OGH 13Os60/91 (13Os61/91)

OGH13Os60/91 (13Os61/91)24.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juli 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rene P***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148, erster Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Rene P***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Mai 1991, GZ 10 Vr 129/91-24, sowie über seine Beschwerde gegen den Beschluß dieses Gerichtshofes vom 14. Mai 1991, GZ 10 Vr 129/91-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung des dem Angeklagten Rene P***** im Faktum 2 angelasteten, durch Drohungen gekennzeichneten Verhaltens als Verbrechen der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB sowie in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) - demgemäß aber auch der Beschluß über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht vom 14. Mai 1991, GZ 10 Vr 129/91-25, - aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird Rene P***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unangefochtenen Schuldspruch des Werner H***** enthält, wurde Rene P***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (Faktum 1) und des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148, erster Fall, StGB (Faktum 2, erster Teil) sowie der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB (Faktum 2, zweiter Teil) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe und zur Leistung von Schadloshaltung an die Privatbeteiligten Maria und Karl S***** verurteilt. Mit gesondert ausgefertigtem Beschluß widerrief das Erstgericht überdies die bedingte Nachsicht eines Teiles der über Rene P***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 27. Juni 1986, AZ 7 Vr 702/85 (richtig: 7 Vr 792/85), verhängten Freiheitsstrafe.

Rene P***** bekämpft mit seiner auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde nur die Beurteilung der ihm im Faktum 2 angelasteten Erpressung als schwer gemäß dem § 145 Abs. 2 Z 1 und 2 StGB; den Strafausspruch ficht er mit Berufung, den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den den bekämpften Schuldspruch betreffenden Entscheidungsgründen hat der Angeklagte in der Zeit zwischen Jänner 1988 und Dezember 1990 in Graz wiederholt den 85 Jahre alten Karl S***** durch Drohung mit einer Verletzung an Freiheit und Ehre, und zwar durch die Äußerung, er als (vermeintlicher) Kriminalbeamter müsse ihn einsperren, wenn er die verlangten Zahlungen nicht leiste, zu Handlungen, nämlich zur Ausfolgung von Geldbeträgen im Ausmaß von jeweils 2.000 - 4.000 S genötigt, die den Genannten an seinem Vermögen in dieser Höhe schädigten, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten des Genötigten sich unrechtmäßig zu bereichern.

Die Gewerbsmäßigkeit (§ 145 Abs. 2 Z 1 StGB) dieser erpresserischen Angriffe leitete das Erstgericht aus deren Anzahl "über einen Zeitraum von nahezu drei Jahren" (S. 191 f) ab. Die Annahme der Qualifikation nach dem § 145 Abs. 2 Z 2 StGB gründete das Schöffengericht auf die "Begehung gegen dieselbe Person durch längere Zeit hindurch" (S. 192).

Der Beschwerdeführer legt im Ergebnis zutreffend dar, daß die Begründung für die festgestellte gewerbsmäßige Absicht bei der Begehung der als Erpressung beurteilten Tathandlungen mit dem bloßen Hinweis auf deren Zahl unzureichend ist (Z. 5), denn die Entscheidungsgründe lassen an sich nicht erkennen, welche Anzahl von Erpressungshandlungen innerhalb des Zeitraumes von nahezu drei Jahren als erwiesen angenommen wurde. Unter Berücksichtigung der urteilsmäßigen Bezifferung des Erpressungsschadens von 2.000 S - 4.000 S je Faktum und der - auch für den Privatbeteiligtenzuspruch herangezogenen - Angaben des Erpressungsopfers über einen aus allen Erpressungsfakten erwachsenen Gesamtschaden von ungefähr 10.000 S (S. 176) könnte es sich aber bei der für den Beschwerdeführer günstigsten Sicht um insgesamt bloß drei Angriffe innerhalb eines verhältnismäßig langen Zeitraumes gehandelt haben, wobei ein solcher Sachverhalt für sich allein noch keine tragfähige Grundlage für die Annahme einer gewerbsmäßig begangenen Erpressung zu bilden vermag.

Mit Recht wird in der Nichtigkeitsbeschwerde aber auch der Ausspruch über die Qualifikation der Erpressung nach dem § 145 Abs. 2 Z 2 StGB zufolge Fortsetzung der Tat gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch als rechtlich fehlerhaft bekämpft (Z 10).

Auszugehen ist davon, daß diese Qualifikation sowohl dadurch erfüllt werden kann, daß der Täter wiederholt seine Erpressungsmittel einsetzt, bis es ihm schließlich gelingt, zur abgenötigten Leistung zu gelangen, als auch dadurch, daß das idente Opfer zu wiederholten Leistungen veranlaßt wird. In beiden Fällen ist das Merkmal "längere Zeit hindurch" von der konkreten Tatgestaltung abhängig. Dabei kommt es entscheidend auf die Dauer und Intensität der Belastungssituation an, der das Opfer ausgesetzt ist. Abstrakte zeitliche Grenzziehungen lassen sich dafür nicht nennen; entscheidend ist vielmehr die Auswertung der konkreten Umstände (Zipf in WK, Rz 11 f zu § 145).

Da das Erstgericht im vorliegenden Fall die Anzahl der Erpressungsfakten nicht festgestellt hat und zudem aus den Entscheidungsgründen keine Umstände entnommen werden können, welche eine Beurteilung der Belastungssituation des Erpreßten zulassen, liegen Feststellungsmängel in bezug auf die Qualifikation nach dem § 145 Abs. 2 Z 2 StGB vor.

Die aufgezeigten Begründungs- und Feststellungsmängel lassen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in der rechtlichen Beurteilung des an sich zutreffend als Verbrechen der Erpressung subsumierten Täterverhaltens unvermeidlich erscheinen und erfordern die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung. Der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon in nichtöffentlicher Sitzung gemäß dem § 285 e StPO Folge zu geben.

Die Aufhebung des erstgerichtlichen Strafausspruches nötigt aber auch zur Beseitigung des dadurch seiner Grundlage entbehrenden Widerrufsbeschlusses.

Mit seinen dadurch gegenstandslos gewordenen Rechtsmitteln der Berufung und Beschwerde war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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