OGH 13Os65/91

OGH13Os65/9124.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juli 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ewald G***** und andere wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 und Abs. 3, zweiter Fall, SGG (G***** auch nach den §§ 12, zweiter Fall, 15 Abs. 1 StGB) u.a. strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Ewald G***** und Soner T***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft und die des Angeklagten Zihni B***** wegen "Schuld" und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 23. April 1991, GZ 20 Vr 73/91-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ewald G***** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu A I 5 des Urteilssatzes (wegen Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1, zweiter Fall, SGG in der Form der Bestimmung zum Versuch nach den §§ 12, zweiter Fall, 15 Abs. 1 StGB) und demgemäß auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Soner T***** und die Berufung des Angeklagten Zihni B***** wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (Straf-)Berufungen der Angeklagten Soner T***** und Zihni B***** sowie die der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der genannten Angeklagten werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Ewald G***** ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hinsichtlich dieses Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Soner T***** und Zihni B***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 6. März 1969 geborene Ewald G*****, der am 15. Juli 1970 geborene Soner T***** und der am 1. Jänner 1969 geborene Zihni B***** des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 und 3 Z 3 SGG (G***** teilweise in der Form der Bestimmung zum Versuch nach den §§ 12, zweiter Fall, 15 Abs. 1 StGB, bei B***** blieb die Tat teilweise im Deliktsstadium des Versuchs), ferner G***** noch zweier weiterer Straftaten, B***** auch des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 fünfter Fall, SGG, schuldig erkannt. Darnach haben G***** (zu A/I des Urteilssatzes) vom Sommer 1990 bis Jänner 1991 in wiederholten Angriffen insgesamt 900 g Canabisharz eingeführt und verkauft, weitere 500 g Canabisharz verkauft, den Stefan K***** zum Ankauf von 1 kg Canabisharz in Holland bestimmt, wobei dessen Tat beim Versuch blieb, ferner 50 g Heroin eingeführt und verkauft und schließlich weitere 50 g Heroin verkauft; T***** (zu A/III) hat von November bis Ende 1990 insgesamt 268 g Heroin in Verkehr gesetzt, indem er unter anderem Anfang November 1990 in Lauterach den Temel E***** ca. 80 Gramm Heroin zum Verkauf übergab (A III 1), und B***** insgesamt 71 g Heroin an Jürgen und Ewald G***** verkauft, ferner 33 g zu verkaufen versucht (A/II) sowie Canabisharz konsumiert

(B/II).

Der Angeklagte G***** bekämpft den Schuldspruch (nur) zu A I 5 des Urteilssatzes mit einer auf die Z 5 und 5 a, den Strafausspruch mit einer auf die Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; der Angeklagte T***** ficht das Urteil im Schuldspruch zu A III 1 aus den Gründen der Z 5, 5 a und 9 lit. a der genannten Gesetzestelle an. Alle Angeklagten haben Berufung erhoben, der Angeklagte B***** auch wegen des Ausspruches über die Schuld. Auch die Staatsanwaltschaft hat hinsichtlich der drei Angeklagten eine Strafberufung ausgeführt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten G***** kommt aus dem Grund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach den Urteilsfeststellungen zum Faktum A I 5 des Urteilssatzes übergab der Angeklagte dem Stefan K***** im Sommer 1990 einen Bargeldbetrag von etwa 40.000 S, um ihn zu veranlassen, in Holland ein Kilogramm Canabisharz zu kaufen und ins Inland zu schmuggeln. Die Tat blieb beim Versuch, weil K***** nach dem Ankauf des Suchtgifts einen Dritten um Verbringung über die holländische Grenze ersuchte, dieser das Canabisharz aber dann nicht an K***** ablieferte, sondern für sich behielt (US 8).

Zutreffend bezeichnet der Angeklagte in seiner Beschwerde die Feststellung, daß er den Stefan K***** zu dieser versuchten Einfuhr bestimmt habe, als unvollständig begründet, weil Stefan K***** nach dem Inhalt seiner Aussage vor der Gendarmerie (Beilage 12 der Anzeige) selbst die Initiative ergriffen und den Beschwerdeführer um Geld zum Ankauf von Suchtgift ersucht habe. Mit dieser, der Annahme einer Bestimmung im Sinne des § 12, zweiter Fall, StGB entgegenstehenden Aussage des Stefan K***** hat sich das Erstgericht aber nicht auseinandergesetzt. Dieser Begründungsmangel betrifft die Feststellung des konkreten Tatvorwurfs in tatsachenmäßiger Beziehung (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO), sowie den Ausspruch über eine für die Identität des Tatsachverhaltes in bezug auf die Täterschaftsformen maßgebende und darum entscheidende Tatsache im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO. Die Annahme einer bloß rechtlichen Irrelevanz einer insoweit unrichtigen Subsumtion (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO) setzt ein mängelfrei oder doch unbekämpft feststehendes und zur Beurteilung ausreichendes Tatsachensubstrat voraus (vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2 § 12 RN 57 bis 59; RZ 1982/45).

In diesem Umfang war daher auf Aufhebung des Urteiles sowie des Strafausspruches und Erneuerung des Verfahrens zu erkennen (§ 285 e StPO), wobei es einer Prüfung des übrigen Beschwerdevorbringens nicht mehr bedarf.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte G***** ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hinsichtlich dieses Angeklagten auf diese Entscheidung zu verweisen.

Hingegen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Soner T***** keine Berechtigung zu.

Nach den Urteilsfeststellungen zu A III 1 des Urteilssatzes bezog der Beschwerdeführer im Oktober 1990 von Bayram C***** ca. 250 g Heroin, welche Menge er Anfang November 1990 dem Temel E***** zum Weiterverkauf übergab. Letzterer gab in der Folge dem Angeklagten das Suchtgift bis auf eine Menge von 80 g zurück (US 9).

In seiner Mängelrüge (Z 5) bezeichnet der Angeklagte den Schuldspruch deshalb als mangelhaft begründet, weil Voraussetzung für die Annahme dieser Tat sei, daß er tatsächlich eine Menge von 250 g von Bayram C***** bezogen habe; nach seiner (vom Erstgericht nicht entsprechend gewürdigten) Verantwortung sei aber nicht auszuschließen, daß C***** ihn betrogen und ihm weniger als 250 g Heroin übergeben habe. Unter der Voraussetzung, daß er von dem Genannten nur eine Menge von 150 bis 180 g erhalten habe, bleibe für die Übergabe von 80 g Heroin an Temel E***** aber kein Platz.

Der behauptete Begründungsmangel liegt indes nicht vor.

Das Erstgericht stützte auch diesen Teil des Schuldspruches auf das Geständnis des Angeklagten (US 11 ff), der sich in der Hauptverhandlung zu Beginn seiner Vernehmung ohne Vorbehalt schuldig bekannte (S. 357). In der Verantwortung des Angeklagten (S. 110 f iVm S. 283 und S. 358) findet die Konstatierung des Gerichts, daß Temel E***** eine Menge von 80 g Heroin zurückbehalten hat, ihre durchaus zureichende Begründung. Die Rüge gibt nur aus dem Zusammenhang gelöste Teile der Verantwortung des Angeklagten wieder, übergeht aber dessen Aussage, daß anläßlich der Weitergabe des Suchtgifts an die beiden Mitangeklagten G***** und B***** festgestellt wurde, daß es sich nur um eine Menge von 150 bis 170 g handelte und daß Bayram C***** auf diese Differenz angesprochen ausdrücklich erklärte, daß "es sicher 250 g gewesen seien" (S. 111).

In seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) behauptet der Angeklagte, es stehe im Hinblick auf seine Verantwortung nicht mit Sicherheit fest, ob er von Bayram C***** tatsächlich 250 g Heroin erhalten habe und verweist dazu im wesentlichen auf das Vorbringen zur Mängelrüge. Damit wird jedoch nicht im Sinne des angerufenen Nichtigkeitsgrundes dargetan, inwiefern der Schöffensenat seine Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit durch Übergehen aktenkundiger Umstände in einer Weise verletzt hätte, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Sachverhalts resultieren müßten.

Die Rechtsrüge (Z 9 a) geht nicht vom oben wiedergegebenen Urteilssachverhalt sondern davon aus, daß der Beschwerdeführer angenommen habe, das gesamte Temel E***** übergebene Heroin wieder von diesem zurückerhalten zu haben, sodaß es an jedwedem Vorsatz bezüglich der Übergabe der 80 g Heroin mangle. Damit ist die Rüge aber nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie nicht an den die Grundlage des Schuldspruches bildenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils festhält (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO3 Nr. 26 zu § 281).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Soner T***** war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO im Zusammenhalt mit dem § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zurückzuweisen war auch die "Berufung wegen Schuld" des Angeklagten Zihni B*****, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile in den Prozeßgesetzen nicht vorgesehen ist.

Über die Berufungen der Angeklagten T***** und B***** sowie der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Genannten wird das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

Der Kostenausspruch fußt auf der zitierten Gesetzesstelle.

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