Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Die jugoslawischen Staatsangehörigen Aleksa M***** und Ljubinka M***** wurden vom Landesgericht Feldkirch als Schöffengericht des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB als Beitragstäter nach dem § 12 StGB schuldig erkannt, weil sie in der Zeit um den 31.Juli 1986 in Dornbirn Bane M***** erlaubten, mit ihrer am 21.August 1972 geborenen Tochter Violetta M***** die Geschlechts- und Lebensgemeinschaft einzugehen und an den Vorbereitungen des Festes für deren Hochzeit mitwirkten, und damit zur Ausführung der strafbaren Handlung des gemäß dem § 6 Abs. 1 JGG außer Strafverfolgung gesetzten Bane M*****, der in der Zeit vom 31.Juli bis 20. August 1987 in Grlian und Vorarlberg mehrmals mit der genannten Unmündigen den Beischlaf unternommen hat, beigetragen haben.
Beide Angeklagten wenden sich gegen diesen Schuldspruch mit (gemeinsam ausgeführter) auf den § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit b StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.
Mit der Mängelrüge (Z 5) machen sie Unvollständigkeit der Urteilsbegründung geltend, weil es das Schöffengericht unterlassen habe, auf erhebliche Widersprüchlichkeiten in den verschiedenen Aussagen des Belastungszeugen Bane M*****, auf dessen Angaben die Tatrichter entgegen der leugnenden Verantwortung der Angeklagten den Schuldspruch stützen, einzugehen.
Das Erstgericht stellte dazu im wesentlichen fest, daß Bane M*****, obwohl er über das wahre Alter von Violetta M***** informiert war, bereits im Sommer 1986, also vor Vollendung ihres 14. Lebensjahres, mit dieser eine Geschlechts- und Lebensgemeinschaft eingehen wollte. Die Angeklagten erklärten sich damit einverstanden, nachdem zwischen dem Erstangeklagten und M***** ein Preis für die Hochzeit ausgehandelt worden war, der allerdings erst nachträglich bezahlt werden sollte. Nach Durchführung umfangreicher Vorbereitungen wurde letztlich in Jugoslawien ein Fest in Art einer Hochzeit gefeiert. Noch vor Vollendung des 14.Lebensjahres des Mädchens unternahm Bane M***** mit ihm sowohl in Vorarlberg als auch in Jugoslawien wiederholt den Beischlaf.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht ging bei seiner Annahme der relevanten Umstände zu Tat und Täterschaft der Angeklagten davon aus, daß der Zeuge Bane M***** bei seinen wiederholten Vernehmungen vor der Gendarmerie, auch als Beschuldigter vor Gericht und schließlich als Zeuge vor dem Untersuchungsrichter und in der Hauptverhandlung in allen entscheidungswesentlichen Punkten gleichlautend ausgesagt habe (US 6 und 7).
Dies trifft jedoch, wie die Beschwerdeführer aktengetreu geltend machen, nicht zu. In seiner Vernehmung vor dem Jugendgerichtshof Wien am 15.Dezember 1987 als Beschuldigter hat der Zeuge nämlich über ausdrückliches Befragen angegeben, daß er "vor ihrem
14. Geburtstag nicht mit Violetta geschlafen" habe (AS 151). Das Schöffengericht hat sich mit dieser Aussage des Bane M*****, die eine entscheidende Tatsache, nämlich den Umstand, ob er tatsächlich mit der Tochter der Angeklagten vor Vollendung ihres 14. Lebensjahres den Beischlaf unternahm, nicht auseinandergesetzt. Es war jedoch verpflichtet, bei seiner Beweiswürdigung das gesamte maßgebliche Umstände betreffende Beweismaterial zu verwerten und anzuführen, warum es die seiner Feststellung einer entscheidenden Tatsache entgegenstehenden Ergebnisse des Verfahrens nicht für überzeugend hielt. Im besonderen Maß gilt dies bei Würdigung von Beweisen angesichts von leugnenden Angeklagten. Eine Unvollständigkeit (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) liegt stets dann vor, wenn die Tatrichter zu Umständen, die gegen die Richtigkeit ihrer Annahme sprechen und bei deren Berücksichtigung eine andere Lösung der Beweisfrage denkbar ist, nicht Stellung nehmen (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3, ENr 57, 61 und 63 zu § 281 Z 5).
Dazu kommt noch, daß die vom Schöffengericht bei Erörterung der Glaubwürdigkeit des genannten Zeugen angestellten Erwägungen über Unstimmigkeiten in dessen Angaben zur Zahlung des sogenannten Brautgeldes ebenfalls nicht berücksichtigten, daß der Zeuge sich nicht nur in seinen Angaben über den Zeitpunkt der angeblichen Erfüllung des behaupteten Zahlungsversprechens widersprach, sondern ursprünglich eine ausdrückliche Ablehnung der Geldforderung und einen damit im Zusammenhang stehenden Abbruch des Kontaktes mit dem Mädchen behauptet hatte (AS 39).
Bereits diese Begründungsmängel machen eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhören der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO), ohne daß es noch einer Erörterung des übrigen Beschwerdevorbringens bedarf.
Mit ihren dadurch gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.
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