OGH 5Ob527/91

OGH5Ob527/9111.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 20. Dezember 1989 verstorbenen Markus L*****, wohnhaft gewesen in ***** W*****, infolge Revisionsrekurses der Erben 1. Josef L*****, 2. Maria L*****,

3. Renate L*****, 4. Ingrid L*****, geb. 27. Jänner 1977, ***** vertreten durch die ***** Kollisionskuratorin Anneliese M*****,

5. Simon L*****, 6. Berta L*****, alle vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 3. April 1991, GZ R 265/91-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Judenburg vom 6. Februar 1991, GZ A 513/89-18 bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Im Verlassenschaftsverfahren nach dem am 20. Dezember 1989 verstorbenen Markus L***** haben sämtliche Revisionsrekurswerber mit Ausnahme der mj. Ingrid L***** unbedingte Erbserklärungen abgegeben; diese behielt sich die Rechtswohltat des Inventariums vor, worauf am 3. Oktober 1990 der Nachlaß inventarisiert wurde. Es ergab sich eine Nachlaßüberschuldung von S 11.330,23, wobei allerdings der Wert einer titulierten Forderung des Erblassers über S 700.000,-- s.A. wegen vermutlicher Uneinbringlichkeit mit Null angesetzt wurde.

Am 28. Dezember 1990 beantragten sämtliche Erben, den Nachlaß gemäß § 73 AußerStrG dem Bruder des Erblassers, einem Miterben, für die von ihm getragenen Begräbnis- und Graberrichtungskosten von S 39.126,52 an Zahlungs Statt zu überlassen. Das Verlassenschaftsgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Forderung von S 700.000,-- s.A. in das Hauptinventar aufzunehmen sei, womit der Nachlaß nicht mehr als unbedeutend angesehen werden könne.

Der dagegen von sämtlichen Erben (auch dem Bruder des Erblassers) erhobene Rekurs blieb erfolglos. Ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die zum Nachlaß gehörige Forderung der begehrten iure-crediti-Einantwortung im Wege steht, bestätigte das Rekursgericht den abweislichen Beschluß mit der Begründung, daß wegen der unbedingten Erbserklärungen eines Großteils der Erben eine Einantwortung nach Gläubigerrecht iS des § 73 AußerStrG nicht mehr möglich sei. Die Rechte, die die (bisher offensichtlich noch nicht erforschten) Gläubiger des Nachlasses durch die unbedingten Erbserklärungen erworben hätten, könnten nämlich nicht mehr beseitigt werden; gerade dieser Effekt würde aber durch die Überlassung des Nachlasses an einen Miterben an Zahlungs Statt eintreten (EvBl 1947/139).

Dieser Beschluß enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes - im Hinblick auf die zum Nachlaß gehörige Forderung - S 50.000,-- übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes bezüglich des Zusammentreffens von unbedingten Erbserklärungen und Überlassung des Nachlasses an Zahlungs Statt liege nämlich nicht vor.

Dagegen richtet sich der nunmehr vorliegende Revisionsrekurs der Erben mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes entweder iS einer Stattgebung des auf § 73 AußerStrG gestützten Überlassungsbegehrens abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen. Begründet wird dies damit, daß sich das Rekursgericht mit den seinerzeit gegen den erstrichterlichen Beschluß vorgebrachten Argumenten (es geht dabei in erster Linie um die Frage der Einbringlichkeit der zum Nachlaß gehörigen Forderung) nicht auseinandergesetzt habe. Die Rechtsansicht, wonach ein Vorgehen nach § 73 AußerStrG nicht möglich sei, wenn ein Erbe durch eine unbedingte Erbserklärung für Nachlaßschulden voll haftbar geworden sei, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Eine solche Erbserklärung würde dann eben wirkungslos.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 14 Abs 1 AußerStrG zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht und einer Korrektur bedarf, um die Rechtssicherheit nicht zu gefährden. Die Revisionsrekurswerber haben diesen Rechtsirrtum auch zum Gegenstand ihrer Rechtsmittelausführungen gemacht, indem sie auf die Notwendigkeit einer Erörterung der im Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß vorgebrachten Argumente über die Uneinbringlichkeit der zum Nachlaß gehörigen Forderung hingewiesen haben.

Zu der vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, ob der Nachlaß einem Gläubiger gemäß § 73 AußerStrG überlassen werden kann, wenn die Erben unbeschränkt für Nachlaßverbindlichkeiten haften, finden sich tatsächlich kontroversielle Stellungnahmen in der Literatur (vgl Weiß in Klang III2, 981; Kralik, Erbrecht, 350 bei FN 14). Eine solche Haftung scheidet jedoch im gegenständlichen Fall aus und kann folglich auch nicht als Grund für die Abweisung des Überlassungsbegehrens herangezogen werden. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die volle Haftung eines unbedingt erbserklärten Erben gegenüber Gläubigern des Nachlasses bleibe auch dann bestehen, wenn ein anderer Erbe die Rechtswohltat des Inventars in Anspruch nimmt und der Nachlaß tatsächlich inventarisiert wird, widerspricht nämlich dem § 807 ABGB. Danach bewirkt die Inventarisierung des Nachlasses immer eine betragsbeschränkte Erbenhaftung, auch dann, wenn eine unbedingte Erbserklärung abgegeben wurde (Koziol-Welser II8, 390; Kralik aaO, 351; Welser in Rummel I2, Rz 4 zu § 802 ua).

Die einzige vom Rekursgericht angeführte Begründung, warum dem Begehren der Erben nicht stattgegeben werden könne, erweist sich somit als unhaltbar. Es wird auf die anderen im Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß geltend gemachten Argumente eingehen müssen, um die Sache erschöpfend zu erörtern. Ob der Nachlaß trotz der vorhandenen Forderung unbedeutend ist, könnte dabei von Tatfragen abhängen, sodaß dem OGH schon aus diesem Grund keine abschließende Entscheidung möglich ist.

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Über die allfällige Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung hat das Rekursgericht zu befinden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte