OGH 13Os45/91

OGH13Os45/9124.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juli 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kandera als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich H***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 19.Feber 1991, GZ 10 Vr 1.776/89-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten Erich H***** und seines Verteidigers Dr. Peter Gradischnig zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich H***** von der wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB erhobenen Anklage, er habe in Spittal an der Drau als für Zivil- und Exekutionssachen zuständiger Rechtspfleger des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat und Angelika T***** an ihren Rechten, gesetzlich ausgeschlossene Organe von Rechtshandlungen auszuschließen und zu 2) auch auf ordnungsgemäße Kostenvorschreibung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er

1) am 22.März 1989 zu 3 C 746/89 des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau gegen Angelika T***** einen Zahlungsbefehl erließ; (und)

2) am 25.April 1989 die Fahrnisexekution 7 E 2026/89 gegen Angelika T***** bewilligte und der betreibenden Partei Hubert H***** höhere Kosten zusprach, als ihr gesetzlich zustanden, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Inhaltlich der Entscheidungsgründe ging das Erstgericht hiebei von folgendem Sachverhalt aus:

Der seit Anfang 1979 als Rechtspfleger in Zivilprozeß- und Exekutionssachen beim Bezirksgericht Spittal an der Drau tätige und dort zur Tatzeit für die Abteilungen 3 C und 7 E zuständig gewesene Erich H***** nahm am 21.März 1989 über Ersuchen seines Bruders Hubert H***** protokollarisch eine Mahnklage über eine gegen Angelika T***** geltend gemachte Forderung von 6.550 S auf, wobei der Kläger bei der Errichtung der Protokollarklage gar nicht anwesend war, weshalb der Angeklagte das Protokoll mit Zustimmung seines Bruders mit dessen Namen unterfertigte. Auf Grund dieser, beim Bezirksgericht Spittal an der Drau unter dem AZ 3 C 746/89 registrierten Mahnklage erließ Erich H***** selbst den Zahlungsbefehl, obwohl er wußte. daß er als Bruder des Klägers nach dem Gesetz (§ 20 Z 2 JN iVm § 7 RechtspflegerG) von der Ausübung des Rechtspflegeramtes ausgeschlossen war.

Die Beklagte ließ den Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwachsen, leistete indes weiter keine Zahlung, worauf Hubert H***** den Angeklagten ersuchte, Exekutionsschritte gegen Angelika T***** einzuleiten. Der Angeklagte füllte daraufhin das Formblatt für Exekutionsbewilligungen (E-Form 276) aus, nahm es nach Hause und ließ es vermutlich am 24.April 1989 von seinem Bruder (als betreibendem Gläubiger) unterfertigen. Am 25.April 1989 erließ er wiederum selbst den Exekutionsbewilligungsbeschluß 7 E 2026/89, mit welchem er die Exekution nach dem § "249 a" (richtig 294 a) EO und die Fahrnisexekution (antragskonform) bewilligte. Im Exekutionsbewilligungsbeschluß sprach der Angeklagte seinem Bruder weiters einen nicht aufgegliederten Kostenbetrag von 400 S zu, und zwar 300 S für Gerichtskostenmarken (TP 4 lit. a GGG) und 100 S für Aufwendungen, die Hubert H***** als weitere Kosten für Versuche zur Hereinbringung seiner Forderung tatsächlich gehabt hat (und die nach Ansicht des Schöffengerichtes ersatzfähig waren - US 8). Infolge späterer Zahlung der verpflichteten Partei wurde das Exekutionsverfahren am 7.September 1989 gemäß dem § 40 EO eingestellt. Der Angeklagte wußte auch bei der Exekutionsbewilligung, daß er wegen des nahen Verwandschaftsverhältnisses zum betreibenden Gläubiger nach dem Gesetz von der Ausübung des Rechtspflegeramtes ausgeschlossen war. Er wußte ferner, daß er diesen Ausschließungsgrund gemäß dem § 22 Abs. 1 GOG unverzüglich dem Vorsteher des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau hätte anzeigen müssen. Der Angeklagte handelte demnach sowohl bei Erlassung des Zahlungsbefehles als auch der Exekutionsbewilligung in Kenntnis des in seiner Person begründeten Ausschließungsgrundes und in Kenntnis jener Verfahrensvorschriften, die einer Erledigung der Mahnklage und des Exekutionsantrages durch ihn zwingend entgegenstanden. Er wollte jedoch in beiden Verfahren jeweils die richtige Sachentscheidung treffen.

