OGH 11Os96/91

OGH11Os96/9110.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Theodor Franz M***** wegen Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach den §§ 201 Abs. 2 und Abs. 3, erster Fall, und 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 19. Juni 1991, GZ 20 Vr 1997/90-49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Theodor Franz M***** zu A/ I/ 1/ und 2/ des Urteilssatzes des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach den §§ 201 Abs. 2 und Abs. 3, erster Fall, und 15 StGB sowie des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs. 1 StGB, zu A/ I/ 1/ darüber hinaus auch des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB und zu A I/ 2/ auch des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB sowie zu B des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als Verfahrensmangel macht er geltend, daß der Schwurgerichtshof seinen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag (vgl S 340) auf Einvernahme der minderjährigen Zeugin Bettina L***** zur Frage abgewiesen habe, "ob der Angeklagte zwischen Anfang November und Ende Dezember 1989 das Kind Bettina wiederholt durch die in der Anklageschrift geschilderten Handlungen sexuell mißbraucht hat, sowie zur Frage, ob die Schilderungen des Kindes auch von den Erlebnissen herrühren können, die das Kind von Jänner 1986 bis August 1988 des öfteren in Wattens anläßlich der geschlechtlichen Kontakte der Mutter mit Hubert S***** hatte".

Die Rüge ist nicht berechtigt.

Von der beantragten Vernehmung eines Kindes, das Opfer eines Sexualdeliktes war, als Zeuge in der Hauptverhandlung kann - im Interesse der Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit, aber auch des gemäß Art 6 Abs. 3 lit d MRK jedem Angeklagten zustehenden Rechtes, Fragen an einen Belastungszeugen zu stellen - nur dann abgesehen werden, wenn das erkennende Gericht auf Grund konkreter, in der Regel von einem jugendpsychiatrischen Sachverständigen zu attestierender Umstände die Überzeugung gewinnt, daß diese Vernehmung auch bei einer entsprechend behutsamen, die kindliche Psyche berücksichtigenden Fragestellung eine fortdauernde Schädigung des Kindes befürchten läßt, die durch die eigentümliche psychische Beschaffenheit eben dieses Kindes bedingt ist (EvBl 1990/72).

Im vorliegenden Fall gelangte der Schwurgerichtshof auf Grund der Aussage der als Zeugin vernommenen Psychologin Dr. Edith K***** sowie auf Grund der gutächtlichen Äußerungen der Sachverständigen Univ.-Prof. DDr. N***** und Univ.-Prof. Dr. P***** im Zusammenhang mit dem erwähnten Beweisantrag zur Auffassung, daß bei der am 4.November 1984 geborenen Bettina L***** im Fall ihrer gerichtlichen Vernehmung "schwere gesundheitliche Schäden auf längere Dauer zu befürchten sind" (vgl S 341).

Diese durch die angeführten Beweismittel (vgl die S 328 f, 338 ff) gedeckte und auch an sich in der Nichtigkeitsbeschwerde sachlich nicht in Zweifel gezogene Schlußfolgerung des Gerichtshofes läßt in Anbetracht der hohen Wahrscheinlichkeit einer gravierenden psychischen Beeinträchtigung der Minderjährigen Bettina L***** im Fall einer neuerlichen gerichtlichen Einvernahme das Gebot der Unmittelbarkeit und des tunlichst uneingeschränkten Fragerechtes des Angeklagten - ausnahmsweise - zurücktreten (vgl abermals EvBl 1990/72).

In der Unterlassung der beantragten Beweisaufnahme kann daher bei der gegebenen Aktenlage eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht erblickt werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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