OGH 14Os50/91

OGH14Os50/9123.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juli 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Frohner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dejan D***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Dobrica K***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 12.März 1991, GZ 3 b Vr 802/90-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, und des Verteidigers Dr. Pirker jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines gesetzlichen Vertreters Desimir K***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Angeklagten Dobrica K***** sowie gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch hinsichtlich der Mitangeklagten Dejan D***** und Damir P***** in der rechtlichen Beurteilung des den drei Angeklagten laut Punkt A. des Urteilsspruches zur Last fallenden Verhaltens als Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB sowie demgemäß auch in den die Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Dejan D*****, Dobrica K***** und Damir P***** haben durch das zu Punkt A. des Schuldspruches festgestellte Verhalten das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB begangen und werden hiefür sowie für das ihnen nach dem unberührt bleibenden Teil des Urteils zur Last fallende Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB nach §§ 28, 142 Abs. 2 StGB, 5 Z 4 JGG zu jeweils drei (drei) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB werden die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen unter Bestimmung von Probezeiten von je drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Dobrica K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Jugendlichen Dejan D*****, Dobrica K***** und Damir P***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB (Punkt A. des Urteilssatzes) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (B.) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil, das Dejan D***** und Damir P***** unangefochten gelassen haben, wird vom Angeklagten Dobrica K***** lediglich im Punkt A. des Schuldspruchs mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 9 a (sachlich Z 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft und die Privilegierung der Tat nach § 142 Abs. 2 StGB angestrebt.

Den Angeklagten liegt zur Last, am 6.Mai 1990 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (§ 12 StGB) Tommy M***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einen geringen Geldbetrag mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen oder abgenötigt zu haben, indem sie von ihm in drohendem Ton die Herausgabe von Bargeld forderten und Damir P***** ihm überdies Schläge für den Fall der Weigerung androhte.

Das Schöffengericht stellte im Rahmen der Entscheidungsgründe fest, daß Tommy M***** von den Angeklagten teilweise wörtlich, teilweise durch Ausstrecken der Hände um Geld angegangen und von den Angeklagten auch gepackt und gestoßen wurde, worauf er aus Angst einen geringen Geldbetrag hergab. Nachdem die Angeklagten noch mehr Geld verlangt hatten, kam es zu einem Handgemenge, bei dem einer oder auch mehrere Angeklagte nach dem Geld in der Börse des M***** griffen. Den Angeklagten kann nach dem Beweisverfahren nur die Wegnahme eines geringen Geldbetrages von etwa 50 S angelastet werden.

Die Tatrichter schlossen daraus, der Raub sei nicht ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen worden, weil dem Opfer drei Gegner gegenübergestanden wären (US 5). Hiebei wird übersehen, daß durch die Ausschaltung des sogenannten Gesellschaftsraubes aus den Fällen des schweren Raubes nach dem § 143 StGB im Wege des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 (BGBl 1987/605) verdeutlicht wurde, daß durch eine Tätermehrzahl allein die Qualifikation zum schweren Raub nicht bewirkt wird, weshalb in allen Fällen einer Bedrohung im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB oder bei Anwendung nicht erheblicher physischer Gewalt durch mehr als einen Täter minderschwerer Raub nach dem § 142 Abs. 2 StGB nicht ausgeschlossen werden kann.

Des weiteren begründete das Erstgericht die Annahme erheblicher Gewalteinwirkung damit, daß das Opfer gestoßen und geschlagen wurde, wobei auf Verletzungen im Gesicht und am Körper des Tommy M***** hingewiesen wurde (US 5 f). Erhebliche Gewalt liegt aber in der Regel nur dann vor, wenn beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt wird (siehe hiezu SSt 51/50 ua; Leukauf-Steininger2, RN 35; Kienapfel II2, RN 109; Zipf in WK Rz 47, je zu § 142 StGB). Das vom Schöffengericht festgestellte Vorgehen der Angeklagten (Packen und Stoßen) kann auch nicht wegen der besonderen Begehungsweise als Anwendung erheblicher Gewalt beurteilt werden, zumal der Beraubte dabei nicht zu Boden gefallen ist (vgl SSt 51/50). Das Erstgericht hat demgegenüber vielmehr zum Ausdruck gebracht, es könne gar nicht feststellen, ob die Gewaltanwendung beim Raubgeschehen erfolgte. Insoweit es Verletzungen des Tommy M***** als Beweis dafür, daß er gestoßen und geschlagen wurde, heranzieht, setzt es sich nämlich zu seinen weiteren Ausführungen, wonach das Opfer nicht jede einzelne Verletzung einer bestimmten Mißhandlung im Zuge des mehraktigen, auch eine (bloße) Nötigung (B.) umfassenden Tatgeschehens zuordnen konnte, in Widerspruch. Auch der Umstand, daß Tommy M***** bis zum Abschluß des Raubes unter dem Eindruck eines im Zuge der Nötigung erlittenen Fußtrittes stand (US 6), reicht nicht aus, um die Annahme einer beim Raub erfolgten erheblichen Gewaltanwendung zu begründen.

Soweit davon ausgegangen wird, es sei zweifelhaft, ob die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen habe (US 5), weil Tommy M***** anläßlich der Anzeigeerstattung Hautabschürfungen und Rötungen an der rechten Wange zeigte und Schmerzen im Rücken und an der rechten Körperseite angab, vermag dies eine Tatbeurteilung nach § 142 Abs. 2 StGB ebensowenig zu hindern, weil das Erstgericht derartige auf den Raub zurückgehende Tatfolgen eben nicht unzweifelhaft festzustellen vermochte.

Das im Urteil des Erstgerichtes festgestellte Verhalten der Angeklagten ist daher als Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes, wobei die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub handelt, zu qualifizieren. Dies war gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen auch zugunsten der Mitangeklagten Dejan D***** und Damir P***** wahrzunehmen. Feststellungen, die die Angeklagten weitergehend belasten würden, sind nach der Aktenlage nicht zu erwarten. Insbesondere hat die Hauptverhandlung nichts zur Aufklärung der von Tommy M***** laut seinen Angaben vor der Polizei erlittenen Verletzungen beigetragen, weswegen kein Anlaß für eine Verfahrenserneuerung besteht.

Bei der aus Anlaß der rechtlichen Beurteilung der Raubtat nach dem § 142 Abs. 2 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung war bei allen Angeklagten erschwerend das Zusammentreffen des Raubes mit der Nötigung, mildernd der ordentliche Lebenswandel, der Beitrag der Angeklagten zur Wahrheitsfindung sowie die in der Hauptverhandlung erfolgte Schadensgutmachung (AS 109). Bei diesen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung waren die aus dem Spruch ersichtlichen Freiheitsstrafen tatschuldgerecht.

Die vorliegenden Milderungsgründe rechtfertigen die Annahme, daß die bloße Strafdrohung während angemessener Probezeiten ausreichen wird, um die Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 43 Abs. 1 StGB). Generalpräventive Erwägungen stehen dem nicht entgegen.

Der Angeklagte Dobrica K***** war demgemäß mit seiner Berufung auf die Entscheidung zur Strafneubemessung zu verweisen.

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