OGH 1Ob571/91

OGH1Ob571/9126.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Alissa *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Alexandra J*****, vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 12. Februar 1991, GZ 1 b R 40/91-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 8. Jänner 1991, GZ 5 P 1/89-5 teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung

Mag. Stefan ***** hat am 29.12.1988 vor der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die Vaterschaft zu der am ***** unehelich geborenen Alissa ***** anerkannt. Die Obsorge für das Kind steht gemäß § 166 ABGB der Mutter zu.

Mag. Stefan ***** begehrt mit der am 20.4.1990 beim Erstgericht zu 5 C 34/90 eingebrachten Klage die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses. Mit Beweisbeschluß vom 6.8.1990 ließ das Gericht zur Frage, ob Mag. Stefan ***** als Vater ausgeschlossen sei, Beweis durch Einholung eines serologischen Gutachtens zu. Es bestellte Dr. Hans ***** zum Sachverständigen. Dieser teilte am 10.10.1990 dem Erstgericht mit, daß die Blutabnahme am Kind am Widerstand der Mutter gescheitert sei.

Das Erstgericht entzog darauf im Pflegschaftsverfahren aus Kollisionsgründen der Mutter die Befugnis, das Kind im Abstammungsverfahren weiterhin zu vertreten. Zum Kollisionskurator bestellte es den Jugendwohlfahrtsträger. Dieser teilte am 30.1.1991 mit, durch die Bestellung zum Kollisionskurator würde ein Interessenkonflikt zwischen der Wahrung des Wohles des Kindes und der Wahrung der Rechtssicherheit entstehen, es sehe sich daher nicht in der Lage, die Vertretung des Kindes zu übernehmen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter teilweise Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die Entziehung der Obsorge und die Vertretungsbefugnis des Sachwalters auf die Erteilung der (Nicht-)Einwilligung zur blutserologischen Befundung und Begutachtung einschließlich der einmaligen dafür erforderlichen Blutabnahme im Verfahren 5 C 34/90 des Erstgerichtes durch den dort bestellten Sachverständigen beschränkt werde. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es nicht für zulässig. Es stehe fest, daß der Durchführung der blutserologischen Begutachtung des Kindes nicht etwa eine mögliche Beeinträchtigung seiner Psyche oder Physis, sondern einzig und allein die auch nach Belehrung durch den Sachverständigen und das Gericht aufrechterhaltene Weigerung der Mutter, das Kind einer solchen Untersuchung unterziehen zu lassen, entgegenstehe. Damit werde aber die Klärung einer für das Kind mittel- bis längerfristig entscheidenden Frage verhindert. Die von der Mutter geförderte oder zumindest prolongierte Ungewißheit über die Person des Vaters könnte im späteren Leben der Minderjährigen zu Identifikations- und Beziehungsproblemen führen, die auch später kaum mehr anders als im Rahmen einer gerichtsmedizinischen Begutachtung beseitigt werden könnten. Dem Widerstand der Mutter könnte grundsätzlich auf verschiedene Weise begegnet werden. In Betracht käme die Ersetzung der mangelnden Zustimmung des obsorgeberechtigten Elternteiles, die Erteilung direkter Gebote bzw Verbote und schließlich die Entziehung der Obsorgerechte und Bestellung eines Sachwalters ausschließlich im Zusammenhang mit der relevanten anstehenden Entscheidung. Das Erstgericht habe sich der Sache nach gegen den direkten Ersatz der fehlenden Zustimmung und gegen direkte Einwirkung auf den Willen der obsorgeberechtigten Mutter entschieden, die Prüfung des hier interessierenden Fragekomplexes der Blutabnahme vielmehr einer dritten Person. nämlich dem Jugendwohlfahrtsträgers überbunden. Somit könne nach der Entscheidung des Erstgerichtes die Blutabnahme theoretisch auch unterbleiben. Da nicht dargetan sei, daß besondere Eile Not tue und andererseits die Rechtsstellung des Kindes gegenüber der Verfügung des Erstgerichtes nicht verschlechtert werden solle, sei daher in erster Linie an der Überbindung der Entscheidungsbefugnis auf einen Dritten als Sachwalter festzuhalten. Dadurch müsse aber nicht die gesamte Vertretung der Mutter im Verfahren 5 C 34/90 des Erstgerichtes betroffen sein. Dies führe zu der Überlegung, daß die Beschränkung der Obsorgerechte der Mutter und Übertragung ihrer Befugnisse an einen Sachwalter nur auf die Prüfung der Frage zu beziehen sei, ob tatsächlich eine Blutabnahme erfolgen dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und berechtigt.

Nach § 176 b ABGB darf das Gericht durch eine Verfügung nach den §§ 176 und 176 a ABGB die Obsorge nur soweit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist. Diese Beschränkung ist letztes Mittel (Schwimann in Schwimann, ABGB Rz 2 zu § 176 b). Das Gericht darf nur aus schwerwiegenden Gründen davon Gebrauch machen (RV 172 BlgNR 17.GP, 17). Eine Maßnahme nach § 176 ABGB darf daher nur dann getroffen werden, wenn das Gesetz keine anderen Möglichkeiten, dem Wohle des Kindes gerecht zu werden, vorsieht. Weigert sich die obsorgeberechtigte Mutter in einem Abstammungsverfahren namens des Kindes, an diesem eine Blutentnahme zuzulassen, so ist vom Prozeßgericht nach § 7 Abs 2 FamRAnglV (vgl Fasching Lehrbuch2 Rz 2381) zu entscheiden, ob diese Weigerung berechtigt ist. Bei weiterer ungerechtfertigter Weigerung können sogar Zwangsmittel angewendet werden. Geht das Prozeßgericht im Sinn des § 7 FamRAnglV vor, kann jedenfalls derzeit eine Gefährdung des Kindeswohles hintangehalten werden. Durch die von den Vorinstanzen gewählte Vorgangsweise wäre überdies, wie das Schreiben des Jugendwohlfahrtsträgers vom 30.1.1991 zeigt, ohnedies nicht gewährleistet, daß die Blutabnahme am Kind durchgeführt werden kann.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind ersatzlos aufzuheben.

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