OGH 11Os48/91

OGH11Os48/9118.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juni 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zacek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Juliane H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 13.März 1991, GZ 10 Vr 2633/90-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und es werden der Wahrspruch zur Hauptfrage I und zur Zusatzfrage, soweit sie sich auf die Hauptfrage I bezieht, und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und es wird die Sache an das Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Graz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen, wobei die unberührt bleibenden Teile des Wahrspruches und des Urteiles der Entscheidung zugrundezulegen sind.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen, welche die beiden anklagekonform gestellten Hauptfragen ebenso einstimmig bejahten wie sie die auf beide Hauptfragen bezogene Zusatzfrage einstimmig verneinten, wurde die am 1.Dezember 1922 geborene Hausfrau Juliana H***** des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB (1) und des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB

(2) schuldig erkannt. Sie tötete darnach am 8.Oktober 1990 in L***** ihren Ehemann Anton H***** dadurch vorsätzlich, daß sie im Fußbodenbereich des ehelichen Schlafzimmers Zeitungspapier anzündete, den schwer betrunkenen und gehbehinderten Mann im Haus einschloß und den einzigen Wohnungsschlüssel mitnahm, wobei der Genannte nach Entstehung einer Feuersbrunst an einer Kohlenmonoxydvergiftung starb (1) und verursachte diese Feuersbrunst an dem im Eigentum von Franz und Stefanie SCH***** stehenden Haus, sohin an einer fremden Sache, ohne Einwilligung der Eigentümer dadurch vorsätzlich, daß sie im Fußbodenbereich des ehelichen Schlafzimmers Zeitungspapier entzündete (2).

Dieses Urteil ficht die Angeklagte nur im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes (1) mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführerin kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie unter Zitierung der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen die Möglichkeit einer die Wissens- und (allenfalls auch) Willenskomponente des Tötungsvorsatzes (§ 5 Abs. 1 StGB) ausschaltenden Bewußtseinseinengung reklamiert. Der Zeuge S***** sprach nämlich in seinen (in der Hauptverhandlung verlesenen) Aussagen von einer sehr starken Alkoholisierung der Angeklagten, die unmittelbar nach der Tat zu ihm gekommen war (S 63, 65, ON 28 iVm S 463), und deponierte in der Hauptverhandlung, daß die Angeklagte am Abend (wie auch er selbst) "schon betrunken" gewesen sei (S 447). Hiezu kommt, daß auch nach den Gendarmerieerhebungen die Angeklagte und ihr Mann zur Tatzeit "stark alkoholisiert gewesen sein dürften" (ON 6 S 73 iVm S 463). Wenn der Sachverständige Dr. Z***** nun auf Grund dieser Beweisergebnisse in dem in der Hauptverhandlung wiederholten und ergänzten Gutachten ausführt, daß chronische Alkoholiker oft auch aus Unlustgefühlen zu Brandlegungen neigen und die Angeklagte, wenn sie stark alkoholisiert gewesen sein sollte, vielleicht tatsächlich an die Folgen ihrer Brandlegung nicht gedacht und ihr Gewissen sich erst geregt habe, als die aktuelle Alkoholwirkung abklang (S 153); man aber nur im Fall einer hochgradigen Alkoholisierung an eine kurzschlüssige Brandlegung denken könne, bei der die gefährlichen Folgen nicht überlegt wurden (S 157), wobei man ihr vielleicht auch zubilligen könnte, sie habe ihren Zorn abreagiert (S 455), so liegen darin Tatsachen, die - werden sie als erwiesen angenommen - geeignet sind, die Tat einem milderen Strafgesetz zu unterstellen (§ 314 StPO). Hiebei ist nämlich auch die ebenfalls in der Hauptverhandlung verlesene, zur Verursachung des Brandes geständige Verantwortung der Angeklagten im Vorverfahren nicht zu übersehen, wonach sie nicht gewollt habe, daß ihr Ehemann verbrenne oder ersticke; sie habe ihn nicht "umbringen" wollen, sie sei nur zornig gewesen und habe sich nichts gedacht, als sie im Schlafzimmer Papier anzündete und die Wohnung verließ (S 57, ON 7 iVm S 463). Der Schwurgerichtshof wäre deshalb verpflichtet gewesen, durch Stellung einer (uneigentlichen) Zusatzfrage gemäß dem § 316 StPO (die zur Hauptfrage I als Eventualfrage gemäß dem § 314 Abs. 1 StPO anzusehen ist - vgl Mayerhofer-Rieder3 E 2 a und 2 b zu § 316 StPO) nach fahrlässiger Herbeiführung des Todes im Sinn der strafsatzerhöhenden Qualifikation des § 169 Abs. 3 StGB für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I nach Mord und der Bejahung der Hauptfrage II nach Brandstiftung den Geschwornen die Gelegenheit zu bieten, eine entsprechende Beweiswürdigung in subjektiver Richtung auch rechtlich richtig einzuordnen.

Demnach verletzte der Schwurgerichtshof die Vorschriften über die Fragestellung nach den §§ 314 Abs. 1 bzw 316 StPO, weshalb das Urteil an dem angezogenen Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO leidet.

Diese Nichtigkeit erstreckt sich aber nicht auf alle Teile des Wahrspruches, sondern lediglich auf den Wahrspruch I wegen Mordes und auf die Beantwortung der Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit iS des § 11 StGB in bezug auf diese Hauptfrage, während der Wahrspruch zur Hauptfrage II wegen Brandstiftung und zur diesbezüglichen Zusatzfrage nach § 11 StGB sowie der auf diesen Wahrspruchteilen beruhende Schuldspruch wegen des Verbrechens nach dem (Grundtatbestand des) § 169 Abs. 1 StGB unberührt bleibt und demgemäß der neuen Entscheidung (mit-)zugrunde zu legen sein wird (§ 349 Abs. 2 StPO).

Es war daher (nur) der aus dem Spruch ersichtliche Teil des Wahrspruches und des Urteiles schon in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben, dem Erstgericht insoweit eine Verfahrenserneuerung aufzutragen (§§ 344, 285 e StPO) und die Angeklagte mit ihrer Berufung auf diese auch die Kassation des Strafausspruches beinhaltende Entscheidung zu verweisen.

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