur genannten Sparkasse begeben hat, wo diese unbekannte Person im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit ihr den Sparkassenangestellten die Verfügungsberechtigung über die beiden vinkulierten Sparbücher vorgetäuscht hat; dies indes zu Unrecht.

Undeutlich ist der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen dann, wenn aus den Urteilsfeststellungen nicht zu erkennen ist, welche Handlung der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes vorgenommen und in welcher Absicht er sie gesetzt hat. Vorliegend hat jedoch das Schöffengericht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit zum Ausdruck gebracht (vgl. US 7, 11, 13), daß sich die Angeklagte bei der Realisierung der beiden Sparbücher jedenfalls einer Hilfsperson bediente, die bei der Behebung der Spareinlagen (zweimal) den Namen "M*****" und das Losungswort "M*****" eingesetzt hat. Solcherart hat der Schöffensenat, der insbesondere auch auf Grund der eigenen Verantwortung der Angeklagten zur Überzeugung gelangte, daß die Realisierung der beiden Sparbücher durch die bislang unbekannte Person im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit der Angeklagten, insbesondere durch Übergabe der Sparbücher am 20. Feber 1989 unter Bekanntgabe des für beide Bücher gültigen Losungswortes "M*****" erfolgte, lediglich offengelassen, ob die Angeklagte diese Person bei der Abhebung der Geldbeträge auch selbst begleitet hat. Im Zusammenhang damit ist zwar einzuräumen, daß das Schöffengericht den Tatbeitrag der Beschwerdeführerin insgesamt zu Unrecht als "Mittäterschaft" beurteilte, weil bei dieser speziellen Erscheinungsform der unmittelbaren Täterschaft im Sinn des § 12 erster Fall StGB (vgl. EvBl. 1980/87 ua), bei der die mehreren (Mit-)Täter wechselseitig für ihre Beiträge haften und demgemäß durchwegs den gesamten im gemeinsamen Vorsatz gelegenen Erfolg zu verantworten haben, wohl nicht jeder einzelne den Unrechtstatbestand zur Gänze in eigener Person verwirklichen muß, aber jedenfalls vorauszusetzen ist, daß sie direkt zur Tatausführung gezielt zusammenwirken, indem jeder von ihnen Ausführungshandlungen setzt (vgl. Leukauf-Steininger Komm.2 § 12 RN 10 und die dort zitierte Judikatur); Mittäterschaft beim Betrug (§ 146 StGB) setzt demnach voraus, daß jeder solcherart Tatbeteiligte in Form arbeitsteiligen Zusammenwirkens mit den anderen dem Opfer gegenüber durch eigene Täuschungshandlungen in Erscheinung tritt. Eine derartige unmittelbare Mitwirkung der Angeklagten an der betrügerischen Realisierung der beiden Sparbücher ist indessen vom Erstgericht nicht festgestellt worden; ging doch der Schöffensenat ersichtlich dem Gutachten des Schriftsachverständigen folgend, wonach bei der Abhebung der Geldbeträge die Losungsworte "M*****" und der Name "M*****" mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von der Angeklagten geschrieben wurden (US 13 iVm ON 29), von der Annahme aus, daß die die Realisierung der beiden Sparbücher auslösenden Täuschungshandlungen von der unbekannt gebliebenen Person gesetzt worden sind. Damit ist jedoch für die Angeklagte deswegen nichts gewonnen, weil die ihre Mitwirkung betreffenden Sachverhaltsfeststellungen jedenfalls die Annahme ihrer Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) decken und ein (bloßer) Subsumtionsirrtum im Verhältnis zwischen den in § 12 StGB umschriebenen drei Beteiligungsarten im Hinblick auf deren materiellrechtliche Gleichwertigkeit keine Urteilsnichtigkeit bewirkt (vgl. SSt. 50/2; JBl. 1984/267; EvBl. 1982/13 uva).

Entgegen dem weiteren Vorbringen zur Mängelrüge liegt aber auch der behauptete Widerspruch nicht vor, den die Beschwerde daraus abzuleiten sucht, daß das Schöffengericht einerseits eine Mitwirkung der Angeklagten bei der Realisierung der beiden verfahrensgegenständlichen Sparbücher - wie oben

dargestellt - festgestellt, andererseits aber zum Ausdruck gebracht habe, daß Christine F***** am 20.Feber 1989 den ganzen Tag über von der Angeklagten nicht allein gelassen wurde; demzufolge wäre es der Angeklagten an diesem Tag nicht einmal möglich gewesen, mit der unbekannt gebliebenen Person (allein) in Verbindung zu treten, um ihr die notwendigen Informationen (Losungswort) und die Sparbücher zukommen zu lassen. Dabei übersieht die Beschwerde jedoch, daß ein Nichtalleinlassenkönnen jedenfalls nicht einem ständigen ununterbrochenen (räumlichen) Zusammensein der Angeklagten mit Christine F***** gleichzusetzen ist. Abgesehen davon befand sich die am 19.Feber 1902 geborene Christine F***** auch schon damals als Folge einer fortschreitenden Cerebralsklerose in einem schlechten geistigen Zustand und der Grund dafür, daß man sie nicht mehr allein lassen konnte, lag in ihrer Vergeßlichkeit und einer starken "Verlorenheit" (US 4).

