OGH 7Ob26/91

OGH7Ob26/914.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael F*****, vertreten durch Dr.Roland Pescoller und Mag.Dr.Peter E.Pescoller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei D***** Allgemeine Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Johann Paul Cammerlander und Dr.Harald Vill, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 1,055.226 und Feststellung (Gesamtstreitwert S 1,155.226) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8.Mai 1991, GZ 4 R 47/91-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Oktober 1990, GZ 40 Cg 84/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, sodaß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger S 1,055.226 sA zu bezahlen, ferner gegenüber der beklagten Partei werde festgestellt, daß diese dem Kläger für alle ihm gegenüber rechtskräftig festgestellten Ansprüche Dritter aus dem Schadensereignis vom 4.7.1989 bis zur Höhe der Versicherungssumme aus der Haushaltsversicherung zur Polizzen-Nr.1146818 zu haften habe, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 43.571,40 (darin S 7.261,90 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten erster Instanz, die mit S 57.091,60 (darin S 5.793,60 Umsatzsteuer und S 22.330 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 53.951,20 (darin S 3.475,20 Umsatzsteuer und S 33.100 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger schloß bei der beklagten Partei eine Haushaltsversicherung zu den Allgemeinen Bedingungen für die Haushaltsversicherung in der Fassung 1980 ab, in deren Rahmen eine Haftpflichtversicherung des Klägers bis zu einer Versicherungssumme von 2 Mill.S als Versicherungsnehmer besteht. Nach Art 17 der AHB 1980 erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Nach Art 21 Abs 2 AHB 1980 erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz werden Handlungen oder Unterlassungen gleichgehalten, bei welchen der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden mußte, jedoch in Kauf genommen wurde.

Der Kläger und Markus K***** hatten am Nachmittag des 4.7.1989 im Innenhof des Hauses Höttinger Au 85 Waren zur Abholung auf einer dort befindlichen Laderampe vorzubereiten. Auf dieser standen damals mehrere mit Papierschnitzeln gefüllte Kartons. Neben diesen stand auf der Fahrbahn des Innenhofes ein mit Verpackungsmaterial gefüllter Müllcontainer, daneben ein LKW. Der Kläger zündete einen auf der Laderampe stehenden mit Papierschnitzel gefüllten Karton mit einem von K***** ausgeborgten Feuerzeug an. Das dadurch verursachte Feuer griff auf den Müllcontainer und den danebenstehenden LKW und in der Folge auf die angrenzende Lagerhalle der Firma E***** sowie auf weitere LKWs und einen PKW über. Der Kläger wollte lediglich die im Karton befindlichen Papierschnitzel anzünden. Sein Wille erstreckte sich nicht auf ein Übergreifen des Feuers auf Gegenstände im Umkreis dieses Kartons. Dem Kläger war beim Anzünden des Kartons auch nicht bewußt, daß er dadurch eine Feuersbrunst herbeiführt.

Der Kläger wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.11.1989 zu 26 Hv 124/89-13, wegen dieses Vorfalles des Vergehens der fahrlässigen Herbeiführung einer Feuersbrunst nach § 170 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Gegenüber dem Kläger wurde bisher die Verpflichtung zur Leistung von Teilschadensbeträgen von insgesamt S 1,055.226 rechtskräftig ausgesprochen. Die Geltendmachung weiterer Schadensbeträge gegenüber dem Kläger ist zu erwarten.

Der Kläger stellte das im Spruch ersichtliche Begehren. Sein Handeln falle unter die Gefahren des täglichen Lebens.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, aufgrund der Bestimmungen der Art 17 Abs 1 lit a und 21 Abs 2 AHB 1980 leistungsfrei zu sein. Das Anzünden eines mit Papierschnitzeln gefüllten Kartons, in dessen Umgebung leicht brennbare Gegenstände in Fülle gelagert waren, aus purem Übermut durch den 35jährigen geistesgesunden Kläger, falle nicht unter die Gefahren des täglichen Lebens. Der Kläger habe nicht mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Die Art und Weise mit der die Feuersbrunst verursacht worden sei, habe den Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dies habe der Kläger jedoch in Kauf genommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung eines Zinsenteilbegehrens statt. Ein unbedachtes "Zündeln" gehöre durchaus zu den Vorgängen, die im Leben eines Menschen immer wieder vorkämen. Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens und die besondere Sorglosigkeit des klägerischen Vorgehens stehe einer Qualifikation als Gefahr des täglichen Lebens daher nicht entgegen. Auch der in Art 21 Abs 2 AHB 1980 vorgesehene Ausschlußgrund liege nicht vor, weil der Vorsatz des Klägers lediglich auf die Inbrandsetzung eines geringwertigen Kartons gerichtet gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit dem angefochtenen Urteil diese Entscheidung. Es erklärte die Revision für unzulässig. In Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des Erstgerichtes verneinte es einen Ausschluß nach Art 21 Abs 2 AHB 1980. Daß mit dem festgestellten Schadenseintritt zu rechnen gewesen sei, reiche nicht für die Annahme eines bedingten Vorsatzes aus. Für die Annahme einer Gefahr des täglichen Lebens sei nur erforderlich, daß mit einem solchen Vorgang üblicherweise im Privatleben eines Menschen häufiger oder auch seltener gerechnet werden müsse. Weder die Rechtswidrigkeit des Verhaltens noch die besondere Sorglosigkeit im Einzelfall führten zu einer Aberkennung dieser Qualifikation, weil es für die von der Haftpflichtversicherung erfaßten Risken geradezu typisch sei, daß ihnen leichte oder grobe Fahrlässigkeit zugrundeliege. Die Grenze der Deckungspflicht liege erst beim bedingten Vorsatz.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand der Revisionsschriften ist nur die Umschreibung des Begriffes der "Gefahren des täglichen Lebens". Der im übrigen zutreffend vom Berufungsgericht verneinte Ausschluß nach Art 21 Abs 2 AHB 1980 wird von der Revisionswerberin nicht mehr releviert.

