OGH 15Os71/91 (15Os72/91)

OGH15Os71/91 (15Os72/91)27.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jahn als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Christian G***** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22.April 1991, GZ 36 Vr 215/91-38, sowie über die Berufung des Angeklagten gegen den Beschluß desselben Gerichts vom selben Tag, Seite 148, ON 38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; es werden das angefochtene Urteil im Schuldspruch zu Punkt 1. sowie demzufolge auch im Strafausspruch und dem davon abhängigen Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft sowie der (mit dem Strafausspruch untrennbar verbundene) Beschluß auf Widerruf der zum AZ 20 BE 451/90 des Landesgerichtes Innsbruck gewährten bedingten Entlassung aufgehoben und es wird die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung und seiner Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften, auch einen unangefochten gebliebenen Freispruch hinsichtlich zweier Anklagepunkte enthaltenden Urteil wurde Christian G***** der Vergehen

(1.) des Diebstahls nach § 127 StGB,

(2.a) der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1 StGB,

(2.b) der versuchten Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs. 1 StGB und

(3.) des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

(zu 1.) am 15.Dezember 1990 am Hauptbahnhof I***** dem Ernst SCH***** fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Armbanduhr im Wert von etwa 500 S und eine Packung Tabak, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

(zu 2.a) am 4.Jänner 1990 in I***** durch die (vor dem Bezirksgericht I***** zum AZ 8 U 540/89 abgelegte) Aussage: "Wir haben in der Bahnhofshalle geblödelt und plötzlich bekam ich von irgend jemandem eine auf die Nase. Aber sicher nicht von H*****, der hinter mir sitzt ... Aber ich betone nochmals, daß mich sicher nicht derjenige, der jetzt hinter mir im Verhandlungssaal sitzt, geschlagen hat. Der mich geschlagen hat, war kleiner als H*****" vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt,

(zu 2.b) den Josef H*****, der eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen hatte, der Strafverfolgung durch die zu 2.a angeführte falsche Beweisaussage absichtlich ganz zu entziehen versucht,

(zu 3.) am 24.September 1990 in I***** in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Markus P***** dem Johann HO*****, während dieser einen epilepitschen Anfall hatte, somit unter Ausnützung eines Zustandes, der den Bestohlenen hilflos machte, dessen Geldtasche mit 380 S Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Anzumerken ist zu den Punkten 1. und 3. des Schuldspruches, daß das Schöffengericht nicht beachtete, daß die beiden diebischen Angriffe eine rechtliche Subsumtionseinheit bilden (§ 29 StGB);

der Angeklagte wäre daher rechtsrichtigerweise nur wegen eines (qualifizierten) Vergehens des Diebstahls schuldig zu sprechen gewesen (EvBl 1989/147 = RZ 1989/65; SSt 55/74;

EvBl 1983/78 uvam). Im Hinblick auf die aus nachfolgend dargestellten Gründen erforderliche Teilaufhebung des Urteils (im Schuldspruch zu Punkt 1.) erübrigt sich aber insoweit eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO hinsichtlich dieses vom Beschwerdeführer nicht gerügten Fehlers in der Rechtsanwendung.

Der gegen alle Punkte des Schuldspruchs gerichteten, auf § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt nur teilweise Berechtigung zu.

Zum Schuldspruchfaktum 1. wird mit Recht ein Begründungsmangel (Z 5) geltend gemacht:

Der Angeklagte verantwortete sich in der Hauptverhandlung damit, daß ihm der Zeuge SCH***** 200 S oder 300 S schuldig gewesen sei und er dem Zeugen (deshalb) die Uhr als Pfand weggenommen habe (S 120). Damit stellte er der Sache nach einen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz in Abrede.

Wenngleich der Angeklagte vor der Polizei und vor dem Untersuchungsrichter seine Forderung gegen SCH***** mit nur etwa 50 S beziffert und nicht behauptet hatte, die Abnahme der Uhr sei eine (eigenmächtige) Pfandnahme gewesen (S 12, 39), so durfte das Erstgericht die in der Hauptverhandlung gewählte Verantwortung des Angeklagten im Urteil nicht mit Stillschweigen übergehen, zumal diese ein für die Beurteilung der subjektiven Tatseite entscheidendes Verfahrensergebnis darstellt und nicht auszuschließen ist, daß das Gericht bei dessen Würdigung zu anderen Feststellungen gelangt sein könnte.