Es liegt aber auch die behauptete Unvollständigkeit nicht vor, die die Beschwerdeführerin daraus abzuleiten sucht, daß Verfahrensergebnisse, die darauf hinweisen, daß das Losungswort der Sparbücher einem größeren Personenkreis bekannt waren, unerörtert geblieben seien. Denn die Beschwerde übergeht dabei jene Urteilsausführungen, die den Übergang der beiden Sparbücher von dem am 26.Jänner 1989 verstorbenen Sebastian F*****, der die Sparbücher für F***** in Verwahrung hatte, über dessen Nichte (Kathi W*****) an den Neffen der Christine F***** Josef M***** und sodann am 15.Feber 1989 an F***** im Beisein der Angeklagten und ihrer Schwester Christine Z***** ohnedies zum Ausdruck bringen (US 4 f).

Die Urteilsfeststellung aber, wonach die Angeklagte, die am besagten Tag (20.Feber 1989) Christine F***** zur R***** in Innsbruck begleitet hat, wo F***** ein weiteres (drittes) Sparbuch mit einem Einlagestand von rund 830.000 S realisiert hat, die Auflösung der beiden verfahrensgegenständlichen Sparbücher durch deren Übergabe an eine unbekannt gebliebene Person unter Nennung des Losungswortes veranlaßt hat, findet schon in der eigenen Darstellung der Angeklagten eine ausreichende Stütze; hat sie doch im Sachwalterschaftsverfahren betreffend Christine F***** am 20.Feber 1989, also an jenem Tag, an dem die Sparbücher realisiert worden sind, gegenüber dem Richter des Bezirksgerichtes Innsbruck Dr. I*****, der F***** an diesem Tag in ihrer Wohnung aufgesucht hatte, ausdrücklich erklärt, daß sich Josef M***** bei Übergabe der Sparbücher am 15. Feber 1989 zwar geweigert habe, die Losungsworte bekanntzugeben, daß man jedoch in der Wohnung gesucht und dabei einen Zettel mit dem Losungswort "M*****" in einer Schatulle gefunden habe. Die daraus und aus dem Umstand, daß die Angeklagte dem genannten Richter gegenüber von der Realisierung des dritten Sparbuches nichts erwähnt hat (S 90), wie auch aus ihrer am 30. Jänner 1990 vor dem Bezirksgericht Kitzbühel gemachten Aussage, wonach Christine F***** die "Sparbücher" (ersichtlich gemeint die darauf befindlichen Geldbeträge) verteilt habe, konnte das Schöffengericht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze auf die Täterschaft der Angeklagten schließen. Es kann daher insoweit weder von einer unzureichenden Begründung noch von einer Scheinbegründung die Rede sein.

Mit dem Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a), das sich im wesentlichen in einer Wiederholung der in der Mängelrüge erhobenen Einwände erschöpft, werden keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufgezeigt; es wird vielmehr der Sache nach nur die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes bekämpft, wobei jene Erwägungen, auf die das Schöffengericht seine diesbezüglich gewonnene Überzeugung gestützt hat, mit Stillschweigen übergangen werden.

Schließlich wird mit dem Einwand, das Schöffengericht hätte "bei den erheblichen Zweifeln" § 259 Z "2" StPO anwenden und die Angeklagte freisprechen müssen, im übrigen sei aber bei der Strafbemessung der bisher ordentliche Lebenswandel und das Alter der Angeklagten von 74 Jahren zu wenig berücksichtigt und die Tatbegehung an einer Person (F*****), die sich der Angeklagten gegenüber bereits im Jahr 1983 (durch finanzielle Zuwendungen) als großzügig erwiesen habe, zu Unrecht als Erschwerungsgrund herangezogen worden, auch keine Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO dargetan. Die Beschwerdeführerin behauptet nämlich damit weder die offenbar unrichtige Beurteilung von für die Strafbemessung maßgebenden entscheidenden Tatsachen noch eine dem Ermessen entzogene Unvertretbarkeit der Strafbemessung; sie bekämpft vielmehr bloß die Gewichtung der bezüglichen Strafbemessungstatsachen, worüber bei der Entscheidung über die Berufung abzusprechen sein wird.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach zur Gänze offenbar unbegründet, weshalb sie gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen war. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO).

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