Nach Art 17 Abs 1 lit a AHB 1980 erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Durchaus zu teilen ist Jabornegg's Ansicht in VR 1989, 209 ff, daß wegen der unüberschaubaren Vielfalt der Gefahren des täglichen Lebens eine klare Umschreibung des versicherten Risikos Schwierigkeiten bereitet. Es ist davon auszugehen, daß die Gefahr, haftpflichtig zu werden, im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme darstellt und deshalb die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen bilden will, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Die weitergehenden Schlußfolgerungen Jabornegg's, daß der Begriff der Gefahren des täglichen Lebens grundsätzlich so verstanden werden müssen, daß damit auch (alle?) ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten mitabgedeckt seien, daß die Funktion des Art 17 Abs 1 lit a AHB 1980 allein darin bestehe, die Privathaftpflichtversicherungen von anderen Arten der Haftpflichtversicherung abzugrenzen (Jabornegg aaO 226 ff), können jedoch nicht geteilt werden.

Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der "Gefahren des täglichen Lebens" nach der allgemeinen Bedeutung der Worte dahin auszulegen, daß der Versicherungsschutz für die Haftpflicht des Versicherungsnehmers jene Gefahren umfaßt, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muß. Es darf sich daher nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln; keineswegs müssen aber solche Gefahren geradezu täglich auftreten (VersR 1984, 1197 mwN). Es genügt daher, wenn die "Gefahr" erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf theoretisch häufig, praktisch aber seltener eintritt. Die bloße Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nimmt den aus ihm entspringenden Gefahren nicht die Qualifikation als einen solchen des täglichen Lebens (VersR 1984, 1182).

Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit, so zB im Umgang mit leicht brennbaren Flüssigkeiten (VersR 1979, 69 = SZ 51/33) oder aus unsachgemäßer Vornahme einer Reparatur (VersR 1984, 1197) eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen (vgl VersR 1978, 532). Derartigen Fällen liegt eine völlig falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zugrunde, nicht aber ein von vornherein geplanter Bosheitsakt, für den es außer der Lust am Zerstören oder am Verletzen (vgl VersR 1982, 274) keine Motivation gibt. Plant der Versicherungsnehmer die Schadenszufügung von vornherein, so handelt es sich nicht um die zitierten "Ausrutscher eines Durchschnittsmenschen", die verheerende Folgen nach sich ziehen können, sondern um gefährliche Bosheitsakte, und zwar auch dann, wenn der beabsichtigte Erfolg weit über seine Erwartungen hinausgeht. Diese sind vom versicherten Risiko nicht umfaßt, weil die Gefährlichkeit solcher Taten ungleich höher ist, als die aus den Fehleinschätzungen eines Durchschnittsmenschen erwachsenden Folgen. Das bewußte und gewollte Schaffen einer Situation, die eine Brand- oder Explosionsgefahr mit sich bringt, ohne daß hiefür die geringste Notwendigkeit besteht, ist nicht unter die Gefahren des täglichen Lebens zu subsumieren. Die Gefährlichkeit und die möglichen Folgen solchen Handelns müssen jedem Erwachsenen bewußt sein. "Zündeln" ist kein bloßer Jux, sondern, wie allgemein bekannt ist, eine äußerst gefährliche Handlung. Die Gefahren, die solchen nach allgemeinem Bewußtsein nicht zu tolerierenden Mutwillensakten entspringen, gehören nicht zum täglichen Leben. Es ist nicht mit dem kontrollierten Entzünden von Gegenständen (etwa Kerzen) zu bestimmten (zB feierlichen) Anlässen zu vergleichen. Daß bei der Beurteilung derart geplanter Tätigkeiten von Kindern großzügiger vorgegangen wird, liegt daran, daß diese noch nicht in der Lage sind, das Unrechtmäßige ihrer Handlungen zu erkennen und daß es nie gelingen wird, Kinder derart so genau zu beaufsichtigen, daß ihnen nicht doch eine Unfughandlung mit den doch immer wieder zugänglichen Zündhölzern gelingt. Der Revision der beklagten Partei war daher Folge zu geben und waren die Urteile der Vorinstanzen in Form einer Klagsabweisung abzuändern.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte