OGH 12Os92/91 (12Os93/91)

OGH12Os92/91 (12Os93/91)12.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loub als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ing. Alois S***** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15.Oktober 1990, GZ 14 E Vr 1199/87-26, sowie gegen einen weiteren Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz ist verletzt

1. durch den Vorgang, daß das Bezirksgericht Klagenfurt von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 19.September 1990, GZ 1 U 60/89-15, gefaßten Beschluß auf Verlängerung der Probezeit (unter Absehen vom Widerruf) zu der dem Ing. Alois S***** mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Juni 1987, GZ 14 E Vr 1199/87-21, in Ansehung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB gewährten bedingten Strafnachsicht nicht unverzüglich den genannten Gerichtshof verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs. 8 StPO;

2. durch den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. Oktober 1990, GZ 14 E Vr 1199/87-26, mit dem die mit Urteil vom 11.Juni 1987 verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wurde, obwohl infolge der zu Punkt 1. erwähnten Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre noch nicht feststand, daß die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen wird, in dem sich aus § 43 Abs. 2 StGB iVm §§ 53 und 56 StGB ergebenden Gebot, die endgültige Strafnachsicht erst nach Ablauf der Probezeit auszusprechen.

Der gemeinsam mit dem Urteil vom 19.September 1990, GZ 1 U 60/89-15, gefaßte Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt wird insoweit, als damit die dem Ing. Alois S***** mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Juni 1987, GZ 14 E Vr 1199/87-21 gesetzte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Juni 1987, GZ 14 E Vr 1199/87-21, wurde der am 14.Juni 1953 geborene Ing. Alois S***** des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 19.September 1990, GZ 1 U 60/89-15, wurde Ing. Alois S***** wegen des im Zeitraum vom 1.Oktober 1989 bis 18.September 1990 - sohin zum Teil während der Probezeit - begangenen Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Zugleich faßte das Bezirksgericht den Beschluß auf Verlängerung der mit dem oben genannten Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11.Juni 1987 gesetzten Probezeit auf fünf Jahre. Diese am 10.Jänner 1991 in Rechtskraft erwachsene Entscheidung schließt begrifflich ein Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht in sich (§ 494 a Abs. 1 Z 2 StPO).

Die im § 494 a Abs. 8 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des Landesgerichtes Klagenfurt zu 14 E Vr 1199/87 von der Verlängerung der Probezeit ist unterblieben. Diese Verständigung erfolgte (erst) mit der am 23.Jänner 1991 erlassenen Endverfügung (ON 23 in 1 U 60/89 des Bezirksgerichtes Klagenfurt).

Inzwischen hatte allerdings das Landesgericht Klagenfurt - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - mit rechtskräftigem Beschluß vom 15.Oktober 1990, GZ 14 E Vr 1199/87-26, in Unkenntnis der Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit festgestellt, daß die über Ing. Alois S***** verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der zuletzt erwähnte Beschluß verletzt das Gesetz objektiv in der Bestimmung des § 43 Abs. 2 StGB; denn diese Vorschrift setzt voraus, daß die Nachsicht nicht widerrufen wird. Dieses Erfordernis war aber zum Zeitpunkt der Beschlußfassung zufolge rechtswirksamer Verlängerung der Probezeit (und der damit verbundenen Möglichkeit des späteren Eintritts eines Widerrufsgrundes) - welcher Umstand dem Landesgericht Klagenfurt aus den Akten allerdings nicht erkennbar war - noch nicht gegeben.

Die Gesetzesverletzung war durch die ihrerseits gesetzwidrige Säumnis des Bezirksgerichtes Klagenfurt bedingt, das entgegen der Vorschrift des § 494 a Abs. 8 StPO dem hievon betroffenen Landesgericht Klagenfurt nicht sogleich seine Entscheidung auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre bekanntgegeben hat. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Verständigung soll nämlich sicherstellen, daß das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht keine weitere Entscheidungskompetenz mehr in Anspruch nimmt. Dieser Zweck kann aber nur dann erreicht werden, wenn die Verständigung unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung (ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft) vorgenommen wird (EvBl. 1989/64, 14 Os 176, 177/88 uva). Die Dringlichkeit der Weitergabe der Information war im vorliegenden Fall überdies dadurch besonders indiziert, daß die Probezeit bereits abgelaufen und daher eine baldige Entscheidung des Landesgerichtes Klagenfurt über die endgültige Strafnachsicht zu gewärtigen war.

Da sich die Verletzung der Verständigungspflicht durch das Bezirksgericht Klagenfurt und die dadurch bewirkte (gesetzwidrige) endgültige Strafnachsicht durch das Landesgericht Klagenfurt noch vor Ablauf der Probezeit zum Vorteil des Verurteilten ausgewirkt haben, muß es insoweit - anders als bei Vorliegen von begrifflich miteinander völlig unvereinbaren, geradezu konträren Entscheidungen (wie Widerruf und endgültiger Strafnachsicht; 12 Os 131, 132/90) - mit der Feststellung der Gesetzesverletzung das Bewenden haben (14 Os 117, 118/90, 13 Os 3, 4/91).

Somit bleibt der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. Oktober 1990, mit dem die endgültige Nachsicht der Freiheitsstrafe festgestellt wurde, rechtswirksam. Dem Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt auf Verlängerung der Probezeit ist damit allerdings (nachträglich) der Boden entzogen worden, weshalb er aus Gründen der Rechtsklarheit zu beseitigen war (13 Os 3, 4/91).

Dem Bezirksgericht Klagenfurt wird es obliegen, das Strafregisteramt davon in Kenntnis zu setzen, daß die Verlängerung der Probezeit zufolge der zwischenzeitig (wenn auch irrtümlich) ausgesprochenen endgültigen Strafnachsicht gegenstandslos ist.

In Stattgebung der vom Generalprokurator gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde war mithin spruchgemäß zu erkennen.

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