OGH 4Ob86/91

OGH4Ob86/919.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf St***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gernot Hain und andere Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Otto W*****, vertreten durch Dr.Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 25. April 1991, GZ 1 R 59/91-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Eisenstadt vom 28.Jänner 1991, GZ 2b Cg 510/91-3, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies die Anträge der Klägerin ab, dem Beklagten zur Sicherung inhaltsgleicher Unterlassungsansprüche zu verbieten,

a) im geschäftlichen Verkehr im Einzelhandel mit Fotoartikeln das Gehäuse einer Leica M 6 um einen Preis von S 24.390 anzubieten, wenn der Hinweis, daß der Preis nur für das Gehäuse gilt, in unauffälligem Kleindruck aufscheint und neben der Ankündigung eine Leica M 6 samt Objektiv abgebildet ist;

b) das Fotografengewerbe gemäß § 94 Z 17 GewO auszuüben, wenn er über keine derartige Gewerbeberechtigung verfügt.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Sicherungsantrages zu lit a, änderte jedoch die Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Sicherungsantrages zu lit b ab; weiters sprach es aus, daß der Wert des abändernden Teiles des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der "außerordentliche" Revisionsrekurs der Klägerin.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO idF der WGN 1989 ist der Revisionsrekurs - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - dann jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluß zur Gänze bestätigt worden ist. Der Gesetzgeber wollte damit in Abkehr von der vor der WGN 1989 geltenden Bestimmung des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO idF der ZVN 1983 - wonach Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz unzulässig waren, soweit dadurch der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt worden war (§ 502 Abs 3 ZPO) - zur Rechtslage vor der ZVN 1983 zurückkehren, weil er es als unbefriedigend empfand, daß seit dem Jahre 1983 bei teilweise bestätigenden und teilweise abändernden Entscheidungen (nur) der abändernde Teil anfechtbar war, der bestätigende aber nicht, und zwar selbst dann, wenn die beiden Entscheidungen - was immer wieder vorgekommen sei - inhaltlich miteinander verknüpft waren; es werde daher auf die Rechtslage vor der ZVN 1983 und auf deren damalige Auslegung durch das Judikat 56 zurückgegangen, wonach nur zur Gänze bestätigende Entscheidung unanfechtbar sind (991 BlgNR 17.GP zu Z 39.3.).

Nach Lehre (Fasching IV 454) und Rechtspechung vor der ZVN 1983 (SZ 45/117; ÖBl 1975, 89 mwN; ÖBl 1976, 20 und 36 uva) konnte aber ein Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem der Beschluß des Erstgerichtes teilweise bestätigt worden war, nur dann zur Gänze angefochten werden, wenn der bestätigende und der abändernde Teil der Rekursentscheidung in einem so engen, unlösbaren sachlichen Zusammenhang standen, daß sie nicht auseinandergerissen werden konnten, so daß auch die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich zu beurteilen war; hatte dagegen das Rekursgericht über mehrere Gegenstände oder Ansprüche entschieden, die nicht in innerem Zusammenhang standen, sondern durchaus jeder für sich ein eigenes rechtliches Schicksal haben konnten, dann stand einer Teilung der Entscheidung zweiter Instanz im Sinne einer abgesonderten Beurteilung ihrer Anfechtbarkeit beim Obersten Gerichtshof kein Hindernis entgegen.

Nach der nunmehrigen Rechtslage kann kein Zweifel daran bestehen, daß ein Beschluß (oder ein Urteil), der (das) über mehrere Ansprüche abspricht, für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit jedenfalls nur dann als Einheit behandelt werden kann, wenn die einzelnen Ansprüche nach § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind; nur dann sind sie - soweit es sich nicht um reine Geldansprüche handelt - einheitlich zu bewerten (Fasching LB2 Rz 1830) und mit einem einheitlichen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu versehen (Petrasch, Die Zivilverfahrensnovelle 1983 in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, ÖJZ 1985, 257 ff und 291 ff (295), derselbe, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der WGN 1989, ÖJZ 1989, 743 ff (747)); andernfalls ist für jeden einzelnen Anspruch ein besonderer Ausspruch erforderlich. Nach denselben Grundsätzen ist in der Regel auch die Frage zu beurteilen, ob ein Beschluß des Erstgerichtes "zur Gänze bestätigt" worden ist: Bestätigt das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes über einen Anspruch, während es die Entscheidung über einen anderen, damit nicht zusammenhängenden Anspruch abändert, dann ist der Ausspruch des Rekursgerichtes hinsichtlich des ersten Anspruches zur Gänze bestätigend, hinsichtlich des zweiten Anspruches aber abändernd; der erste Teil der Entscheidung ist demnach gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar, die Anfechtung des zweiten Teils der Entscheidung unterliegt hingegen dieser Beschränkung nicht.

Im vorliegenden Fall steht der von der Bestätigung durch das Rekursgericht betroffene Teil der Entscheidung des Erstgerichtes mit dem von der Abänderung betroffenen Teil in keinem Zusammenhang: Während lit a des Sicherungsantrages die Irreführungseignung einer Werbeankündigung im Eröffnungsprospekt des Beklagten im Rahmen einer sogenannten "Leica-Eintauschaktion" betrifft, erfaßt lit b des Sicherungsantrages das - wenngleich im selben Prospekt angekündigte - Ausüben des Fotografenhandwerks ohne entsprechende Gewerbeberechtigung. Diese Ansprüche beruhen nicht nur auf unterschiedlichen Sachverhalten; sie ergeben sich auch aus verschiedenen Rechtsvorschriften. Sie stehen daher weder in einem rechtlichen noch in einem tatsächlichen Zusammenhang.

Der "außerordentliche" Revisionsrekurs der Klägerin war daher zurückzuweisen.

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