Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.077 (darin S 679,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger verpflichtete sich mit Vertrag vom 7.Juni 1988, dem Beklagten Arbeitskräfte zu einem Stundensatz von S 185,-- netto zu überlassen. Bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen ab Rechnungslegung durfte sich der Beklagte 3 % Skonto abziehen.
Auf das Schreiben des Klägers vom 16. Juni 1988, daß sich der Stundensatz ab 1.Juli 1988 auf S 195,-- erhöhe, weil das mit 1. Juli 1988 in Kraft tretende Arbeitskräfte-Überlassungsgesetz gesetzliche Auflagen vorsehe, die sich auf die Preise auswirkten, reagierte der Beklagte nicht, bezahlte aber in der Folge die Rechnungen des Klägers, die einen Stundensatz von S 195,-- auswiesen, mit Ausnahme der (letzten) Rechnungen vom 3.Oktober 1988 über S 33.462, vom 7.Oktober 1988 über S 13.104 und vom 2. November 1988 über S 4.680. Er begründete diese Zahlungsverweigerung mit der Mitteilung von Arbeitskräften, sie hätten gegenüber dem Kläger Lohnforderungen. Der Beklagte machte in einem Telefongespräch mit dem Kläger die Bezahlung der letzten drei Rechnungen von der Vorlage einer Bestätigung über die vollständige Bezahlung der Lohnforderungen und der Sozialversicherungsbeiträge abhängig. Daraufhin drohte der Kläger, daß er die Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen werde, wenn der Beklagte die Rechnungen nicht bezahle. Der Beklagte zog von insgesamt 9 Rechnungen des Klägers, die in der Zeit vom 16.Juni 1988 bis 23.September 1988 gelegt wurden, trotz Überschreitung des Zahlungszieles von 10 Tagen nach Rechnungserhalt ein 3 %iges Skonto ab.
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Bezahlung von insgesamt S 62.575,96 sA. Der Beklagte habe die letzten 3 Rechnungen über S 51.246 nicht bezahlt und habe sich von den vorhergehenden Rechnungen zu Unrecht S 11.329,96 an Skontis abgezogen. Die klagende Partei sei ihren Lohnzahlungsverpflichtungen gegenüber den überlassenen Arbeitskräften und gegenüber der Sozialversicherung voll nachgekommen.
Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß der Kläger den überlassenen Arbeitskräften nicht den Lohn bezahlt und Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zu Unrecht einbehalten habe. Der Beklagte könne daher gemäß der sich aus § 14 AÜG ergebenden Bürgschaftsverpflichtung zur Haftung herangezogen werden. Der Kläger habe die Vorlage von Nachweisen über die Erfüllung dieser Verpflichtungen grundlos verweigert. Die Skontoabzüge des Beklagten seien trotz Überschreitung des Zahlungszieles vom Kläger konkludent akzeptiert worden.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es folgerte rechtlich, daß der Arbeitskräfte dem Beklagten überlassende Kläger nicht zur Vorlage der vom Beklagten geforderten Nachweise verpflichtet sei. Dementsprechend sei der Beklagte nicht zur Zurückbehaltung der noch offenen Rechnungsbeträge berechtigt. Bei der vom Beklagten begehrten Verpflichtung handle es sich nicht um eine besondere Nebenleistung im Rahmen des Austauschverhältnisses. Die unterlassene Reaktion des Klägers auf die vom Beklagten zu Unrecht abgezogenen Skontis stelle keine konkludente Zustimmung des Klägers zu einer Rechnungsminderung dar.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Das Leiharbeitsverhältnis sei ein Vertrag sui generis. Der Überlasser habe seine Leistung mit der Zurverfügungstellung von geeigneten Arbeitskräften erfüllt, der Beschäftiger habe nach erfolgtem Arbeitseinsatz das dafür vereinbarte Entgelt zu bezahlen. Die Bürgenhaftung nach § 14 Abs. 1 und 2 AÜG erfasse auch vor dem Inkrafttreten des AÜG geschlossene Leiharbeitsverträge. Die vom Beklagten geforderten Nachweise der erfolgten Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und der Löhne inkludiere einen vertraglich nicht zustehenden Einblick des Beschäftigers in die Kalkulation des Überlassers. Der Gesetzgeber habe mit der Bestimmung des § 14 AÜG nur die Ansprüche der verliehenen Arbeitskräfte sichern und den Beschäftiger zu einer sorgfältigen Auswahl des Überlassers bewegen wollen. Der Beklagte habe es versäumt, sich den Nachweis der vollständigen Zahlung der Löhne und der Sozialversicherungsbeiträge vertraglich zusichern zu lassen. Eine derartige Verpflichtung könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Im übrigen lägen auch die Voraussetzungen für die wirksame Erhebung der Unsicherheitseinrede nicht vor.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die zwischen einem Überlasser und einem Beschäftiger getroffene Vereinbarung, Arbeitskräfte zu verschaffen, ist als Dienstverschaffungsvertrag zu werten. Dieser ist weder ein Werk- noch ein Arbeitsvertrag (SZ 25/44, Arb. 6329, 7210 und 7252). Allerdings steht er dem Werkvertrag nahe (so Soz I A/E 297), weil durch ihn ein Werk, nämlich das Zurverfügungstellen von Personen für bestimmte Arbeiten, versprochen wird. Nach SZ 25/44 sind auf ihn die allgemeinen Bestimmungen des Schuld-(Obligationen-)Rechtes anzuwenden (vgl. Geppert, AÜG, 18; Krejci in Rummel, ABGB2 § 1051 Rz 130 ff sowie 9 Ob A 602/90). Die Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften auf die Lösung des vorliegenden Rechtsfalles scheidet aufgrund der klaren Unternehmerbeziehung der Streitteile aus. Jeder der in dieser Art geschlossenen Dienstverschaffungsverträge enthält kraft Gesetzes zwingende Regelungsinhalte, so die Bürgen- bzw. Ausfallsbürgenhaftung des Beschäftigers nach § 14 Abs 1 oder Abs. 2 AÜG. Nachdem es sich bei der letztzitierten Norm um eine Schutzbestimmung zugunsten des überlassenen Arbeitnehmers handelt (vgl. EB 450 der Beil. zur XVII GP des NR; 13 ff sowie AB = 511 der Blg. zur XVII GP des NR), ist der von den Vorinstanzen gezogene Schluß, daß diese Bestimmung auch auf vor dem 1. Juli 1988 geschlossene Verträge, zumal es sich offensichtlich um nach diesem Zeitpunkt angefallene Lohnforderungen bzw. Sozialversicherungsbeiträge handelt, gerechtfertigt. Eine aus der Art des Vertrages oder dem AÜG sich ergebende Verpflichtung des Überlassers, dem Beschäftiger die volle Lohnzahlung gegenüber den verliehenen Arbeitnehmern bzw. die Entrichtung der für den Beschäftigungseinsatz angefallenen Sozialversicherungsbeiträge nachzuweisen, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Mangels einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung beruft sich der Beklagte daher zu Unrecht auf die Nichteinhaltung vertraglicher Bestimmungen.
Ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 471 ABGB oder der §§ 369 ff HGB scheidet aufgrund des klaren Gesetzeswortlautes (arg: Herausgabe einer Sache bzw. von Wertpapieren) aus. Sohin verbleibt dem Beklagten nur die Unsicherheitseinrede. Sie ist nicht auf Kauf- oder Tauschverträge beschränkt (vgl. Aicher in Rummel, ABGB2 § 1052 Rz 28). Einem Vorleistungspflichtigen steht grundsätzlich keine Einrede des nicht erfüllten Vertrages zu. Er kann nur gemäß § 1052 Satz 2 ABGB seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teiles gefährdet ist. Gefährdung liegt vor, wenn im Zeitpunkt des Erfüllungsverlangens durch den Nachleistungsberechtigten bei objektiver Beurteilung der gesamten Sachlage zu befürchten ist, daß die volle und zeitgerechte Bewirkung der Gegenleistung in Frage gestellt ist (Aicher aaO). Die beklagte Partei hat weder bewiesen, daß ihr eine solche Gegenleistung zusteht, noch daß sie gefährdet wäre.
Da den im § 20 Abs 1 AÜG genannten Behörden die laut Abs 2 leg.cit. angeführten Kontrollrechte im Rahmen der ihnen hoheitsrechtlich übertragenen Überwachungsfunktion eingeräumt worden sind, besteht gegenüber einem Vertragspartner des Überlassers, dem solche Einsichtsrechte nicht zustehen, keine Gleichheitsverletzung. Da diese Überwachungsinstrumente nicht auf die Einhaltung der Vertragstreue gegenüber dem Partner, sondern auf den Arbeitnehmerschutz abzielen, ist die Bevorrechtung der Behörden durch den Gesetzgeber in § 20 AÜG funktionell begründet. Es besteht daher kein Anlaß für eine Antragstellung nach Art. 140
BVG.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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