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete das Schöffengericht die Einlassung des Angeklagten, er habe bei beiden Erledigungen schlicht übersehen, daß sein Bruder als Partei involviert war, als unglaubwürdige Schutzbehauptung. Im übrigen folgte es jedoch der Verantwortung des Angeklagten, er habe nicht mit dem Vorsatz gehandelt, den Staat oder Angelika T***** an ihren Rechten zu schädigen, vielmehr sei er insbesondere in Ansehung der Exekutionskosten der Meinung gewesen, das Mehrbegehren von 100 S wäre tatsächlich gerechtfertigt, und er sei weiters - gestützt auf eine verbreitete Spruchpraxis der Rekursgerichte - der begründeten Ansicht gewesen, daß bis zu einer Höhe von 150 S weitere Exekutionskosten auch ohne nähere Bescheinigung des Anspruchsgrundes zugesprochen werden dürften. In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht den objektiven Tatbestand des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB zufolge der Vornahme von Amtsgeschäften durch ein kraft Gesetzes ausgeschlossenes (Rechtspflege-)Organ (des Bundes) für erfüllt und ging auch auf der inneren Tatseite davon aus, daß der Angeklagte in Ansehung des Befugnismißbrauchs wissentlich im Sinn des § 5 Abs. 3 StGB gehandelt habe. Da es jedoch im gegenständlichen Fall am außerdem erforderlichen Vorsatz des Angeklagten, den Bund oder Angelika TAUCHHAMMER an ihren Rechten zu schädigen, fehle, gelangte es zu einem Freispruch.

Rechtliche Beurteilung

Diesen bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer ausschließlich auf die Z 9 lit. a des § 281 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Soweit die Rechtsrüge überhaupt prozeßordnungsgemäß ausgeführt wird - die Beschwerdeführerin übergeht die in den Entscheidungsgründen mehrfach zum Ausdruck gebrachte Tatsachenfeststellung, wonach der Angeklagte ohne Schädigungsvorsatz gehandelt hat (US 6, 7/8; vgl. dazu Mayerhofer-Rieder, StPO3 ENr. 26 zu § 281) - ist sie auch mit ihrer (sinngemäß zusammengefaßten) Behauptung, der Angeklagte habe im vorliegenden Fall durch den konstatierten wissentlichen Befugnismißbrauch (gewissermaßen zwangsläufig) eine Schädigung des Staates und der Verfahrensgegnerin seines Bruders an den bereits in der Anklage beschriebenen Rechten zumindest bedingt vorsätzlich herbeigeführt, nicht im Recht.

Das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB erfordert auf der inneren Tatseite neben dem wissentlichen (§ 5 Abs. 3 StGB) Befugnismißbrauch den Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB) des Täters, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen. Für die Erfüllung der als Inhalt dieses erweiterten Vorsatzes geforderten Schädigung kommt neben der Beeinträchtigung eines privatrechtlichen Anspruchs auch die Schädigung eines konkreten öffentlichen Rechtes in Betracht, worunter im allgemeinen die Vereitelung einer bestimmten, in der Rechtsordnung festgelegten staatlichen Maßnahme zu verstehen ist, sofern damit der bestimmte Zweck hintangehalten oder doch beeinträchtigt werden soll, den der Staat mit der Erlassung der dieser Maßnahme zugrundeliegenden Vorschrift erreichen will. In Ansehung von Verfahrensvorschriften, die der Prüfung der materiellen Berechtigung eines Anspruches dienen (vorliegend der JN, ZPO, EO und des GOG), liegt eine solcherart bedeutsame Schädigung der für die Verfahrensabwicklung zuständigen Gebietskörperschaft an einem konkreten öffentlichen Recht allerdings schon dann vor - und zwar unabhängig davon, ob auch vorschriftsgemäßes Organhandeln letztlich zum gleichen Ergebnis geführt hätte -, wenn diese Verfahrensvorschriften rundweg übergangen werden und der Gebietskörperschaft dadurch vorweg jede Möglichkeit genommen wird, ein diesen Vorschriften unterliegendes Begehren auf seine Genehmigungsvoraussetzungen unter Beachtung der vom Gesetzgeber hiefür festgesetzten Kautelen zu prüfen. Daraus folgt aber, wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 13.Juni 1990, 13 Os 5/90 (= JBl. 1990, 807 mwN) ausgesprochen hat, daß in allen anderen Fällen, in denen sich der Täter, ohne die gesetzliche Verfahrensregelung schlechthin zu negieren, nur zum Teil über die in Frage kommenden Normen hinwegsetzt, das pflichtwidrige Verhalten für sich allein zur Tatbestandsverwirklichung nicht ausreicht; diesfalls muß vielmehr durch die Rechtsverletzung der vom Gesetzgeber an die übergangene Vorschrift geknüpfte materielle Zweck betroffen werden.

Im vorliegenden Fall kann nun - wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannte - nicht gesagt werden, daß der Angeklagte sich über sämtliche in Frage kommenden Verfahrensvorschriften (vgl. die §§ 448 ff ZPO über das Mahnverfahren und die §§ 3 ff EO über die Exekutionsbewilligung) hinweggesetzt hat. Für eine vom zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten umfaßte Rechtsschädigung wäre demnach erforderlich, daß der Angeklagte es wenigstens ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hätte, durch sein pflichtwidriges Verhalten eine materiell unrichtige Sachentscheidung herbeizuführen, ohne daß es dabei auf die von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen prozessualen Interessen der von der Entscheidung betroffenen Parteien (oder des Staates) ankäme. Das Erstgericht hat sohin den Schädigungsvorsatz des Angeklagten rechtsrichtig unter dem Gesichtspunkt seiner Vorstellung über die sachliche Richtigkeit der von ihm getroffenen Entscheidungen verneint; demnach haftet der behauptete Rechtsfehler dem angefochtenen Freispruch nicht an.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

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