Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der (zur Hauptfrage unberührt bleibende) Wahrspruch der Geschwornen zur Eventualfrage und demgemäß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter des Kreisgerichtes
Korneuburg - dem gemäß § 349 Abs. 2 StPO aufgetragen wird, den aufrecht gebliebenen Wahrspruch zur Hauptfrage der Entscheidung mit zugrunde zu legen - zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Gründe:
Auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen wurde Rosemarie E***** - in Abweichung von der auf versuchten Mord lautenden Anklage - des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Die Geschwornen hatten die anklagekonforme Hauptfrage, ob Rosemarie E***** am 30.Jänner 1991 in Korneuburg ihren geschiedenen Ehegatten Leopold E***** durch Versetzen von Stichen mit einem "Butterflymesser" mit 11 cm Klingenlänge zu töten versucht hatte, stimmeneinhellig verneint; die Eventualfrage, ob die Angeklagte solcherart absichtlich Leopold E***** schwer zu verletzen suchte, jedoch (tatsächlich nur leicht verletzt hat), stimmeneinhellig bejaht.
Der Antrag der Verteidigerin (S 300) neben der einzigen genannten Eventualfrage auch eine solche in Richtung (vorsätzlicher) Körperverletzung nach § 83 StGB zu stellen, wurde vom Schwurgerichtshof abgelehnt, weil weder die Verantwortung der Angeklagten noch das Gutachten des chirurgischen Sachverständigen eine solche Frage indiziert hätten.
Die auf § 345 Abs. 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist im Recht.
Das angeführte Sachverständigengutachten indiziert zwar nicht die begehrte Fragestellung. Denn zur Frage wieso die Angeklagte eine tangentiale, nur leichte Verletzungsfolgen auslösende Stichführung gegen den Rücken ihres geschiedenen Gatten führte, hat der Sachverständige nicht Stellung genommen, daher auch nicht, ob ihre Absicht schwer zu verletzen fehlgeschlagen ist, oder von vornherein keine solche bestand.
Anders jedoch das Vorbringen der Angeklagten: Diese hat nach Vorhalt des verwendeten gefährlichen Tatwerkzeuges und teilweise über weiteres ausdrückliches Befragen in der Hauptverhandlung bloß ihren Verletzungswillen einbekannt, jedoch ein Wissen über die möglichen (schweren) Folgen ihres Vorgehens und eine Überlegung zu möglichen (schweren) Verletzungsfolgen ebenso, wie eine gezielte Stichführung ausdrücklich verneint (S 271 ff). Dieses Vorbringen hätte erfordert, neben der gestellten Eventualfrage nach versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung auch eine solche nach Körperverletzung gemäß § 83 StGB Abs. 1 (allenfalls auch in der Qualifikation des § 84 Abs. 2 Z 1) StGB zu stellen.
Das durch das Beschwerdevorbringen aufgezeigte Fehlen einer Eventualfrage in der begehrten Richtung begründet Nichtigkeit des Urteils des Geschwornengerichtes und erfordert bereits in nichtöffentlicher Beratung Urteilsaufhebung (§§ 285 e, 344 StPO).
Die Sache war an den nunmehr zuständigen Einzelrichter zu verweisen (§§ 349 Abs. 2, 351 StPO); denn über den die Kompetenz des Geschwornengerichtes begründenden Anklagevorwurf wurde durch Verneinung der Hauptfrage im insoweit unangefochtenen und aufrecht gebliebenen Wahrspruch endgültig abgesprochen. Damit ist im zweiten Rechtsgang nur mehr über eine strafbare Handlung zu erkennen, die nicht in die Zuständigkeit des Geschwornengerichtes, sondern des Einzelrichters fällt (SSt 47/11, 14 Os 90/89 uva).
Mit ihren Berufungen aber waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.
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