Die Urteilskonstatierung, derzufolge der Angeklagte ernstlich bedachte, sich durch die Wegnahme der Armbanduhr unrechtmäßig zu bereichern, und er sich mit dem Eintritt dieses Erfolges innerlich abfand (US 7), leidet demnach an einem Begründungsmangel.

Aus diesem Grund ist jedenfalls eine Kassation des Schuldspruches betreffend die dem Zeugen SCH***** abgenommene Armbanduhr unumgänglich. Wegen des engen Sachzusammenhanges hatte sich die Aufhebung auch auf den Schuldspruch wegen der Wegnahme einer Packung Tabak zu erstrecken (§ 289 StPO), ohne daß es erforderlich wäre, auf die Ausführungen des Beschwerdeführers hiezu einzugehen, in denen er - im Rahmen seiner Rechtsrüge urteilsfremd - darauf abstellt, bei der - nach seiner eigenen Verantwortung (S 120 iVm mit der Anzeige des Zeugen SCH***** S 43) etwa eine halbe Stunde vor Wegnahme der Uhr

erfolgten - Abnahme des Tabaks sei es ihm "ja in erster Linie auf die Uhr" angekommen.

Hingegen konnte den Beschwerdeausführungen zu den Schuldspruchfakten 2. und 3., in denen der Angeklagte eine Tatsachenrüge (Z 5 a) geltend macht, kein Erfolg beschieden sein.

Zu den Schuldspruchfakten 2. vermögen weder der Umstand, daß die vom Beschwerdeführer gegen den Zeugen H***** erstattete Strafanzeige nicht in Form einer Niederschrift, sondern "sinngemäß" festgehalten wurde (ON 2 in ON 2 der ON 27), noch die Tatsache, daß sich der Zeuge H***** - der im übrigen wegen der tätlichen Attacke gegen den Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt wurde - stets leugnend verantwortet hatte, erhebliche Bedenken gegen die bezüglichen Tatsachenannahmen des Schöffengerichtes zu erwecken; dies vor allem auch im Lichte der vom Angeklagten in seinen Beschwerdeausführungen übergangenen Aussage der Zeugin B***** (S 128 f), die das Schöffengericht als glaubwürdig erachtete (US 11), und der konstatierten Blutspritzer an der Hose des Zeugen H***** in Kniehöhe (ON 2 in ON 2 in ON 27), was mit dem in der Anzeige des Beschwerdeführers geschilderten Kniestoß in das Gesicht, der zum Bluten führte, gut in Einklang zu bringen ist.

Ebensowenig bietet die Aktenlage Anhaltspunkte für erhebliche Bedenken gegen die Tatsachenannahmen des Erstgerichtes zum Schuldspruchfaktum 3., wozu das Erstgericht den Angaben des Zeugen P*****, die der Beschwerdeführer als unglaubwürdig hält, keineswegs unreflektiert folgte, sondern die Selbstbelastung des Zeugen durch seine Aussage und die detaillierten Angaben über die Verärgerung wegen des nur geringen in der Brieftasche vorgefundenen Geldbetrages (der Großteil des Geldes war in einem von den Dieben übersehenen Seitenfach) in Betracht zog.

Daß der Bestohlene dem Angeklagten die Tat nicht zutraut, ist bloße Vermutung, auf die erhebliche Bedenken gegen Tatsachenannahmen nicht gestützt werden können.

Der Umstand hinwieder, daß der Zeuge P***** - gemäß § 153 Abs. 1 StPO berechtigterweise - eine Aussage verweigerte (S 127), ist im Rahmen der Beweiswürdigung überhaupt nicht verwertbar (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 110 f zu § 258; SSt 56/82, RZ 1986/63 ua), und zwar weder gegen noch für einen Angeklagten (15 Os 122, 149/88). Auch eine Tatsachenrüge kann demnach nicht, wie es der Beschwerdeführer unternimmt, darauf gestützt werden.

Aus den angeführten Gründen war sohin schon bei einer nichtöffentlichen Beratung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils sofort Folge zu geben, der Schuldspruch zu Punkt 1. aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen, teils jedoch war sie zurückzuweisen (§§ 285 e, 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).

Der Angeklagte war mit seiner Berufung und seiner Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß auf die auch den Strafausspruch und den Widerrufsbeschluß umfassenden Teilkassation zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle (vgl Mayerhofer-Rieder aaO E 11 zu § 390 a).

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