OGH 7Ob545/91

OGH7Ob545/9125.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanne P*****, vertreten durch Dr. Michel Münzker, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Maria P*****, vertreten durch Dr. Erich Pexider und Dr. Franz Pruckner, Rechtsanwälte in Zwettl, wegen Unterlassung (Streitwert S 80.000,- s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgerichtes vom 26. Februar 1991, GZ 2 R 122/90-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zwettl vom 16. Oktober 1990, GZ C 493/89 -18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.094,- (darin S 849,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit notariellem Übergabsvertrag vom 14. Juni 1975 wurde der

Beklagten und ihrem noch 1975 verstorbenen Ehegatten die

Dienstbarkeit der Wohnung an der EZ 3 KG B***** mit dem Haus

B***** wie folgt eingeräumt: "Die Übergeber .... bedingen sich

auf Lebensdauer zur ungeteilten Hand, also ungeschmälert auch

nach dem Ableben eines Teiles von ihnen, folgendes, am Tag der

Übergabe beginnendes Ausgedinge aus, und zwar: .... c) Zum

Wohnen, Benützen und Gebrauch in den vertragsgegenständlichen

Wohn- und Wirtschaftsgebäuden .... d) An Rechten: .... den

uneingeschränkten Empfang von Besuchern und deren gelegentliche

Nächtigung, ihre Kinder samt Familie auch auf mehrere Wochen;

e) .... Bei Bedarf die Wartung und Pflege, wozu dann insbesondere

das Zubereiten der Speisen, das Reinigen und Instandhalten der

Kleidung, das Waschen, Bügeln und Flicken der Wäsche und das

Reinemachen und Zusammenräumen der Wohnräume gehört, mit der

Berechtigung, falls diese Wartung und Pflege in den ausbedungenen

Räumen aber nicht richtig oder überhaupt nicht erbracht wird, auf

Kosten der Übernehmer bzw deren Rechtsnachfolger eine Pflegerin,

Wäscherin oder Bedienerin, je nach Bedarf aufzunehmen". Die

Klägerin, die Schwiegertochter der Beklagten, erwarb in dem gegen

ihren Ehegatten geführten Zwangsversteigerungsverfahren zu

E 5010/88 des Bezirksgerichtes Z***** die genannte Liegenschaft

am 11. Juli 1989 durch Zuschlag. Die Beklagte bewohnt die vom

Wohnungsrecht umfaßten Räume seit 1976 gemeinsam mit ihrem

Lebensgefährten Johann G*****. Die Beklagte konnte im Zeitpunkt

des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung auf Grund ihres

schlechten Gesundheitszustandes nur mehr leichteste Hausarbeiten

verrichten, mit von jemandem anderen herbeigebrachten

Nahrungsmitteln kochen, kleine Wäsche waschen und die

Körperpflege verrichten. Schwere Hausarbeiten sind ihr nicht mehr

möglich, sie kann auch keine längeren Wegstrecken, zB zum

Einkaufen, zurücklegen. Auch Johann G***** ist in keinem guten

körperlichen Zustand und kann der Beklagten nur bei leichten

Handgriffen helfen. Er erledigt für sie Telefonate, kocht für sie

Tee, bringt ihr Medikamente und reinigt sie, wenn sie bettlägrig

ist. Er ist der Beklagten als Lebensgefährte ein wichtiger

psychischer Beistand.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die Gestattung eines weiteren Bewohnens des Hauses durch Johann G***** zu unterlassen. Das ständige Wohnen Johann G***** sei eine unzulässige Ausdehnung des ihr eingeräumten Wohnrechtes. G***** sei der Lebensgefährte der Klägerin und keine Pflegeperson, sondern bedürfe selbst der Pflege.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung; sie gestand zu, mit G***** seit 1976 in eheähnlicher Lebensgemeinschaft zu leben. Weder ihr Sohn noch die Klägerin seien der im Übergabsvertrag vorgesehenen Wartung und Pflege ihrer Person nachgekommen; diese besorge ihr Lebensgefährte, soweit es ihm zumutbar sei. Sie bedürfe der ständigen Pflege und Betreuung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte habe G***** bei sich als Lebensgefährten aufgenommen, als sie noch nicht pflegebedürftig gewesen sei; G***** sei auf Grund seines eigenen schlechten Gesundheitszustandes für ihre Pflege ungeeignet. Der geltend gemachte Bedarf nach einer Pflegeperson sei nur eine Schutzbehauptung für die Aufnahme eines Lebensgefährten. Die Klägerin müsse die sich aus den Versteigerungsbedingungen nicht ersichtliche Ausweitung der Dienstbarkeit durch den Dienstbarkeitsberechtigten in Form der Aufnahme eines Lebensgefährten nicht dulden.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsabweisenden Sinne ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteigt und erklärte die Revision für zulässig. Nach dem Übergabsvertrag sei der Beklagten und ihrem damals noch lebenden Ehegatten ein Wohnungsgebrauchsrecht im Sinne des § 521 erster Fall ABGB zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses nach den üblichen Verhältnissen eingeräumt worden. Dazu zähle aber nach der heutigen Lebensauffassung auch das Recht des nunmehr verwitweten Teiles, einen Lebensgefährten in die Wohnung aufzunehmen. Es liege keine unzulässige Ausweitung der Servitut vor.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob derjenige, dem ein dingliches Wohnungsrecht

zusteht, einen Lebensgefährten in die Wohnung aufnehmen darf,

wurde von der Judikatur bisher nicht generell beantwortet. Danach

sei insbesondere die Absicht der Parteien entscheidend. Hatten

die Parteien offenbar die Möglichkeit, der Berechtigte werde eine

Lebensgemeinschaft eingehen, nicht bedacht, könne die Erforschung

des Parteiwillens zu diesem Thema zu keiner Lösung führen. Neben

dem Wortlaut der Vereinbarung komme aber auch dem Zweck des

Übergabsvertrages und der vorgesehenen Einräumung von

Wohnungsrechten wesentliche Bedeutung zu. Bei Einräumung eines

Ausgedinges aus Anlaß der Liegenschaftsübergabe an ein Kind sei

grundsätzlich der Schluß zulässig, daß im Übergabszeitpunkt ein

gutes Einvernehmen herrschte und daß den Übergebern mit dem

Ausgedinge eine Wohnmöglichkeit geschaffen werden sollte, die ihnen eine Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses auf die Art ermögliche, wie es den üblichen Verhältnissen entspreche. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, einen Ehegatten oder Lebensgefährten in die Ausgedingswohnung aufzunehmen (vgl zuletzt

MietSlg 36.038 = EFSlg 45.948, 45.949 mwN). Dieser Rechtsansicht tritt der erkennende Senat in der Hauptsache bei. Die in der vorzitierten Entscheidung gemachte Einschränkung, die Aufnahme eines Lebensgefährten in die Ausgedingswohnung sei nur auf Grund der Umstände des besonderen Einzelfalles berechtigt, ist jedoch derart zu modifizieren, daß ein solches Recht grundsätzlich besteht, wenn nicht berechtigte Umstände gegen die Person des Lebensgefährten bestehen oder wenn sich aus dem Vertrag (Parteienabsicht) nicht eindeutig ergibt, daß aus besonderen Gründen ausnahmsweise die Aufnahme eines Lebensgefährten ausgeschlossen werden sollte. Der Gesetzgeber hat nämlich in den letzten Jahren weitgehende Angleichungen der Stellung des Lebensgefährten an die des Ehegatten vorgenommen. Es ist daher der Schluß gerechtfertigt, daß es sich bei der Berechtigung eine Lebensgemeinschaft einzugehen um ein Persönlichkeitsrecht des Berechtigten handelt. Dies führt aber im allgemeinen dazu, daß die Aufnahme eines Lebensgefährten in die Ausgedingswohnung nur dann ausgeschlossen werden kann, wenn die Parteienabsicht feststeht, die Wohnung nur solange zu belassen, als der Berechtigte ohne Dauergefährten (Ehegatten oder Lebensgefährten) bleibt (vgl WoBl 1989/249). Natürlich gilt das Recht des Ausgedingsberechtigten, eine Person in die Ausgedingswohnung aufzunehmen, nicht für nur scheinbare Lebensgefährten, also wenn nur eine flüchtige Bekanntschaft vorliegt, und zu vermuten ist, daß einer Person mit der Möglichkeit des Wohnens nur eine Gefälligkeit gewährt werden soll. Damit würde tatsächlich eine unzulässige Ausweitung des Wohnrechtes gegenüber dem Eigentümer geschaffen werden. Da im vorliegenden Fall Johann G***** seit vielen Jahren unbestrittenermaßen Lebensgefährte der Beklagten ist, treffen diese Überlegungen auf ihn nicht zu. Gegen seine Person wurde nichts vorgebracht. Daß nach dem Parteiwillen die Aufnahme eines Lebenspartners nicht ausgeschlossen werden sollte, ergibt sich hier schon aus dem Umstand, daß die Wohnung ursprüngich einem Ehepaar überlassen worden war.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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