OGH 7Ob548/91

OGH7Ob548/9113.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann,

Dr. Niederreiter, Dr. Redl und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Therese M*****, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in Gloggnitz, wider die beklagte Partei Johann P*****, vertreten durch Dr. Norbert Lehner und Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wegen S 3.850,-- s.A. und Feststellung (Rekursstreitwert S 75.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 11. März 1991, GZ R 62/91-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 20.November 1990, GZ C 1254/89y-14, teilweise aufgehoben und die Klage teilweise

zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und die Kostenentscheidung werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung der klagenden Partei betreffend die Abweisung des Eventualbegehrens auf Räumung zu entscheiden.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte an rückständigem Bestandzins 3.850 S s.A. und die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für die Kosten von bestimmten Instandsetzungsarbeiten. Infolge Streites darüber, ob das Bestandverhältnis den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliegt, stellte die Klägerin den Zwischenantrag auf Feststellung, daß dies nicht der Fall sei und in eventu auf Feststellung, daß das Mietrechtsgesetz nur in dem im § 1 Abs.4 MRG umschriebenen Umfang gelte. Sie erhob ferner für den Fall, daß dem ersten Zwischenantrag auf Feststellung nicht stattgegeben werden sollte und gestützt auf ein neues Sachvorbringen ein Räumungsbegehren.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht erblickte in der Erhebung des Eventualbegehrens auf Räumung eine Klagsänderung, ließ diese zu, wies jedoch die Zwischenanträge auf Feststellung, das Zahlungsbegehren, das Feststellungsbegehren und das Eventualbegehren auf Räumung ab (Punkt 5 des Urteilsspruches). Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Klagsänderung erwuchs in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im Umfang der Entscheidung über das Eventualbegehren auf Räumung auf und wies die Klage insoweit zurück. Im übrigen bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes sei das Eventualbegehren auf Räumung unzulässig. Ein Eventualbegehren setze ein Hauptbegehren voraus. Die Klägerin habe ihr Eventualbegehren nicht von der abweislichen Erledigung ihres Hauptbegehrens abhängig gemacht, sondern von der Abweisung eines Zwischenantrages auf Feststellung. Die Möglichkeit, über einen solchen Zwischenantrag zu entscheiden, sei davon abhängig, daß es (noch) die Möglichkeit der Entscheidung über den Hauptanspruch gebe. Schon aufgrund dieser prozessualen Abhängigkeit sei ein Zwischenantrag auf Feststellung einem Feststellungs(Haupt-)Begehren nicht gleichzuhalten. Da das Eventualbegehren von der Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag abhängig gemacht worden sei, müßte es auch den Zulässigkeitskriterien für einen Zwischenantrag auf Feststellung entsprechen. Die für den Zwischenfeststellungsantrag geforderte Präjudizialität könne von der Entscheidung über das Räumungsbegehren nicht angenommen werden. Die Regelung des Zwischenantrages auf Feststellung sehe ein Eventualbegehren hiezu auch nicht vor. Mit einem Zwischenantrag auf Feststellung könne daher ein Eventualbegehren nicht verbunden werden. Die Rechtskraft der Klagsänderung sei wirkungslos, weil es sich bei dem Eventualbegehren zu einem Zwischenantrag nicht um ein Eventualbegehren im Sinne des § 235 ZPO handeln könne. Die Unzulässigkeit des Eventualbegehrens sei daher vom Berufungsgericht auch von Amts wegen wahrzunehmen.

Der gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der Klägerin ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) und berechtigt.

Das Erstgericht hat zu Recht in der nachträglichen Erhebung des Eventualbegehrens auf Räumung eine Klagsänderung erblickt, weil zu seiner Begründung neue rechtserzeugende Tatsachen vorgetragen wurden (MietSlg.33.642; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1225). Der rechtskräftig gewordene Ausspruch des Erstgerichtes über die Zulassung der Klagsänderung hat die Wirkung, daß das Eventualbegehren auf Räumung auch vom Berufungsgericht zum Gegenstand einer Sachentscheidung gemacht werden muß, wenn es die Abweisung des erstrangig erhobenen Begehrens bestätigt. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die rechtskräftige Zulassung der Klagsänderung wegen Unzulässigkeit des Eventualbegehrens wirkungslos und daher unbeachtlich sei, ist schon deshalb nicht zu teilen, weil, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, ein Eventualbegehren auch mit einem Zwischenantrag auf Feststellung verknüpft werden kann. Der von der klagenden Partei gestellte Zwischenantrag auf Feststellung ist, verfahrensrechtlich betrachtet, eine nachträgliche Klagserweiterung durch ein zusätzliches Feststellungsbegehren, die auch ohne Zustimmung der beklagten Partei zulässig und nicht an die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Klagserweiterungen gebunden ist (Fasching aaO Rz 1076). Der Zwischenantrag auf Feststellung ist eine weitere, vom Gesetz eröffnete Möglichkeit der Geltendmachung eines Feststellungsanspruchs. Der so erhobene Anspruch ist ein selbständiger Entscheidungsgegenstand (8 Ob 507/79). Daraus folgt, daß der Zwischenantrag auf Feststellung verfahrensrechtlich wie ein Hauptbegehren anzusehen ist, das freilich, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, prozessual vom Klagebegehren abhängt (vgl. Fasching III 126 f). Diese Abhängigkeit schließt aber nicht aus, daß mit dem Zwischenantrag auf Feststellung ein Eventualbegehren verknüpft wird. Das Eventualbegehren ist schon seinem Wesen nach an innerprozessuale Bedingungen geknüpft und kann nicht mehr Gegenstand einer Entscheidung sein, wenn dem Hauptbegehren stattgegeben wird. Ein mit einem Zwischenantrag auf Feststellung verbundenes Eventualbegehren weist nur eine verstärkte Abhängigkeit auf, kann aber, wie der vorliegende Fall zeigt, bei Eintritt der prozessualen Bedingungen durchaus zum Gegenstand einer Entscheidung werden. Die verstärkte Abhängigkeit ist daher kein Grund, die grundsätzlich zulässige Eventualklagenhäufung zu versagen, wenn das Eventualbegehren mit einem Zwischenantrag auf Feststellung verknüpft wird. Für das Eventualbegehren selbst ist keine Präjudizialität zu fordern.

Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.

Da das Berufungsgericht, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht, die Berufung der Klägerin nicht vollständig erledigt hat, erweist sich auch eine Aufhebung der Kostenentscheidung als notwendig.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

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